Drachenmädchen

Selten lassen Filme eine junge Generation so eindrücklich zu Wort kommen wie «Drachenmädchen» das für China tut.

China macht sich fit – durch Drill in Hundertschaften. (Bild: ©polyband)

Selten lassen Filme eine junge Generation so eindrücklich zu Wort kommen wie «Drachenmädchen» das für China tut.

Der Sommer naht, der Blick sucht sorgenvoll die Waage. Wer die Extrakilos des langen Winters nicht im Bauch-Gepäck für den Sommer einchecken will, dem bleibt bloss ein kurzer Frühling, sich wieder auf die Badehosegrösse zu trimmen.

Im «Drachenmädchen» können Sie mehrere Fliegen aufs Mal schlagen: Abchillen und Kung-Fu treiben und China kennenlernen. Kampfmädchen gewähren Einblick in ihren Alltag in Kung-Fu-Shaolin-Instituten, wo 35 000 Kinder sich mit Körperkunst abhärten. 35 000?! Alleine die Zahl lässt schwitzen.

Erziehungsentwürfe

In einem faszinierenden Eröffnungsbild treten Hundertschaften von Kämpferkindern auf dem Pausenplatz an, um in der Masse ihre Kunst zu synchronisieren. Hart dagegen geschnitten wirkt die Armut der Eltern wie eine Idylle. Im Interview er­läutern der Schuldirektor des Kampfinstituts und der Mönch des Shaolin-Klosters ihre Weltsicht. Es sind Erziehungsent­würfe, die dem Anspruch der chinesischen Gesellschaft gerecht werden, Armut und Bildungslosigkeit von Milliarden von ­Menschen zu bekämpfen.

Wir folgen mit Inigo Westmeier drei Mädchen in ihr Training: Was die Kinder an Drill über sich ergehen lassen, senkt schon durch Zuschauen den Fettgehalt unserer Körperzellen. Westmeier stellt den geistigen Reichtum des Sports der Verarmung durch dessen massenhafte Ausübung gegenüber.

Fliehen oder standhalten? Um nicht in die Armut zurückzusinken, nehmen die Mädchen jede Herausforderung an. Wer sich ein Bild von Chinas Entwürfen für eine gesellschaftliche Disziplin machen will, kann hier mehr als nur etwas Wohlstandsspeck abarbeiten. Wer der Waage wieder mit gutem Gewissen gegenüber­treten will, sollte nicht nur auf Popcorn verzichten. Ein Blick auf die Badelatschen beweist uns, dass dieser Film alle etwas angeht: Made in China. So faszinierend ­haben wir das selten eingefangen gesehen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 12.04.13

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