Baschi Dürr kauft sich ein Bild. Und erntet dafür unter anderem Häme, auch in unserem Medium. Dabei ist das ausgewählte Werk doch wie geschaffen für ihn. Eine Replik.
Attestieren wir Baschi Dürr für einmal Humor. Denn um sich als Justiz- und Polizeidirektor einen Screenshot der Google-Einstiegsseite ins Büro zu hängen, braucht es eine gewisse Selbstironie. Denn denkt man an Google, denkt man an Datenspionage, an Überwachung – kurz, an so manches, was einem Polizeichef den Job erleichtern könnte, aber ihn stattdessen im Lichte der Öffentlichkeit (zum Glück) vor allem erschwert.
Der Screenshot stammt von Hannah Weinberger und heisst «Google». Ein Titel, so simpel wie das Werk auf den ersten Blick wirkt. Kann jeder machen, sagt sich da mancher – auch unser Blogger; könnte vielleicht tatsächlich.
Kunst verlangt aber im besten Fall vom Künstler und vom Betrachter ein Hinterfragen. Wir gehen davon aus, dass Weinberger diesen Akt geleistet hat.
Diskussionswürdiger Suchdienst
Wer heute als Künstler über die Gesellschaft nachdenkt, der kommt um das Internet nicht herum. Nichts prägt die heutige Generation stärker als die neuen Medien. Und nichts prägt das Internet stärker als Google. Stellt ein Kind heute eine Frage, die die Eltern nicht beantworten können, kommt vom Kind ohne Zögern die Antwort: «Google doch!»
Gleichzeitig ist wenig umstrittener als der übermächtige Suchdienst. Er polarisiert, nicht zuletzt wegen der Diskussionen um den Datenschutz und um Privatsphäre.
Hannah Weinbergers Screenshot ist die minimalistischste aller Umsetzungsformen solcher Überlegungen und in ihrer Einfachheit nahezu genial. Viele von uns haben vielleicht die Google-Suchseite als Einstiegsseite im Browser eingerichtet. Doch die wenigsten werden sich beim Eintippen eines Suchbegriffs grössere Gedanken machen. Hängt man aber dieses eingefrorene Bild in einen Rahmen und löst es damit aus seinem Kontext, mag das anders sein.
Vielleicht möchte Dürr sich die Gefahren eines Polizeistaates stetig vor Augen halten. Das wäre doch recht wünschenswert. Vielleicht aber gefällt ihm auch einfach das Google-Logo oder das Minimalistische der fast gänzlich weissen Seite. Passt ja auch besser zu ihm als das Barock-Opulente, oder nicht?
Streitbare Preise
Duchamps «Fountain». (Bild: zVg)
Nun lässt es sich über Kunstgeschmack bekanntlich immer streiten. Und über moderne Kunst sowieso, das ist nicht erst seit Marcel Duchamps auf einen Sockel gestelltem Pissoir so. Und wenn es nicht die Ästhetik eines Werkes ist, die diskussionswürdig ist, dann sind es oft immer noch die Preise, die dafür bezahlt werden.
10’000 Franken also hat Baschi Dürr für Weinbergers Werk hingelegt. Zuviel? Vor vier Tagen hat jemand für ein Werk des US-Malers Edward Hopper 40,5 Millionen Dollar bezahlt. Angemessen? Ein Galerist erzählte einst, er habe die Werke seiner Künstler an der Kunstmesse in Berlin nicht verkaufen können, weil sie durchschnittlich nur 5’000 Franken kosteten – hätte er die Preise raufsetzen sollen? Ist, was billig ist, nichts wert? Nicht gut genug?
Der Kunstmarkt wird grundsätzlich davon bestimmt, was die Leute zu zahlen bereit sind. Das ist eine Tatsache – und tatsächlich eine streitbare.