«Wenn Engel unartig sind, werden sie in eine dunkle Kammer gesperrt», spricht Pater Salus sanft in sein Diktaphon, auf dem er sonst nur Vogelstimmen sammelt. Weiss und weise wie ein himmlischer Sendbote tritt der Karthäusermönch (Toni Servillo) aus dem Flughafengebäude, wo ihn eine Limousine erwartet und zu einem luxuriösen Kurhotel chauffiert.
Im deutschen Seebadeort Heiligendamm findet ein geheimes Treffen von Vertreterinnen und Vertretern der G-8 statt. Die Funktionäre sind zusammengekommen, um eine einschneidende Wirtschaftsreform zu besprechen – so einschneidend, dass der französische Direktor des Internationalen Währungsfonds im kleinen Rahmen gerne von einer «Apokalypse» spricht. Ausgerechnet dieser Daniel Roché (Daniel Auteuil) lädt Pater Salus ein – hat er plötzlich sein Gewissen entdeckt?
Mysteriöser Todesfall
An einem Geburtstagsdiner, das zu Rochés Ehren abgehalten wird, erinnert der Gastgeber an den britischen Ökonomen John Maynard Keynes, der die Wirtschaftslehre explizit als ethische Wissenschaft verstanden haben wollte. Davon lässt sich die Tischgesellschaft, zu der auch ein Musiker und eine Schriftstellerin (Connie Nielsen) gehören, den Appetit allerdings nicht verderben. Nach dem Anlass bittet der Franzose den Mönch zu sich aufs Zimmer, Salus soll ihm die Beichte abnehmen.
Am nächsten Morgen, dem Tag der Verhandlung, ist Roché tot.
Nach diesem mysteriösen Todesfall legt sich der italienische Filmemacher Roberto Andò («Viva la libertà») auf kein bestimmtes Genre fest, stattdessen zieht er in «Le confessioni» verschiedene Register:
- Das Ableben des Währungsfonds-Apparatschiks versetzt die G-8-Vertreter in helle Aufruhr – nicht aus Trauer um einen Kollegen, versteht sich, sondern weil die Börse tumultartig auf die schlechte Nachricht reagieren könnte. Es wird beratschlagt, welches kleinere Übel man kommunizieren soll, Suizid oder Mord. Der Ausnahmezustand der Funktionäre in ihrer Luxusblase bietet Anlass für einen bösen Kommentar auf Europas Austeritätspolitik, die keine weitergehende Perspektive bietet als den privilegierten Blick aus einem Strandkorb.
- Ausserdem ist die Frage nach der wahren Todesursache ungeklärt: Mord oder Selbstmord? Pater Salus hat Roché als Letzter lebend gesehen, und niemand weiss mit Sicherheit, welche dunklen Geheimnisse der Währungsfonds-Chef dem Mönch auf Band gezwitschert hat. Salus schweigt sich aus und stellt mithilfe der Schriftstellerin eigene Nachforschungen an. Man fühlt sich zuweilen in Umberto Ecos «Name der Rose» versetzt, denn an Tatmotiven und falschen Fährten mangelt es der Geschichte wahrlich nicht.
- Und schliesslich geht es in «Le confessioni» eben nicht nur um Schuldenerlass, sondern auch um die Vergebung von Schuld und die unergründlichen Wege des Herrn, die Mächtigen der Welt Demut zu lehren. Der Mönch fungiert darin als Gottes Werkzeug, seine unbeirrbare Friedfertigkeit scheint wie er selbst nicht ganz von dieser Welt zu sein. Zuletzt hält der Mönch eine Vogelpredigt, dass den Schergen des Neoliberalismus die Ohren dröhnen.
Satire, Thriller und Fabel – an Ambitionen und guten Absichten mangelt es «Le confessioni» nicht, wohl aber etwas an Entschiedenheit. Es obliegt dem grossartigen Toni Servillo («Il divo»), als verschwiegener Mönch die Fäden in der Hand zu behalten – auch wenn sie ihm zuletzt aufs Schönste zerfransen.