George Clooney spielt in «The Ides of March» einen strahlenden Präsidentschaftskandidaten. Auch privat bleibt der Hollywood-Star eindeutig zweideutig.
George Clooney sorgt dieser Tage wieder für einige Spalten in der Boulevard-Presse: Für einmal geht es nicht in erster Linie um sein eigenes Liebesleben, sondern um jenes von Silvio Berlusconi. Auf den «Partys» des italienischen Ex-Premiers soll der amerikanische Beau auf der Gästeliste gestanden haben, weshalb sich der Name George Clooney neu auch auf der Zeugenliste der Anwälte wiederfindet, die Berlusconi im Fall «Ruby» verteidigen.
Ausgerechnet Lebemann Clooney soll als Garant dafür dienen, dass es auf den Partys des skandalumwitterten Ex-Präsidenten Italiens gesitteter zu und her ging, als das minderjährige Callgirl Ruby zu Protokoll gab?
Clooney und die Praktikantin
Eine Minderjährige ist es auch, die den Schauspieler in seiner vierten Regiearbeit «The Ides of March» in Bedrängnis bringt. Clooney spielt darin einen Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur. Und macht prompt denselben Fehler wie einst Bill Clinton: Er besteigt die Praktikantin.
Im Film fällt dann auch der sinnige Satz, dass das amerikanische Volk seinem Präsidenten vieles verzeihe: Krieg, Rezession, Arbeitslosigkeit – aber ein Verhältnis mit der Praktikantin auf keinen Fall. An dieser Stelle ist die Parabel um Integrität, Loyalität, Verlässlichkeit und Macht bereits auf ihrem Höhepunkt.
In «The Ides of March», nach dem Theaterstück «Farragut North» von Beau Willimon, kämpft George Clooney als demokratischer Gouverneur Mike Morris um die Wahl zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei. Dabei spielt er selbst nur eine Nebenrolle. Während der Präsidentschaftskandidat in der Theatervorlage nicht ein einziges Mal auf die Bühne tritt, erklärt Clooney in den Pressenotizen ohne falsche Bescheidenheit seinen Auftritt in «The Ides of March» wie folgt: «Für das Kino brauchten wir eine sichtbare Lichtgestalt, auf die zunächst alle Hoffnungen projiziert werden können.» Ein Kinderspiel für ihn: Der 50-Jährige ist von Haus aus eine Lichtgestalt, sowohl auf der Leinwand als auch in den Schlagzeilen der Klatschpresse, als Werbeaushängeschild eines Lebensmittelkonzerns oder auch der Luxusuhr Omega. Ein Übermass an schauspielerischem Einsatz war daher kaum noch nötig.
So selbstverständlich wie er nun den strahlenden Gouverneur mit sozialverträglichem Wahlprogramm gibt, der auf den zweiten Blick doch nicht ganz sauber ist, erscheint auch die Wandlungsfähigkeit eines George Clooney einleuchtend, macht ihn als Figur jedoch schwer fassbar.
Kampf gegen lebendes Gemüse
Clooney kennt keine Grenzen: Als Schauspieler mimte er den brutalen Schwerverbrecher in Roberto Rodriguez’ Vampirblödelei «From Dusk Till Dawn», dann wieder den charmanten Kinderarzt in der Erfolgsserie «Emergency Room». Er kämpfte gegen lebendes Gemüse im Science-Fiction-Klamauk «Return of the Killer Tomatos» und schwitzte sich vollbärtig und übergewichtig durch den CIA-Thriller «Syriana». Zwischendurch raubte er als smarter Bandenchef namens «Ocean» Casinos aus, prangerte als Anwalt Michael Clayton die üblen Machenschaften übermässig profitorientierter Lebensmittelkonzerne an oder tauchte als «The American» in einem italienischen Bergdorf unter. Bei den Regie-Brüdern Ethan und Joel Coen glänzte Clooney jeweils mit möglichst niedrigen Intelligenz-Quotienten («O Brother, Where Art Thou», «Burn After Reading»), während er in «Up in the Air» den Herzensbrecher auf niemals endender Geschäftsreise gab.
