Direktor der Kunsthalle sollte ein Alleskönner sein

Direktor Adam Szymczyk verlässt die Kunsthalle Basel. Was soll seine Nachfolge leisten? Wir haben in der lokalen Kunstszene nachgefragt.

Direktor Adam Szymczyk verlässt die Kunsthalle Basel. Was soll seine Nachfolge leisten? Wir haben in der lokalen Kunstszene nachgefragt.

Am 31. Januar ist die Frist abgelaufen, in der man sich als Direktor oder Direktorin der Kunsthalle Basel bewerben konnte. Man hatte schnell reagiert beim Trägerverein: Ende November erst war bekannt geworden, dass Noch-Direktor Adam Szymczyk als neuer Leiter der Documenta nach Kassel geht. Dass dieser neue Posten mit dem alten zeitlich nicht zu vereinen sein würde, war Szymczyk gleich klar: Es werde wohl eher Monate als Jahre dauern, mutmasste er gleich nach Bekanntgabe, bis er Basel zumindest temporär verlassen werde. Ein Nachfolger wird nun per September 2014 gesucht – idealerweise, wie Martin Hatebur, der Präsident des Kunstvereins, erklärt: «Das hängt natürlich von der Person ab, die wir wählen – wann diese beginnen kann.»

Rund 150 Bewerbungen werden in diesen Tagen von der Findungskommission gesichtet, die aus Hatebur selbst, der Kuratorin Theodora Vischer, dem Künstler ­Kilian Rüthemann, der Künstlerin Nairy Baghramian und Manuel Borja-Villel, dem Direktor des Museums Reina Sofia in Madrid, besteht. Die Stellenausschreibung fand internationale Beachtung, Bewerbungen trafen aus Brasilien ebenso ein wie aus Basel. Aus dem beachtlichen Stapel wird die Findungskommission zwölf auswählen und die Bewerber voraussichtlich im April zu Interviews einladen, um schliesslich dem Vorstand eine Person zur Wahl vorschlagen zu können.

Langsame Annäherung

Währenddessen läuft in der Kunsthalle Basel der Betrieb weiter wie gewohnt – wenn auch im Bewusstsein, dass Veränderungen ins Haus stehen. Diese wären sowieso ­nötig gewesen, zumindest in Bezug auf seine Person, sagte Szymczyk noch im November im Gespräch mit der TagesWoche: Zehn Jahre seien genug. Auch wenn es ihm hier gefalle, auch wenn er hier verankert sei inzwischen, auch wenn ihm Basel ans Herz gewachsen sei.

Das war nicht immer so, die Beziehung Basel–Szymczyk war nicht immer harmonisch. 2003 trat der Pole das Erbe des Österreichers Peter Pakesch an, den man in ­Basel sehr schätzte, unter anderem wegen seiner Zugänglichkeit, seiner Kommunikationsbereitschaft und wegen seines guten Bezugs zur Basis der Basler Kunstszene. Szymczyk dagegen galt lange Zeit als scheu und spröde, dazu kam zu Beginn eine sprachliche Hürde. Er integriere sich zu schlecht in die regionale Szene, vernahm man bald aus diversen Mündern, er würde diese gar vernachlässigen. Es folgte eine Phase der Entfremdung, bis Szymczyk es schaffte, ein eigenes Team um sich zu scharen und die kritischen Stimmen leiser werden zu lassen. Oder war es Resignation, welche die Kritiker verstummen liess?

 

Eine kleine Umfrage unter Basler Kunstschaffenden zeigt: Es ist beides. Lob und Kritik an dem, was Szymczyk hier leistete, halten sich heute etwa die Waage. Der Künstler Andreas Hagenbach bringt mehrere ähnlich lautende Voten von Kollegen und Kolleginnen folgendermas­sen auf den Punkt: «Die Stadt und Szymczyk haben sich gegenseitig angenähert, wie es halt die Zeit mit sich bringt, aber viele (Künstler) haben wohl seinen Diskurs nicht verstanden.» Szymczyks Ausstellungen werden oft als «kompromisslos» bezeichnet – was einige gut finden, andere weniger. Sicher ist, dass Szymczyks Vorliebe für konzeptuell anspruchsvolle Kunst nicht immer einfach zu vermitteln war, und er mit seiner klaren, stringenten ­Linie nicht jedermann und -frau ansprach.

