Mit der erstmaligen Verpflichtung von Celtic-Folk-Queen Loreena McKennitt gelang dem «Stimmen»-Festival ein kleiner Coup. Und die Kanadierin mit der kristallklaren Stimme enttäuschte nicht, sondern bezirzte das begeisterte Publikum auf dem Lörracher Marktplatz mit einem furiosen zweistündigen Auftritt.
Eigentlich hätte sie ja schon längst da sein müssen, denkt man. Denn das «Stimmen»-Festival und Loreena McKennitt: Das scheint ein «Match made in Heaven», ein perfektes Paar. Doch nach einer Reihe persönlicher Schicksalsschläge machte sich die Queen of Celtic Folk im letzten Jahrzehnt rar.
Umso schöner, dass es nun doch noch geklappt hat und die Kanadierin mit irischen Wurzeln am Freitagabend um acht Uhr überpünktlich die Bühne betritt. Eine wahrlich königliche Erscheinung, die 55-jährige in der lila Samtrobe, mit flatternder blonder Löwenmähne. Und genauso archaisch und überir(d)isch wie ihr Äusseres dominiert auch McKennitts Markenzeichen, ihr aussergewöhnliches Organ, bereits bei den ersten Zeilen von «The Mummer’s Dance» den Lörracher Marktplatz.
Man muss wohl weit suchen, bis man eine ähnliche Stimme findet, ein derart warmes und nuancenreiches Timbre, kristallklar und kräftig bis in die höchsten, fast schwindelerregenden Höhen, ein Vibrato, das trotz aller Prononciertheit nie affektiert wirkt. Und genauso natürlich und bodenständig, so authentisch und bescheiden wirkt auch die grazile Sängerin selbst.
Mühelose Hommage ans kollektive Keltentum
Doch Loreena McKennitt, das ist nicht nur eine einzigartige Stimmvirtuosin, das ist auch eine Spurensucherin, eine Zeitreisende, die von längst versunkenen Hochkulturen erzählt: Und irgendwie passen darum auch der milchig-graue Abendhimmel, die kühlen Temperaturen und der wenig sommerliche Nieselregen, der die hunderten von Unentwegten auf dem Marktplatz in eine Armada aus weissen Capes verwandelt, perfekt ins Bild.
«Oh, you brave souls!», begrüsst sie mit mitleidigem Lachen die Zuschauer – und verspricht angesichts der unwirtlichen Witterung auf die geplante Pause und auf allzu ausufernde Ansagen zu verzichten. «Das ist sowieso kein grosser Verlust», so ihr selbstironisch-schalkhaftes Fazit.
Das stimmt. Nicht, weil diese Erläuterungen zu ihren einzelnen Forschungsreisen, welche die Kanadierin von Irland über Südspanien bis in die Mongolei führten, sowie ihre Überlegungen zu Nomadismus und Spiritualität nicht interessant wären. Nein, McKennitts Musik braucht schlicht wenige Erklärungen: Die Mühelosigkeit, mit der sie ihre Mélange aus klassischer gälischer Volksmusik, viktorianischer Lyrik und orientalischen Anleihen anrührt, berührt ganz unmittelbar, appelliert quasi an das kollektive keltische Unbewusste.
Zeitlos – und doch erstaunlich lebendig
Kla, man kann das kritisch New Age nennen, World Music, oder gar: Ethnokitsch. Doch im Gegensatz zu der oft mit McKennitt im selben Atemzug genannten Enya verzichtet die postmoderne Bardin auf klebrige Synthie-Arrangements und allzu offensichtliche Pop-Konzessionen genauso wie auf jegliche Show-Elemente und konzentriert sich ganz auf die eigentliche Musik, auf ihre zeitlosen Balladen und Hymnen. Und obwohl seit ihrem grössen Verkaufserfolg «The Mask and Mirror» bald zwei Jahrzehnte vergangen sind, wirken diese in der Live-Aufführung wiederum erstaunlich frisch und lebendig.
Das liegt auch an ihrem furiosen, siebenköpfigen Ensemble von Multiinstrumentalisten, die sich – an Oud und Hurdy Gurdy, an Pipes und Violine – genauso variabel, versiert und spielfreudig zeigen wie ihre ständig zwischen Harfe, Akkordeon und Piano changierende Bandleaderin.
Zusammen gelingt es ihnen, das bibbernde Publikum innert zwei Stunden auf den Mythos des Keltentums einzuschwören, so dass am Ende zu «Huron Beltane Firedance» eine ausgelassene Menge mit geschlossenen Augen entrückt über den Marktplatz schwebt. Der Dauerregen: zu diesem Zeitpunkt längst vergessen.