«Die Schweiz ist schon lange das deutschenfeindlichste Land»

Der ehemalige Fernsehmoderator Roger Willemsen («Literaturclub») hat sich seine schnelle Rede bewahrt: In einem rasanten Treffen sprach er über die Masseneinwanderungsinitiative, die verkommenen Medien und warum es wichtig ist zu reisen.

(Bild: Livio Marc Stoeckli)

Der ehemalige Fernsehmoderator Roger Willemsen («Literaturclub») hat sich seine schnelle Rede bewahrt: In einem rasanten Treffen sprach er über die Masseneinwanderungsinitiative, die verkommenen Medien und warum es wichtig ist zu reisen.

Zwischen Tür und Angel kriegten wir vergangenen Freitag Roger Willemsen am Rockzipfel zu fassen. Wir holten den deutschen Publizisten und ehemaligen Fernsehmoderator («Literaturclub» im SRF) am Badischen Bahnhof ab, verpflegten ihn während eines 40-minütigen Aufenthalts mit Gipfel und Kaffee, und liessen ihn anschliessend an die Muba rauschen, wo er am eco.naturkongress einen Vortrag über Mobilität zu halten hatte. 

Zeit zu Hauf für den Mann des schnellen Worts, einige Wortfluten über die angenommene Initiative gegen Masseneinwanderung, sein Steckenpferd das Reisen und die Niederungen der Medienlandschaft von sich zu geben.

Lesen Sie das vollständige Interview in der gedruckten Ausgabe vom 28. Februar.

Hallo, Herr Willemsen!

Grüss dich!

Wir sitzen am Badischen Bahnhof, wo Sie gerade aus dem ICE gestiegen sind. Wie reist es sich nach der angenommenen Initiative gegen Masseneinwanderung in die Schweiz?

Ein wenig beklommen schon. Man darf der Schweiz da nicht zu viel durchgehen lassen. Das Land hat sich lange daran gewöhnt, dass zum Teil fremdenfeindliche Texte in Zeitungen erscheinen, die in Deutschland so nicht publiziert werden dürften. Ich glaube, dass die Schweiz insgeheim schon lange das deutschenfeindlichste Land war, während sich die Deutschen mit etwas Herablassung ihrer Liebe für die Schweiz vergewissern. 

Wie hat sich die Wahrnehmung der Schweiz in Deutschland verändert?

Es gibt einen Sympathieverlust. Der begann aber schon lange vor diese Abstimmung. Ich muss Ihnen gestehen, ich habe sogar einmal Auftritte in der Schweiz abgesagt. Ich sagte mir, ich muss nicht in einem Land auftreten, das mich nicht möchte. Allen Freunden von mir, die in der Schweiz leben, wurden die Antennen an den Autos umgedreht oder Ähnliches, wenn sie noch ein deutsches Kennzeichen hatten. Das ist lästig und kleingeistig.
Ich kritisiere Deutschland schon so lange und bin immer bereit zu sagen, wie unangenehm die Deutschen sein können. Viele Vorurteile der Schweizer sind keine Vorurteile, sondern analytisch richtige Beobachtungen – aber die Antwort, die darauf gegeben wird, beruht auf Ressentiment. Das finde ich immer doof, ganz egal, ob es Lappländer betrifft, Samen oder Suahelis.

Wozu reisen Sie? Um zu sich selbst zu finden?

Ich lösche aus. Mich interessiert beim Reisen weniger das Ankommen als Reporter, der irgendwie den Krieg erlebt hat, sondern nicht mehr zu existieren. Ich bin nur noch die Membran, durch die die Fremde eindringt. Es gibt einen Zusammenhang dazwischen, in die Welt hineinzuwollen und aus ihr hinauszuwollen. Im Reisen steckt eine Suizidbewegung.

Sind Sie Buddhist?

Nein. Aber wenn ich eine Philosophie in der Wahrnehmung von Fremde und auch in Bezug auf die Lebensführung vorbildlich finde, dann ist es der Buddhismus.

__

> Videoaufzeichnung von Roger Willemsens Vortrag am eco.naturkongress

Nächster Artikel