Auf die Besucherzahlen jedoch hat sich das über die Jahre nicht negativ ausgewirkt: Sie blieben unter Szymczyks Ägide mehr oder weniger konstant, und an den ­Vernissagen war das Haus jeweils gewohnt proppenvoll. Manch einer aber wünschte sich mehr Experimentierfreude. Eine junge Künstlerin etwa schreibt: «Es ist schade, dass die Ausstellungen selten farbig und frech waren. Vielleicht mehr Leichtigkeit und Lust wären schön.»

Die Kritik an der Vergangenheit beinhaltet natürlich auch Wünsche an die Zukunft. Und da wird erstaunlich oft der Ruf nach einer Frau laut. «Lasst endlich eine Frau ans Ruder!», formuliert etwa die Künstlerin Romy Weber sehr direkt. Tatsächlich wäre es die erste Direktorin an der Kunsthalle Basel, das Haus wurde in seinen 142-jährigen Geschichte bislang nur von Männern «regiert».

Regionaler Auftrag ist inexistent

Unüberhörbar aber klingt noch immer ein Ruf nach, der bei Szymczyks Antritt laut schallte: jener nach einem stärkeren Einbezug der lokalen Kunstszene. Mehrfach verweist man auf einen regionalen Auftrag der Kunsthalle. Dieser jedoch existiert gar nicht, wie Martin Hatebur bestätigt. Weder in den Statuten, noch in den Personalverträgen. «Ich erkläre mir dies so, dass man diesen regionalen Auftrag aus dem Fakt ableitet, dass wir Subventionen vom Kanton erhalten», mutmasst Hatebur. Tatsächlich aber ist auch vonseiten des Kantons kein solcher Leistungsauftrag explizit formuliert.

Manch ein Kunstschaffender beruft sich jedoch auch auf die Entstehungsgeschichte der Kunsthalle: Die Idee eines «Künstlerhauses» war Mitte des 19. Jahrhunderts in der Basler Künstlergesellschaft entstanden. Enrico Luisoni, Künstler und Präsident des Berufsverbandes ­Visuelle Kunst Visarte Basel, beispielsweise sagt: «Müs­sig zu erwähnen, wer die Kunsthalle Basel und den Kunstkredit Basel initiiert hat.»

Es gibt aber auch andere Stimmen. Solche, die zeitgenössische Kunst von «internationalem Format» fordern, wie sie Adam Szymczyk bot und mit der er es schaffte, die Kunsthalle Basel auf der internationalen Karte zu verankern. So solle auch die Möglichkeit einer Vernetzung mit der lokalen Szene geboten und möglich sein. Wenn man nun einen Direktor oder eine Direktorin findet, der oder die es schafft, all diese Ansprüche mit Offenheit und guter Kommunikation zu verbinden, so sollte einem harmonischen Verhältnis mit dieser Stadt und ihren Bewohnern nichts im Wege stehen.

Die Kunsthalle solle ein Ort des Austausches sein, an den man gerne geht. Darin sind sich alle Befragten einig. Dazu muss man nicht gleich eine Begegnungszone einrichten, aber wie wäre es, wenn der Bücherstand der ­Galerie Stampa wieder im Vorraum eingerichtet würde, wo er von 1970 bis 2013 zu finden war, zusammen mit ein paar bequemen Sitzgelegenheiten? Die Künstlerin Dorothea Trapp würde sich das wünschen – wir müssen sie enttäuschen: Den Bücherstand wird es nicht mehr geben, erklärt uns Diego Stampa. Es rechne sich leider nicht mehr, der Buchmarkt habe sich zu sehr verändert.

Manche Veränderungen sind leider unvermeidlich.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 21.02.14

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