Dylan in Lörrach: Loungemusik ohne Sitzgelegenheit

Bob Dylan zeigt sich in Lörrach gut bei Stimme. Die Stücke sind erkennbar, straff arrangiert und sauber gespielt. Doch fesseln konnte der Auftritt nicht.

In Lörrach herrschte Fotoverbot. Hier eine Aufnahme von 2012 vom «Les Vieilles Charrues»-Festival in Carhaix.

(Bild: Keystone/David Vincent)

Bob Dylan lässt sich bitten. Die Songwriterin Irma hat ihr Set längst beendet, der Pausentee ist getrunken, Bühne und Publikum wären bereit. Doch die Minuten vergehen und der zwischendurch aufbrandende Ermunterungsapplaus verhallt wirkungslos.

Um Viertel nach neun ertönt dann eine Gitarre und die Band tritt auf. Dylan stellt sich freihändig ans Mikrofon und singt «Things Have Changed», einen Song aus jener Phase um die Jahrtausendwende, die zu den stärksten seiner Karriere zählt. Die Stimme raspelt, das war zu erwarten, aber im Vergleich zu den letzten Jahren im angenehmen Bereich und er singt mit erkennbarer Modulation. Hinter dem Mischpult versorgt das Deutsche Rote Kreuz eine Rentnerin kurz vor dem Kollaps.

«Das klingt doch nach Altherrenrock»

Beim zweiten Song bläst Dylan erstmals in die Mundharmonika und erntet dafür schüchternen Szenenapplaus aus den vorderen Reihen. Jürg, ein lebenslanger Fan, den unsereiner immer wieder an Konzerten trifft, schaut auf den Notizblock: «Wieso schreibst du, die Band spiele gediegen? Das klingt doch nach Altherrenrock.»

Tut es tatsächlich. Aber wie soll man diese Darbietung sonst nennen? Nehmen wir «Beyond Here Lies Nothin’», bei dem Dylan am Flügel sitzt: Es groovt, geht gut ins Ohr und gefällt. Aber wär der Abend nicht so schön, das Lüftchen so lau, man würde sich langweilen.

Dylan tut niemandem weh und auch die Songs lässt er in Ruhe. Doch das macht es auch nicht besser.

So geht es weiter. Zwischendurch spielt die Band flottere Nummern, doch auch die lassen keine Gefahr aufkommen, dass ein Herzschrittmacher im Publikum aus dem Takt geraten könnte. Nein, das ist kein Rockkonzert. Das ist Lounge-Musik ohne Sitzgelegenheit.

Jürg, der schon Dylans Auftritt am Vorabend in Locarno besucht hat, zeigt sich indes zufrieden. Er freut sich, dass der Alte ordentlich bei Stimme ist und tatsächlich singt, statt bloss zu krähen wie so oft in der jüngeren Vergangenheit. Mit Schrecken erinnert sich mancher an den Auftritt in Zürich 2011, als zuerst Mark Knopfler das Publikum einlullte, bevor Dylan die Leute in Scharen aus dem Hallenstadion verbellte.

Heute tut Dylan niemandem weh und auch die Songs lässt er in Ruhe. Der Auftritt in Lörrach widerlegt das Klischee, wonach der Mann seine Lieder live zur Unkenntlichkeit zerspiele. Die Stücke sind erkennbar, straff arrangiert und sauber gespielt. Doch das macht es nicht besser. Würde er doch bloss mal eine Nummer raushauen, auseinandernehmen oder versemmeln. So aber benutzt sogar Jürg, der Fan irgendwann das Wort «Liftmusik».

Gähnen statt Luftgitarre

Vermag ein Konzert nicht zu fesseln, schweifen die Gedanken ab. Man denkt zurück an Patti Smiths «Stimmen»-Auftritt am letzten Sonntag und staunt, wie die Elevin von einst ihr Idol derart überflügeln konnte. Smith spielte Lieder, die 1975 zwischen zwei Jugendkulturen erschienen waren, und zeigte, wie man Musik und Texte, die zwischen den Idealen der Hippies und dem Trotz der Punk pendeln, durch Persönlichkeit und Präsenz noch 2015 Leben und Würde einhauchen kann.

Nun kann man auf verschiedene Weise würdig altern. Um zu zeigen, dass man es noch immer ernst meint, muss man nicht auf die Bühne spucken wie Patti Smith am Sonntag. Aber wenn einer bloss gepflegt unterhalten möchte, warum macht er dann mit seiner Never Ending Tour nicht in Altersheimen Halt? Die Senioren hätten sicher Freude.

Es ist okay, dass er die Band nicht rocken lässt, denn das gabs in den letzten Jahren zur Genüge. Aber so ein bisschen rummucken ist einfach zu wenig für einen Dylan. Oder ist Gähnen die neue Luftgitarre? Fasst er darum den ganzen Abend über kein Saiteninstrument an?

Eine Nostalgieveranstaltung

Nach einer guten Stunde verliert das Bühnengeschehen auch für Jürg an Reiz, so dass er sich auf eine Unterhaltung über die Unterschiede zwischen den Wohnungsmärkten von Basel und Zürich einlässt. Irgendwann kommt man auch mit umstehenden älteren Herrschaften ins Gespräch. Sie verteidigen den Auftritt gegen die Kritik des Journalisten mit dem Argument, das sei hier schliesslich eine Nostalgieveranstaltung.

Der Rest ist schnell erzählt. «Desolation Row» landet in der Belanglosigkeit, «Ballad Of A Thin Man» lässt zumindest erahnen, wie der Song einst wirkte und noch immer wirken könnte. Als Zugabe gibts «All Along The Watchtower» und sorgt für frenetischen Schlussapplaus, nachdem das Publikum auf dem ausverkauften Marktplatz zuvor anständig, aber mit Reserve Applaus gespendet hatte.

Draussen verkaufen fliegende Händler Poster und ein Strassenmusiker singt «Jokerman». Schade behielt Dylan bei diesem Auftritt alle Asse im Ärmel.

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Ein kleiner Eindruck, wie Dylan sich derzeit auf der Bühne präsentiert:

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