Echte Kultur braucht keine Subventionen

Kultur braucht Förderung. Doch welche? Nicht durch staatliche Gelder, findet Jean Perera, denn: Staatliche Subventionen sind die Antithese von echter, gelebter Kultur.

Kultur braucht Förderung. Doch welche? Nicht durch staatliche Gelder, findet Jean Perera, denn: Staatliche Subventionen sind die Antithese von echter, gelebter Kultur.

Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt, so Platon. Kultur ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Kultur umfasst Musik, Kunst, Gastronomie, Sprache, Philosophie, Technik, Werte, Traditionen und vieles mehr. Alles Dinge, die uns nicht eines Tages fertig und vollendet vorgesetzt wurden, sondern ein unübersichtliches, schwer fassbares Universum von Ideen, das über Jahrtausende durch das Zusammenspiel unzähliger Individuen entstanden ist. Eine spontane Ordnung, die weder geplant noch vorhersehbar war und ist.

Kulturelle Arbeit wurde im Laufe der Geschichte von den Mächtigen manchmal gefördert, noch öfter wurde sie jedoch von ihnen verfolgt und unterdrückt. Zweiteres ist im Westeuropa des 21. Jahrhunderts glücklicherweise selten. Ersteres ist nach wie vor die Norm.

Natürlich muss Kultur gefördert werden. Fraglich ist, ob der Staat die richtige Instanz dafür ist. Der Kanton Basel-Stadt steckt pro Kopf über 900 Franken in die Kulturförderung. Dieses Geld würde ohne Subventionen nicht einfach verschwinden. Es entsteht ja auch nicht durch Zauberhand, wenn der Staat es verteilt, sondern muss in einem ersten Schritt jemandem weggenommen werden. Der Staat produziert keinen Wert, er kann nur nehmen und umverteilen, was bereits vorhanden ist.

Ob mein Nachbar sein Geld, das er ohne Subventionen sparen würde, ins Stadttheater investieren würde, weiss ich nicht. Vielleicht würde er es in ein TagesWoche-Abo stecken. Vielleicht würde er es für einen guten Zweck spenden. Sicher ist: Das mannigfaltige Zusammenspiel von individuellen Entscheiden würde im Kontext der erwähnten spontanen Ordnung geschehen und nicht durch eine kleine Gruppe von Menschen zum angeblichen Wohle der Allgemeinheit zentralistisch dirigiert.

Freiwilligkeit versus Zwang

Aber soll man denn die Kunst einfach der kalten Hand des Markts überlassen? Der Markt ist lediglich eine Metapher für freiwillige Transaktionen zwischen Menschen, die nicht zwingend finanzieller Natur sein müssen. Insofern wäre hier der Ausdruck «Zivilgesellschaft» treffender als der ideologisch vorbelastete Marktbegriff: Genossenschaften, Stiftungen, Heilsarmee, Selbsthilfegruppen und Vereine sind beispielsweise alle Teil der Zivilgesellschaft.

Warum sollten unzählige Privatpersonen, die sich für einen hehren Zweck organisieren, nicht zumindest gleich fähig sein wie ein staatlicher Kulturbeauftragter? Welche magischen Eigenschaften gehen plötzlich in einen Menschen über, sobald er seinen Lohn vom Staat bezieht?

Der einzige Unterschied ist, dass Privatpersonen Überzeugungsarbeit leisten müssen, während der Staat auf das Einverständnis der Steuerzahler nicht wirklich angewiesen ist – es läuft also auf Freiwilligkeit gegen Zwang hinaus. Der Kampf um die Aufmerksamkeit des Publikums ist allemal dem Kampf um die Aufmerksamkeit der Giesskanne vorzuziehen.

Gegen Finanzierung von Steckenpferden

Kann der Staat zumindest mittels seiner übergeordneten Funktion die Gelder nicht besser koordinieren als die Zivilgesellschaft? Fehlt Privatpersonen nicht die erforderliche Übersicht und Vernetzung? In Zeiten von Crowdfunding und Social Media ist diese Behauptung mehr als nur zweifelhaft.

Der Staat ist aber sicherlich demokratisch legitimierter und stärker auf sozialen Ausgleich bedacht in seiner Funktion als Kulturförderer? Auch hier gilt: Wohl kaum, denn was ist demokratischer als der freie Wille des Einzelnen darüber, welche Art von Kultur ihm unterstützenswert erscheint? Und was ist sozial rücksichtsloser als die Finanzierung der Steckenpferde arrivierter Kulturbürger durch die breite Masse?

Weitere Probleme staatlicher Kultursubventionen wie die Verkrustung existierender Strukturen samt daraus entstehendem Hang zu Konformismus und Mitläufertum und die praktische Unmöglichkeit, einmal gesprochene Subventionen abzuschaffen (als Wagner’sches Gesetz bekannt), seien hier nur am Rand erwähnt. Die Bereitschaft, die Deutungshoheit über förderwürdige Kunst dem Staat zu überlassen, trübt auch das Eigenbild einer starken und unabhängigen Bürgergesellschaft, die möglichst ohne Gouvernante kraft ihrer Mündigkeit eine harmonische, tolerante und vielfältige Öffentlichkeit zu schaffen vermag.

Man halte sich also die unbequeme, aber wahre Erkenntnis vor Augen, dass staatliche Eingriffe stets auf Zwang fussen und somit letztendlich die Androhung von Gewalt enthalten.

Ähnlich wie der Antikriegsslogan «Bombing for peace is like f*cking for virginity» während des Vietnamkriegs die Orwell’sche Rhetorik der Kriegstreiber aufzeigte, beginnen wir den inhärenten Widerspruch von Kultursubventionen zu erkennen, wenn wir wie eingangs Platon die Kultur als Sieg der Überzeugung über die Gewalt definieren: Staatliche Subventionen sind die Antithese von echter, gelebter Kultur.

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