«Quiet Is The New Loud» hiess 2001 das Debutalbum von Kings Of Convenience. Ein Programm, das seine Gültigkeit immer wieder erneuert. Schön, bringen es Eirik Glambek Bøe und Erlend Øye nun in die Kaserne Basel. Und wer kein Ticket mehr bekommen hat, der kriegt hier wenigstens ein bisschen Stille auf die Ohren.
2001 war ein lautes Jahr: The Strokes veröffentlichten ihr Debutalbum «Is This It» und schossen vor, was in den Folgejahren als Revival des Garage-Rock eingelöst werden sollte, die White Stripes schafften den Durchbruch, und Muse hoben mit «Origin Of Symmetry» in Richtung Stadiongrösse ab. Doch gleichzeitig – die Dialektik will es so oder vielleicht auch nur der zurückschauende Journalisten-Blick, der stets um Einordnung bemüht ist – formierte sich eine auf samten Pfoten herbeischwebende Gegenbewegung. Und deren Programm kam nicht aus den Metropolregionen des Rock wie New York, Detroit oder London, sondern aus der idyllischen Peripherie.
Kings Of Convenience hiess das Duo aus der norwegischen Kleinstadt Bergen, Könige der Bequemlichkeit, und derart abseits jeglicher Aufregung und Hysterie klang auch die Sammlung ihrer ersten Lieder, die sie in die Welt hinausflüsterten. Gezupfte Gitarren und in sich gekehrte Gesangsduette zweier junger Männer mit bleicher Haut, die über Beziehungssehnsüchte und Nestwärme sinnierten. «Quiet Is The New Loud» proklamierte das Album von Eirik Glambek Bøe und Erlend Øye, und es ist nicht zuletzt dem raffiniert selbstbewussten Titel zu verdanken, dass dieses Werk trotz aller Zartheit einen kleinen Klassikerstatus errang.
«Quiet Is The New Loud» erschien nicht im leeren Raum, Anknüpfungen an introvertierte Folktraditionen wie Nick Drake, Jeff Buckley und vor allem Simon And Garfunkel schimmerten auf, es war jedoch die Gnade der Gleichzeitigkeit, die die beiden Norweger in den Strom einer Bewegung integrierte. Verantwortlich dafür war, wie meist, wenn es darum ging, eine Zufälligkeit verschiedener Band-Phänomene in ein neues Genre zu packen, die Musikpresse, insbesondere die britische: der «New Music Express» in London, der im Jahrzehnt zuvor bereits Britpop aus vollen Rohren befeuerte, gliederte die Kings Of Convenience in das frohlockend ausgerufene «New Acoustic Movement» ein, quasi ein Abrüstungsprogramm gegen den drögen Lärm des Nu-Metal jenseits des Atlantiks.
Trends und Gegentrends
Denkbar, dass auch der Rhythmus des Pop einem regelmässigen Wellenschlag gleicht, dass Trends gesetzmässige Gegentrends auslösen und nach den lauten, dröhnenden Neunzigern, die neben Grunge und Britpop vor allem von der Verlagerung in die Schallkeller des Techno geprägt waren, nun eine neue Innerlichkeit gefragt war. Zumindest der britische Markt schien mitzumachen: I Am Kloot, Turin Brakes und der Badly Drawn Boy veröffentlichten in derselben Schicksalsperiode ihre Zündungsplatten. Aus den USA wehte der Düstercountry von Will Oldham/Bonnie Prince Billy immer stärker nach Europa hinüber, und selbst der alte Johnny Cash schwang sich mit einem beeindruckenden Spätwerk noch einmal ins Bewusstsein jungalternativer Hörerkreise.
Eine Abgrenzungsbewegung? Natürlich nicht. Dass «Quiet Is The New Loud» nicht als trotziges Behauptungsstatement für das Lagerfeuer und gegen die Clubkultur gemeint war, machten die Kings Of Convenience noch im selben Jahr klar. Bereits Ende 2001 erschien mit «Versus» der Nachfolger zu «Quiet Is The New Loud», eine Remixplatte, wofür Eirik Glambek Bøe und vor allem Erlend Øye die Songs ihres Debuts befreundeten DJs, Produzenten und Elektro-Acts überliessen.
Das Duo war da schon fast auf Eis gelegt, Erlend Øye liess die Behaglichkeit von Bergen zurück und machte sich nach Berlin auf, noch rechtzeitig, bevor die deutsche Hauptstadt zum Magnet wurde für alle jungen Menschen, die kreativ arbeiten und kreativ feiern wollen. Während sein Kings-Partner Bøe zuhause am Polarkreis blieb, reiste Øye von Berlin aus um die Welt – und brachte 2003 ein Soloalbum heraus, aus dem der Folk verschwunden war. Dafür: Elektropop, House, Italo-Disco. Funky statt Garfunkel.
Erinnerungen an damals
Nach Lebensstationen in Sao Paulo, Bangkok und Mexiko lebt Øye, mittlerweile ein Globalbürger des Pop, seit einigen Jahren in Sizilien, sein aus der elektronischen Tanzmusik geborenes Bandprojekt The Whitest Boy Alive hat er aufgrund eines Tinnitus wieder aufgelöst und sich dem Reggae zugewandt. Und erinnert sich, 14 Jahre danach, noch einmal der Platte, die ihn berühmt machte.
Die Kings Of Convenience waren, auch nachdem Øye die Reiselust packte, nie völlig ihrer Bequemlichkeit erlegen. Immerhin zwei weitere Alben schafften sie seit 2001, beide von einer nahezu dogmatischen Sanftmut geprägt, jedoch ohne die Aufmerksamkeit, die «Quiet Is The New Loud» ihnen einst brachte. Mit diesem Album touren sie gegenwärtig durch Europa und bringen es, Schweiz-exklusiv, auch in die Basler Kaserne, Bøe und Øye alleine mit Holzgitarren und Mundharmonikas auf der Bühne. Zuerst spielen sie, in LP-Reihenfolge, die Songs der A-Seite, danach Rauchpause, danach B-Seite, fertig. Es braucht sie noch immer, die Verlässlichkeit der Ruhe, gerade in diesen lauten, schrillen, bedrohlichen Tagen.
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Kaserne Basel, 1. Dezember, 19.30 Uhr – und leider ausverkauft.