Dieser Sammler saust mit seinen Exponaten durch die Gegend

In den Vierzigern war es Kult, in den Siebzigern verlor es an Reiz. Doch für Roland Blättler ist das Velosolex heute noch ein Phänomen – und das führt er seinen Besuchern gerne selber vor.

«Das Solex fährt leise, braucht fast kein Benzin, hat eine Reibrolle und ist ein Hybrid zwischen Fahrrad und Motorrad»: Die Eigenschaften der Velosolex faszinieren Blättler.

(Bild: Elin Fredriksson)

In den Vierzigern war es Kult, in den Siebzigern verlor es an Reiz. Doch für Roland Blättler ist das Velosolex heute noch ein Phänomen – und das führt er seinen Besuchern gerne selber vor.

Wem das Fahrrad zu langsam und die Töff-Prüfung zu mühsam ist, für den gibt es eine praktische Alternative: das E-Bike. Roland Blättler, Leiter des Velosolex-Museums in Waldenburg, schüttelt skeptisch den Kopf. Schnell sei es ja, das moderne Rad, aber etwas fehle: der Duft. 

Bei den Velosolex, eine Art Vorgänger des E-Bikes, sei der Duft der Abgase unverwechselbar. «Man riecht es einfach», schwärmt Blättler. «Früher hat man das Velosolex ja überall gesehen. Heute ist es etwas Besonderes, wenn ich auf der Strasse eines entdecke.» Dieses Besondere führt Blättler gleich selbst vor: Er setzt sich auf eines seiner 25 Exponate und fährt einmal um die Ecke und wieder zurück.



25 Exemplare besitzt Blättler und stellt diese im Keller des Hotel Löwen aus.

25 Exemplare besitzt Blättler und stellt diese im Keller des Hotel Löwen aus. (Bild: Elin Fredriksson)

Nach der Vorführung öffnet Blättler die Tür zum Museum: ein dunkler Raum, ein Velokeller der besonderen Art. Ordentlich aufgereiht präsentieren sich die Solex-Modelle, und im Hintergrund ist Zubehör zu sehen: Da steht eine alte Kasse eines Velosolex-Geschäfts, dort hängt ein T-Shirt, das Blättler einst bei der Velosolex-Schweizermeisterschaft trug.

Seit 40 Jahren sammelt der pensionierte Gastronom mit Herzblut alles, was mit den motorisierten Fahrrädern in Verbindung steht.

Phänomenale Technik

Blättlers Interesse gilt hauptsächlich den technischen Details. Was fasziniert ihn denn so daran? «Das Solex fährt leise, braucht fast kein Benzin, hat eine Reibrolle und ist ein Hybrid zwischen Fahrrad und Motorrad», rattert er mechanisch runter, ehe er abschweift und auf die Funktion des Motors zu sprechen kommt. Diese sei einfach phänomenal. Durch das Treten der Pedale wird eine Reibrolle, ein kleines Gummirad angetrieben, das den Start des Motors ermögliche. Durch diese Reibrolle wird die Energie des Motors wieder auf das Vorderrad übertragen.

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Genau diese phänomenale und doch so einfache Technik war es, die in der Nachkriegszeit die Massen begeisterte. Marcel Mennesson von der Firma Solex, die eigentlich Vergaser herstellte, hatte die Idee für den Reibroll-Motor schon lange im Hinterkopf gehabt. Um 1940 entstand der erste Prototyp, indem ein Motor auf ein gewöhnliches Herrenfahrrad montiert wurde.

Als 1946 die Produktion der ersten Modelle begann, stiessen die Hersteller damit auf grosses Interesse. «So kurz nach dem Krieg konnte man sich ein richtiges Motorrad nicht leisten. Das Velosolex war günstig, und man war damit gut ausgerüstet», so Blättler.