Politischer Mann in Partylaune
Die Liste der Filme ist lang, Clooneys Einsatz in ihnen ebenso unterschiedlich wie die Qualität der einzelnen Werke. Immerhin: Für den Beruf als Schauspieler kein schlechter Ausweis.
Ebensolche Wechselbäder sind in seinen Regiearbeiten auszumachen. Mit dem Debüt «Confessions of a Dangerous Mind» überraschte der Schönling die Kritiker als ambitionierter Filmemacher, mit «Good Night and Good Luck» widmete er sich der dunklen McCarthy-Ära, nicht zuletzt, um sich mit einer politischen Haltung zu profilieren. Beim darauf folgenden «Leatherheads» mit Renée Zellweger als Filmpartnerin fällt es dem Zuschauer hingegen schwer, die ersten fünfzehn Minuten ohne Nickerchen zu überstehen. An Spannung fehlt es seinem neusten Werk «The Ides of March» immerhin nicht.
Und im «wahren» Leben? Während uns George seit Jahren kritikresistent und charmant lächelnd vom Nespresso-Trinken überzeugen will und sich damit zum Verbündeten eines Lebensmittelkonzerns macht, der in regelmässigen Abständen für «Bad News» sorgt, rätselt die weibliche Fangemeinde hauptsächlich über die sexuellen Präferenzen ihres Lieblings. Es kursieren zuhauf Gerüchte darüber, dass Clooney womöglich homosexuell sei, seine jeweiligen weiblichen Anhängsel Alibis. Ihn selbst kümmert das wenig. Er lässt sich nicht festlegen. Stattdessen gibt er sich als politisch denkender Mensch in aufgeräumter Partylaune.
Augenzwinkern und Selbstironie
George Clooney, dessen Vater Journalist und TV-Moderator war, zeigt Haltung. Er fungiert als Friedensbotschafter der Vereinten Nationen, reist medienwirksam durch Krisengebiete wie Darfur. Mit Augenzwinkern und Selbstironie balanciert er zwischen Promotions-Effekt, Glaubwürdigkeit, zum Teil auch Schadenbegrenzung.
Zu trocken darf das Engagement nicht werden. Lieber zieht der Hollywood-Mann zwischen guten Taten mit dem Motorrad ein paar Kurven in den Serpentinen am Comersee, wo auch sein europäisches Ferienhäuschen lokalisiert ist. Das bisschen Spass-Benzin bringt ihn nicht um. Ansonsten geniesst er die Begleitung attraktiver, junger Frauen – bleibt dabei aber doch strahlend sauber und gibt allen Verehrerinnen am roten Teppich die verlangten Autogramme.
Ein Spassverderber will Clooney nicht sein, lieber Gutelaune-Gutmensch. Selbst die schlechten Filme drehe er laut eigenen Angaben nur, um die besseren zu finanzieren. Der Zweck heiligt die Mittel. Nichts ist, wie es scheint, heisst das Clooney-System – und dem wird auch in «The Ides of March» Folge geleistet: Ein Film, der sich der Wahlkampagne zur Präsidentschaftskandidatur widmet und dabei komplett unpolitisch bleibt. Clooney dazu: «Anhänger der demokratischen Partei dürften den Beginn der Geschichte mögen, während die Republikaner vermutlich eher vom Finale angetan sein werden.» Clooney lockt also beide Lager ins Kino. Warum sollte er auch zahlende Kundschaft vergraulen, indem er klar Stellung bezieht?
Es würde einen nicht einmal mehr verwundern, wenn Clooney als Aktivist bei Occupy Wall Street auftauchen würde – oder wenigstens einen politischen Thriller zur Bewegung realisierte. Er wäre der Mann, der es fertigbrächte, auf elegante Weise Zeltmief mit italienischem Sprudelwein und Kapitalismuskritik mit Bunga-Bunga zu verbinden. Denn auch die politische Agenda der Occupy-Bewegung ist letztlich nicht viel konkreter als George Clooney selbst. Ein absolutes Erfolgsmodell, ein Mann der Stunde: eindeutig zweideutig.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16/12/11