«Form follows Function» heisst ein Grundsatz des Produktedesigns. Gilt das auch für Waffen und Sextoys? Die Ausstellung «Redplot» geht dieser Frage nach. Und findet raus, dass die beiden Produktegruppen mehr gemeinsam haben, als man auf den ersten Blick denkt.
Sex und Gewalt können einiges gemein haben. In beiden Fällen kann Machtausübung eine Rolle spielen. Wer mächtig ist, gilt als potent. Dass es folglich Analogien zwischen Sextoys und Waffen gibt, darf eigentlich nicht erstaunen. Auch wenn man darüber streiten kann, ob ein Masturbator in Form einer Handgranate oder ein als Pistole geformter Vibrator als geschmackvoll gelten können.
Beides kann man gerade im Ausstellungsraum der Schule für Gestaltung auf der Lyss sehen – wobei es im Konzept der Schau «Redplot» um etwas anderes geht. «Redplot» vereint Waffen und Lovetoys und begibt sich auf die Spur von deren Design. Ist der Grundsatz des Produktedesigns, «Form follows Function», in diesen Fällen auch anwendbar?, fragte sich Kuratorin Alexandra Schüssler. Und muss nach ihrer Feldforschung antworten: Nein, nicht immer. In manchen Fällen scheint eine Ästhetik des Produktes – seine Form – die Funktion zu überdecken; beispielsweise beim Vibrator, der in der zuckersüssen Form eines Cupcakes daherkommt. Und wohl auch beim Handgranaten-Masturbator.
Wer die Ausstellung betritt, ahnt zuerst einmal nicht, was ihn erwartet. Er sieht hohe Plakatsäulen und darauf Bilder, wie wir sie aus der Werbung kennen: Die schöne, heile Welt mit den schönen, heilen Werten, die die Gesellschaft gerne als Norm sähe. Tritt man in den Dschungel aus schönen Bildern ein, so tut sich dahinter eine versteckte Welt auf. Denn jede Säule ist hohl, die Rückseite mit rotem Samt ausgeschlagen, und davor liegen in kleinen Vitrinen diese Objekte, die wir wahrscheinlich höchstens zuhause im Geheimen aufbewahren.
Dildos und Patronenhülsen
Beim Durchschlendern fallen schnell Formanalogien auf. Elegante Dildos und Patronenhülsen. Hölzerne Kampftrainingsdolche und Holzdildos. Manche Ähnlichkeiten aber sieht man erst auf den zweiten Blick. Erstaunlich oft sogar ist auf den ersten gar nicht ersichtlich, was Waffe, was Sexspielzeug ist.
Nicht alles ist so plakativ wie die Kombination des «Maschinengewehrs 08/15» und den sechs penisförmigen Dildos davor. Die Dildos übrigens heissen «Average Joe» (Durchschnittlicher Joe) und sind das, was der Kuratorin im Sexshop auf die Frage hin, was sie erhalte, wenn sie einen 08/15-Dildo wolle, ausgehändigt wurden. Wer das ausführliche Ausstellungs-Beiblatt konsultiert (was ich empfehlen würde), der erfährt zusätzlich, dass die naturgetreuen Silikonpenisse Namen haben. Und Berufe – sei es Darnell, der Fitnesstrainer; Terrence, der Anwalt; oder Miguel, der Barkeeper. Etwas für jeden Geschmack, für jede Phantasie.
Die Phantasie beflügelt Träume. Sie liegt hinter den Objekten, hinter ihrer Form. Wer sich eine «Walther PPK» kauft, fühlt sich dabei vielleicht wie James Bond. Der Scheich, der für seine Leibgarde eine Maschinenpistole mit Dekoration aus 24 Karat-Gold massanfertigen liess, fühlt sich wohl königlich. Das tut vielleicht auch die Frau, die sich mit einem vergoldeten Edelstahlvibrator selbst befriedigt. Jene, die sich eines feigenblattförmigen Auflegevibrators bedient, denkt sie wohl dabei an Evas Sündenfall?
Versehrte und verwöhnte Körper
Phantasie beweisen aber nicht nur die Designer der Sex-, sondern auch jene der Waffenindustrie. Wenn das, was herauskommt, auch perfider ist. Im Falle der «Glasmine 43» beispielsweise, die aussieht wie ein unschuldiges Vorratsglas, die aber nicht nur unsichtbar ist für Metalldetektoren, sondern deren Splitter im menschlichen Körper nach der Detonation auch nicht mehr ortbar sind. Eine brutale Waffe, von den einen eingesetzt, das eigene Leben zu schützen, indem man anderes zerstört.
Der menschliche Körper, er steht im Zentrum all dieser Objekte, dieser Produkte. Die einen zielen darauf, ihn zu verletzen. Die anderen, ihm Lust zu bereiten. Manchmal liegt dazwischen eine feine, wenn auch bedeutende Grenze. Beide Tätigkeiten jedoch werfen Fragen nach Stimulation, nach Impuls und (Selbst-)Kontrolle auf. Beiden liegt ein menschlicher Trieb zugrunde. «Eros» und «Thanatos» hat Sigmund Freud sie genannt – Lebenstrieb und Todestrieb.
Alexandra Schüssler nennt ihre Ausstellung «janusköpfig», in Anlehnung an den römischen Gott des Anfangs und des Endes, den Gott mit den zwei Gesichtern. Man kann dies auf die Gegenüberstellung von öffentlichem Bild und privatem beziehen, auf Plakate und Objekte. Aber natürlich vor allem auf die Konfrontation der Waffen und Lovetoys – sie klingt zuallererst plakativ: Zwei sensationslüsterne und kontroverse Materien, scheinbar so gegensätzlich. Und dabei so verwandt.
- «Redplot», Plakatsammlung, Ausstellungsraum der Schule für Gestaltung, Auf der Lyss, Basel. Bis 10. Januar.