Und dann kam das Virus

Mit 20 Jahren fuhr Blättler sein erstes Solex. Sein Interesse wuchs, auch weil sein Onkel in einer Velosolex-Vertretung arbeitete. «Wenn ich mein Solex zur Reparatur brachte, sagte er immer, ich könne in der Zwischenzeit einkaufen gehen. Aber das kam für mich nicht infrage, ich wollte dort bleiben und zuschauen!»

Und dann habe ihn das Virus gepackt. Das Virus? Wer heute noch Solex-begeistert ist, der sei fanatisch, sagt Blättler stolz.

Mit dem Sammeln der Kulträder begann der Nidwaldner im Jahr 1977, als er mit seiner Familie ins Baselbiet zog und das Hotel Löwen in Waldenburg übernahm. Zu dieser Zeit war die allgemeine Beliebtheit der Velosolex aufgrund des eingeführten Helmzwangs gesunken. Nicht jedoch bei Blättler: Der leerstehende Keller im Hotel eignete sich dazu, seine wachsende Sammlung auszustellen. «Sobald ich den Namen Solex hörte, war es schon gekauft.»



Das Kindersolex hat keinen Motor, es ist nur Ausstellungsobjekt.

Das Kindersolex hat keinen Motor, es ist nur Ausstellungsobjekt. (Bild: Elin Fredriksson)

Ein bisschen Lokalgeschichte und viel Plausch

Besonders stolz ist Blättler auf seine «Perlen», wie er sie nennt. Es handelt sich dabei um die zwei ältesten Exponate der Ausstellung. Sie stammen aus der ersten Serie von 1947 und gehörten zu den ersten 10’000 Modellen. «Als ich diese zwei Exponate sah, waren mir alle anderen egal», sagt Blättler stolz. Weitere Besonderheiten sind das klappbare PliSolex und das Kindersolex in Miniaturformat.



Stolz auf der Perle: Das älteste Modell der Sammlung gehört zu den Höhepunkten der Ausstellung.

Stolz auf der Perle: Das älteste Modell der Sammlung gehört zu den Höhepunkten der Ausstellung. (Bild: Elin Fredriksson)

Ursprünglich war vorgesehen, ein Waldenburger Gemeindemuseum zu eröffnen, worin die Velosolex-Sammlung integriert würde. Aus diesem Plan wurde nichts, stattdessen ist es nun umgekehrt: Ein Velosolex-Museum mit ein bisschen Gemeinde. Zwischen Rädern und Motoren entdeckt man auch Kuriositäten wie eine Busticketmaschine oder Fleischwölfe. Mit Begeisterung erklärt Blättler bei jedem Gerät dessen genaue Funktion und die Technik dahinter – ein Sammler aus Leidenschaft eben.

Doch es bleibt nicht bei trockener Theorie: Zum Schluss der Führung schaltet Blättler den Plattenspieler ein und Margrit Rainers Stimme erklingt, die einst im «Löwen» auftrat. «Wenn ich den Plattenspieler anmache, dann haben meine Besucher den Plausch», sagt Blättler auf seiner Zeitreise.



In diesem Museum gibt es keine verstaubten Objekte – einige der Exponate verwendet Blättler für kleinere Ausflüge.

In diesem Museum gibt es keine verstaubten Objekte – einige der Exponate verwendet Blättler für kleinere Ausflüge. (Bild: Elin Fredriksson)

Lebt das Velosolex für ihn selber auch nur noch im Museum? Nein, gemeinsam mit seiner Frau macht der 76-Jährige ab und zu Ausflüge mit einem der Kultobjekte aus der Sammlung – allerdings nur in die nähere Umgebung. Für den Weg nach Hölstein, wo Blättler zu Hause ist, benutzt er aber lieber den Töff. Weil das schneller geht. «Schliesslich hat man als Pensionierter einfach sehr wenig Zeit.»


Velosolex-Museum, Hauptstrasse 81 im Hotel Löwen in Waldenburg, geöffnet Do – Mo nach Vereinbarung

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