Die Welt verpackt in Blättern – Mittagessen als Kunst

Gelbe Tomaten mit Pinienkern-Basilikum-Pesto, eingewickelt in Salat und serviert auf Bananenblättern: Das Depot Basel lädt zurzeit zur kulinarischen Weltreise mit ästhetisch-nachhaltigem Anspruch. Gekocht wird von Designerin Sibylle Stoeckli.

(Bild: Laura Pregger/Sibylle Stoeckli)

Gelbe Tomaten mit Pinienkern-Basilikum-Pesto, eingewickelt in Salat und serviert auf Bananenblättern: Das Depot Basel lädt zurzeit zur kulinarischen Weltreise mit ästhetisch-nachhaltigem Anspruch. Wir liessen uns von der Designerin bekochen und lernten viel über Salate, unser Verhältnis zu Design und die neukaledonische Flechtkunst.

Milchiges Glas verdeckt den Innenraum der ehemaligen Wechselstube am Voltaplatz. Hier ist seit August 2013 das Depot Basel eingerichtet. Ein «temporärer Ort für kontemporäre Gestaltung», wie es in einer Eigenbeschreibung heisst. Auf dessen dunkelbraunem Parkettboden sind Palmblatt-Matten verteilt, und in einer Ecke liegt eine einfache Matratze, die mit farbigen Tüchern aus Ethnomustern bespannt ist. Darauf schläft die 34-jährige Westschweizer Designerin Sibylle Stoeckli einen Monat lang.

Im Kunstkontext nennt sich dies «Artist in Residence»: Eine Künstlerin erhält für eine Zeit einen Raum und kann darin etwas auf die Beine stellen. Das Depot Basel ist nun bis Anfang Oktober die Wohnung der Lausannerin: In einem Regal liegen ihre Kleider, an einer Wand steht ihr Rennrad, und in einem Nebenraum ist die Küche. Darin hat Stoeckli für heute Mittag und die jeweils vierköpfige Gruppe von angemeldeten Gäste ein Menü zu einem bestimmten Thema zubereitet. Heute ist das Sujet «Verpackung» oder «Emballage», wie es die zweisprachige Künstlerin auf Französisch erklärt.

Kohle gegen Gerüche

Vor wenigen Wochen ist Stoeckli von ihrer Weltreise zurückgekehrt, die sie von Afrika nach Japan und Neukaledonien über Los Angeles bis nach Brasilien führte. Das erzählt sie im Gespräch. Auf ihrer Reise sammelte die gelernte Industrie-Designerin verschiedene Gegenstände, die wir beim heutigen Essen verwenden werden. Zum Beispiel das Stück steinharter Holzkohle, das sie in das Wasser getan hat, welches es zur Begrüssung gibt. Die Kohle ist aus Japan und soll eine reinigende Wirkung auf das Wasser haben. «Ausserdem kann man auch Kohle in den Kühlschrank tun, um störende Gerüche zu neutralisieren», erzählt sie den überraschten Gästen weiter.

Der ungeschulte Reporter-Gaumen merkt beim Trinken jedoch nichts – dennoch, auch ästhetisch gibt der rabenschwarze Ast im Krug viel her. Nach dem fast weltweit verbreiteten Brauch werden vor dem Essen die Hände gewaschen, schliesslich soll damit anschliessend gegessen werden. Dann ziehen wir zur Schonung der Bambusmatten die Schuhe aus. Stoeckli hat kurze, dunkle Haare, einen wachen Blick und einen sonnengebräunten Teint – sie bittet zu Tisch. Dieser ist am Boden inmitten des Ausstellungssaals, um den sich die Gäste, die Kuratorin Laura Pregger, die Gestalterin selbst und der Reporter setzen.

Verpackte Wundertüte im Bananenblatt

Stoeckli serviert nun jedem Anwesenden ein brotlaibgrosses Paket aus Bananenblättern, das mit einem Bastfaden zusammengeschnürt ist. Eine kleine «Wundertüte», wie sie es selbst nennt. Wir öffnen die Pakete und finden darin Salatblätter – in jedem eine andere Sorte. Zusammen erraten wir die Namen: Eisberg und Kopfsalat sind schnell erkannt. Bei Battavia und Endivie hilft ein dickes Bestimmungsbuch – und schon vor dem Essen hat man etwas gelernt.

Nun wird eine Pesto aus Pinienkernen und Basilikum serviert, und die Designerin trägt ein rundes Tablett mit grünen, roten und gelben Tomaten, geraffelten Radieschen, Frühlingszwiebeln, rohen Zucchetti-Streifen und Peperoni auf. Damit können wir nun unsere Salatblätter füllen und mithilfe einer speziellen Technik, die sie in vielen besuchten Ländern beobachten konnte, mundgerecht falten. Auf der Basis des nussig-frischen Geschmacks der Pesto, die mit Zitronensaft angereichert ist, entfaltet sich wortwörtlich im Inneren des kleinen Salatpakets ein herzhafter Geschmack aus frischem, rohem Gemüse.

