Ein beredter Schweiger

Der Schriftsteller und Flurnamenforscher Markus Ramseier aus Pratteln erhält den Kulturpreis des Kantons Baselland – eine Ehrung, die ihn freut und zugleich sehr ins Grübeln bringt.

(Bild: Basile Bornand)

Der Schriftsteller und Flurnamenforscher Markus Ramseier aus Pratteln erhält den Kulturpreis des Kantons Baselland – eine Ehrung, die ihn freut und zugleich sehr ins Grübeln bringt.

«Ich bin ein stiller Mensch, aber mein Herz ist voll.» Sätze wie diesen bekommt man oft zu hören, wenn Markus Ramseier über sich selber spricht. Vor allem dieses «Aber», das sein ganzes Wesen zu beherrschen scheint. Der Schriftsteller und Flurnamenforscher steckt voller Gegensätze. Er bezeichnet sich selber als stillen Menschen, als «Schweigenden», im Gespräch offenbart er aber eine geradezu sprudelnde Beredsamkeit. Er sei scheu, aber bei seiner letzten Buchvernissage rappte er unter dem Jubel des Publikums die Inhaltsangabe seines neuen Romans; und er singt an der Pratteler sowie Basler Fasnacht Schnitzelbängg.

Markus Ramseier erhält am Montag, dem 22. September, den mit 25’000 Franken dotierten Kulturpreis des Kantons Basel-Landschaft. Und auch hier folgt gleich wieder eine Relativierung: «Natürlich fühle ich mich geehrt, selbstverständlich freut mich dieser Preis; aber ist das gerecht? Es gibt so viele andere, die den Preis verdient hätten, ihn nun aber wegen mir nicht bekommen können.» Das stimmt sicher. Aber welcher Kulturpreisträger denkt schon an so etwas – und spricht es auch noch aus?

Flurnamenforscher und Schriftsteller

Ramseier erhält den Preis – ja, für was eigentlich denn nun wirklich? Für sein schriftstellerisches Werk? Er hat bislang vier Romane und mehrere Kurzgeschichten veröffentlicht. «Aber» – wieder dieses «Aber» – «ich habe es lange Zeit nicht gewagt, mich Schriftsteller zu nennen.» Erhält er ihn für seine leitende Tätigkeit bei der Stiftung für Orts- und Flurnamenforschung? Ramseier arbeitet an der Fertigstellung des Gesamtinventars des Kantons Baselland, eine Werkreihe mit 7000 Seiten und etwa 60’000 Einträgen – «wissenschaftliche Prosa, ein Lebenswerk und Fluch zugleich», wie er sagt.

«Es gibt so viele andere, die den Preis wegen mir nicht bekommen können», sagt Ramseier. Welcher Kulturpreisträger denkt schon an so etwas – und spricht es auch noch aus?

Oder bekommt er den Preis für die Zeit, als er als Lektor für einen Schulbuchverlag arbeitete? Für die Jahre 2008 bis 2011, als Ramseier das Dichter- und Stadtmuseum in Liestal leitete? «Ich habe so ziemlich alles gemacht, was ein Phil-Einser tun kann», sagt der 59-Jährige. Er war Assistent an der Uni, hat promoviert, zu einer Habilitation angesetzt und natürlich als Lehrer gearbeitet.

Aus der Medienmitteilung zur Kulturpreisverleihung ist herauszulesen, dass Markus Ramseier offensichtlich für die Gesamtheit seiner Tätigkeiten geehrt werden soll: «Mit Markus Ramseier wird eine überregional bekannte Persönlichkeit ausgezeichnet, die sich nicht nur durch eine langjährige herausragende künstlerische Arbeit ausweist, sondern auch durch exzellente wissenschaftliche Forschung», heisst es darin.

Leidenschaft Schreiben

Seine liebste Beschäftigung aber ist das Schreiben. «Ich habe Schriftsteller immer sehr bewundert», sagt er. Wolfgang Borchert zu Beispiel. «Als Progymnasiast habe ich versucht, ihm nachzueifern.» Er hat früh angefangen zu schreiben, hat an anonymen Wettbewerben teilgenommen und Auszeichnungen erhalten. Ziemlich viele sogar. 2002 erhielt er zum Beispiel eine Einladung zum Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt – ein vielleicht umstrittener, aber höchst renommierter Anlass.

