Dylan in Basel: Begegnung mit einem, der Antworten gibt

Bob Dylan spielte starke Konzerte im Musical Theater Basel. Er ist ein halbes Jahrhundert älter als unser Autor. Dennoch lassen die Songs des einen den andern nicht los – erst recht nicht beim Live-Auftritt. Warum einer mit Jahrgang 1991 ohne Bob Dylan nicht sein will.

An seinen Basler Konzerten 2015 liess er sich nicht fotografieren, hier dafür eine Aufnahme von Bob Dylan vom 1. Juni 1984 im Joggeli.

(Bild: Keystone)

Bob Dylan spielte starke Konzerte im Musical Theater Basel. Er ist ein halbes Jahrhundert älter als unser Autor. Dennoch lassen die Songs des einen den andern nicht los – erst recht nicht beim Live-Auftritt. Warum einer mit Jahrgang 1991 ohne Bob Dylan nicht sein will.

Es beginnt mit einem Akkord seines Bandkollegen, dann tritt er auf die Bühne. Bob Dylan, der Poet, der Songwriter, der Dandy, der Cowboy. Dunkler, schmaler Anzug mit einzelnen weissen Streifen. Flacher Hut mit Feder. Das Gesicht meist im Schatten der Krempe. Born cool. Er schlenkert mit den Armen, geht ein paar wippende Schritte zum Mikrofon und beginnt zu singen.

Sie kratzt diese Stimme. Doch er kann damit den ganzen Raum einnehmen. Das spürt man am ersten seiner zwei Basler Konzerte vor allem in den zahlreichen Balladen.

Dylan gibt Antworten

74 Jahre ist Dylan inzwischen alt, und niemand hat ihn mir je gezeigt. Ich musste ihn selber entdecken. Selten hatten meine Eltern so ein langes Gesicht, wie an dem Abend als ich ihnen mit 16 Jahren vorwarf, dass sie mir nie von Bob Dylan erzählt hatten. Das obwohl sie immer von ihm wussten. Auch keine Alben von ihm lagen zu Hause rum. «Blonde On Blonde» schenkte mir mein Bruder zu Weihnachten – als Schallplatte.

Längst hätte ich ein mp3-File davon haben können. Doch das wäre nicht dasselbe gewesen. Wie oft habe ich dann auf das ausklappbare Porträt des Covers geblickt, mich in diesem besten aller Alben verloren? Dylan gab mir Antworten. Wenn eine Beziehung in die Brüche ging, hatte er die Zeilen dazu schon geschrieben. Ich lernte viele davon auf der Gitarre, spielte sie allein in meinem Zimmer nach, kaum je jemandem vor. Nach durchzechten Nächten, der letzte Bus war längst abgefahren, sang ich sie auf dem langen Heimweg hinaus an den Stadtrand.

Er und ich gegen die Welt

Ich las Biografien und auch die Texte immer wieder in dem kleinen roten Reclam-Bändchen. Mit Dylan war ich allein. Kaum jemand in meinem Umfeld war ihm verfallen. Die älteren waren im Punk sozialisiert, für sie war er der Hippie. Den Jüngeren fehlte vielleicht die Elektronik, vielleicht hörten sie bei den Texten nicht so genau hin.

Aber alles, was das Leben ausmacht steckt darin, so dachte ich. Wenn die Welt sich scheinbar gegen einen richtete, sang er dagegen – und ich mit: «How does it feel?», wie es in «Like A Rolling Stone» heisst. Ich nahm mir Kassetten auf, sang im Auto mit. In jedem gottverlassenen Brockenhaus kramte ich nach seinen Platten und fand «The Times They Are A-Changin’», das Cover halb zerschlissen.

Und jetzt stand er da, keine fünfzig Meter entfernt. Die Hand am Jackett wie Napoleon.

Authentisch würde man sagen, doch nicht bei Dylan

Ich habe keine bestimmten Erwartungen, er hatte früher schon alle übertroffen. Doch er spielt gut. Emotionslos scheinbar und sec. Ich kenne nur wenige Songs, die er singt. Es sind wohl viele neue Nummern, vielleicht auch Cover. Die Deutung überlass ich den Dylanologen.

Die Songs sind jazzig manchmal, schwelgerisch die Balladen, ein paar verstärkte Rocksongs. Immer solide handgemachte Musik. Authentisch würde man sagen – bei vielen anderen, doch nicht bei Dylan. Immer wieder stellt er sich breitbeinig hin. Starke Pose, denk ich mir, wie beim Revolverduell. Dann setzt er sich ans Klavier, das einzige Instrument neben seiner Stimme, das er diesen Abend spielen wird. Er spielt Soli, räuspert seine Zeilen ins Mikrofon, so als könne er auch Tom Waits. Dylan, das Chamäleon.

Draussen ist Herbst, im Herzen auch

Schliesslich «Tangled Up In Blue»: Völlig verfremdet, der Song, nur die alles bestimmende Rhythmus-Gitarre hilft bei der Wiedererkennung. Dylan greift zur Mundharmonika, die klagende Melancholie seiner frühen Folksongs blitzt auf. Die letzten Lieder sind die stärksten. «Long And Wasted Years» mit diesem treppensteigenden Riff.

Dann «Autumn Leaves», und er hüllt einen nochmal ein. Draussen ist Herbst, in meinem Herzen nun auch. Schliesslich «Blowin’ In The Wind», wieder eine Tonleiter. Ich hätte es fast nicht erkannt. Doch Dylan darf das, es sind seine Songs. Sie werden ihn überleben. Und ich werde sie meinen Kindern vorspielen. 

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