Nix mit Hitze

Stoeckli verzichtet beim Kochen völlig auf Herdplatten und Ofen. Zum einen der Einfachheit halber, zum anderen verfallen bei der Erhitzung viele der Nährstoffe. Ihre Zutaten findet sie an Bio-Ständen auf dem Basler Marktplatz oder in lokalen Bioläden. Lediglich die Bananenblätter hat sie aus dem Gastrogrosshandel. Man müsse manchmal Ausnahmen machen. Zum Beispiel flog sie in sieben Monaten um die Welt. «Mit Zug und Schiff hätte ich dafür sieben Jahre gebraucht.»

Jedes Mal müsse die Entscheidung neu gefällt werden und jedes Mal brauche es das Bewusstsein. Es wird herzhaft zugegriffen und eine Westschweizer Besucherin bringt es auf den Punkt: «C’est delicieux!» Geduldig sollte man trotzdem sein, denn alle Gegenstände auf und unter dem Tisch haben ihre Geschichte. So kommen die Bambuslöffel und -zangen aus Rio de Janeiro und die Bastuntersetzer aus Sao Paulo. Es ist ein sehr durchdachtes und konsequentes Mittagessen: Denn schliesslich sitzt man auf Palmblattmatten, isst von Bananenblättern Salatblätter, welche mit einer Pesto aus Basilikum-Blättern gefüllt sind.

Immer wieder erzählt Stoeckli Geschichten von ihrer Weltreise, die sie zur einen Hälfte selber bezahlte und zur anderen durch Crowdfunding finanzieren liess. Sie erzählt, wo sie die Designobjekte gefunden hat, und wie sie hergestellt wurden. Nebst der kulinarischen ist es damit auch eine ethnologische Reise, die versucht, die Parallelen des unterschiedlichen Designs aufzuzeigen.

Rückbesinnung

Während des Essens entwickelt sich trotz der Sprachbarriere zwischen Designerin und den Gästen eine Diskussion über Essgewohnheiten und Vorlieben. Die Kuratorin Laura Pregger erklärt den Anspruch der Ausstellung, keine klassische zu sein. Es geht dem Depot und der Gestalterin um eine Rückbesinnung und eine Infragestellung des Berufes der Designerin. «Was brauchen wir zum Leben? Und wo kommt es her?» Dies soll entgegen der weitverbreiteten Haltung im Design geschehen, in welchem Designer und Designerinnen oftmals lediglich die Bedürfnisse des Marktes befriedigen.

«Obwohl Designer von den Firmen abhängig sind, haben wir eine eigene Verantwortung.» In diesem Sinne soll das Depot Basel kein Museum sein, sondern ein Experimentierfeld, in dem Dinge einfliessen und wieder hinausstrahlen. Der Anspruch gelingt überraschend gut: Man sitzt mit wildfremden Menschen an einem Tisch, tauscht sich aus, isst Sachen, die man so noch nie gesessen hat, und versucht durch die Anleitung der Designerin einen neuen Blick auf das Essen zu entwickeln.

Körbe aus Neukaledonien

Plötzlich springt Stoeckli auf und schleift ein kleinkindgrosses Paket in die Mitte des Raumes. Mit einem Teppichmesser schneidet sie den schwarzen Plastik auf und erzählt, wie sie in Neukaledonien zu viel Gepäck hatte – sie musste sich das Paket nachschicken lassen. Aus nassen Tüchern wickelt sie teilweise noch grüne Kokosnusspalmblätter-Körbe aus. Die lange Reise hinterliess aber auch ihre Spuren: Manche der Taschen sind grau-gelblich angelaufen und im Raum verbreitet sich ein humusartiger Geruch. «In Neukaledonien ziehen die Menschen auf die Felder, um Gemüse und Früchte einzusammeln. Sie reissen die Kokosnusspalmblätter dabei von den Bäumen und flechten in wenigen Minuten Körbe daraus.» 

Die Körbe aus dem Paket hat Stoeckli selber geflochten. Vielleicht werden sie später in der Vitrine in einer Ecke des Depots ausgestellt sein. Dort kommen alle Gegenstände hinein, die an vergangenen Essen verwendet wurden. Noch bis zum 6. Oktober kann man sich für 20 Franken für ein Essen von Sibylle Stoeckli im Depot Basel anmelden. Darüberhinaus ist die zeitweilige Wohnung der Designerin am Wochenende von 14 bis 18 Uhr zur Besichtigung und zum Verweilen geöffnet. An den Samstagabenden gibt es jeweils ein wechselndes Spezialprogramm und an den Sonntagabenden ist man eingeladen, Selbstgemachtes fürs Buffet des «Familienessens» mitzubringen.

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Depot Basel, Voltaplatz/Voltastr. 43. Bis 6. Oktober. Mittagessen: Dienstag bis Freitag, 12 bis 14 Uhr, 20 Franken pro Person (maximal drei Gäste, Anmeldung nötig). Anmeldungen via info@depotbasel.ch.

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