Was er anpacke, erledige er mit Ehrgeiz, Fleiss und Ausdauer, sagt der passionierte Langläufer Ramseier über sich selbst.

Ramseier erinnert sich in diesem Zusammenhang, dass er in Klagenfurt in der Nationalmannschaft der Schweizer Schriftsteller gegen die rüpelhaften Österreicher Kollegen Fussball gespielt hat und vom Platz geflogen ist. Wenn man der sanftmütig wirkenden Person gegenübersitzt, kann man kaum glauben, dass er sich auf dem Rasen zum «Wadenbeisser» entwickelt, wie er sich selber beschreibt. Was er anpacke, erledige er mit Ehrgeiz, Fleiss und Ausdauer, sagt der passionierte Langläufer. «Das ist das Ramseier-Gen, das mit mitgegeben wurde.»

Erfolg mit «Vogelheu»

2013 ist sein jüngster Roman «Vogelheu» erschienen. Darin beschreibt Ramseier die Beziehung einer 19-jährigen Frau zu ihrem knorrigen Grossvater. Es ist ein Buch, das vor allem durch seine präzise Sprache überzeugt, die von einer stillen, aber humorvollen Melancholie (schon wieder ein Gegensatz) beherrscht wird. Es ist Ramseiers bislang erfolgreichstes Werk. Vier Auflagen sind bereits erschienen, die fünfte wird bald folgen.

 (Buchbesprechung von Markus Ramseyers «Vogelheu» in der SRF-Sendung «BuchZeichen», 8.9.2013)

Zehn Jahre hat er an seinem 336-seitigen Roman gearbeitet. Nicht ausschliesslich natürlich, denn auch die Tatsache, dass er meistens mehrere Sachen zur gleichen Zeit am Laufen hat, gehört zu Ramseiers Wesensmerkmalen. So ist er während der Entstehungszeit dieses Romans nicht nur wechselnden Brotjobs nachgegangen («Ich musste eine Familie mit vier inzwischen erwachsenen Kindern durchbringen»), sondern hat zudem zwei Bände mit Kurzgeschichten sowie Ortsmonografien mit den Flurnamen aller 86 Baselbieter Gemeinden herausgegeben.

Grosse Zweifel

Auch die Veröffentlichung von «Vogelheu» verlief nicht wirklich gradlinig. «Ich hatte Zweifel an der Qualität meines Romans und traute mich zuerst nicht, ihn herauszugeben», sagt er. Er habe das Manuskript weggesperrt, bis er vom österreichischen Haymon-Verlag, der auf der Suche nach einem Schweizer Autor war, angesprochen wurde. Ausgerechnet ein Verlag aus Österreich, habe er sich in Erinnerung an das verpatze Fussballspiel in Klagenfurt gedacht. Doch die Zusammenarbeit mit dem neuen Verlag zahlte sich schliesslich aus.

Gegenwärtig arbeitet Ramseier an seinem fünften Roman, der einen Psychopathen und Hochstapler als zentrale Figur hat.

Gegenwärtig arbeitet Ramseier an seinem fünften Roman, der einen Psychopathen und Hochstapler als zentrale Figur hat. «Mein Verlag möchte natürlich, dass ich dieses Buch möglichst noch dieses Jahr fertigstelle, aber er wird sich wohl noch etwas gedulden müssen.» Für ihn sei das Schreiben selber, die Entstehung des Werks der schönste Moment seiner Tätigkeit als Schriftsteller. Natürlich schätze er, dass seine Bücher gelesen werden, und der Erfolg gebe im auch das Selbstvertrauen, mit dem er nicht sonderlich reich ausgestattet sei.

Doch der Erfolg hat auch seine Schattenseiten. Zum Beispiel der Auftritt an den Feierlichkeiten zur Kulturpreisverleihung vom kommenden Montag, 22. September, im Theater Roxy in Birsfelden. Solche Veranstaltungen empfindet Ramseier nach eigenen Angaben als Stätten der Eitelkeiten. «Ich muss erst noch lernen, mich in diesen Gefilden bewegen zu können.»

Nächster Artikel