Seltsame Fische tummeln sich in der spanischen Kolonie Paraguay: Fische, die vom Wasser abgestossen werden und trotzdem nicht wegschwimmen können. Das Sinnbild steht für die tragikomische Gestalt Don Diego de Zama. Mit seinem Dreispitz und Paradesäbel wirkt der Rechtsgelehrte im Paraguay des 18. Jahrhunderts tatsächlich wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Und das ist das Wunderbare an diesem surrealen Drama, das am achten Bildrausch-Filmfestival ausgezeichnet wurde und die Kategorie Kostümfilm weit hinter sich lässt: Zamas altertümliche Kleidung rückt das Geschehen nicht in eine nostalgisch verklärte Vergangenheit, sie hebt vielmehr den Widerspruch zwischen behaupteter Autorität und einer fremden, gleichgültigen Umgebung hervor.
Erfolgreicher Bildrausch: Die Veranstalter des Basler Filmfestivals ziehen eine positive Bilanz: Bis zum Sonntagabend wurden an der 8. Ausgabe des Bildrausch-Filmfestivals gemäss Hochrechnung (ohne die Anlässe des Rahmenprogramms) rund 2330 Eintritte in zwei Kinos gezählt, was einer Steigerung von rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Total wurden in fünf Tagen 33 Kurz- und Langfilme gezeigt.
Ein Sklavenhalter will frei sein
Zama (Daniel Giménez Cacho) soll als Vertreter eines brutalen Regimes für Recht und Ordnung sorgen. Er spricht sich für die Sklaverei aus, dabei hofft er selber auf die Versetzung, die ihn von seinem Provinzposten befreit. «Wann kommst du zurück?», imaginiert Zama die Stimme seiner Ehefrau, die er in der Heimat mit den gemeinsamen Kindern zurückgelassen hat.
Geduld, tröstet Zama sich selbst. Ein Schiff ist mit dem ausstehenden Gehalt und einem Versetzungsschreiben unterwegs, redet sich der Beamte ein, doch seine Hoffnung trügt. Stattdessen nimmt der Alltag seinen schleichenden und unerbittlichen Lauf. Zama verliebt sich unglücklich, streitet sich mit seinen Schreibgehilfen, fällt in Ungnade. Während einer Audienz beim neuen Gouverneur blickt zufällig ein Lama über die Schulter des Rechtsgelehrten: Nutzvieh alle beide. Lakonischer könnte der Kommentar auf Zamas Existenz nicht ausfallen.
Am Ende seiner Geduld angelangt, beschliesst Zama, den notorischen Strauchdieb Vicuña Porto zu stellen. Ob es Vicuña tatsächlich gibt oder ob der Räuber nur ein Buhmann ist, mit dem die Kolonialregierung ihre Strafexpeditionen rechtfertigt, spielt dabei keine Rolle. Der desillusionierte Beamte ist wild entschlossen, sich auf ein Himmelfahrtskommando zu begeben.
Das Leiden der Mittelschicht an sich selbst
In ihren früheren Filmen hat sich die argentinische Regisseurin Lucrecia Martel vornehmlich mit der Mittelschicht beschäftigt, die an ihren überkommenen Privilegien leidet und so das Zusammenleben mit der indigenen Bevölkerung vergiftet. In «Zama» gibt sie diesem Thema einen kraftvollen neuen Dreh.
Das faszinierende Porträt des spanischen Kolonialismus verbindet hypnotisch schöne Landschaftsbilder mit dem absurden Witz von Kafka und Beckett. Vor allem aber spiegelt «Zama» ein zeitloses Dilemma wider: Wer mit Ressentiments lebt, ist selber unfrei.
«Zama» von Lucrecia Martel läuft am 7. Juni in den Schweizer Kinos an.