Ein fröhliches «Bambi» auf zwei Beinen

Das Vorstadttheater bringt die berühmte Geschichte von Bambi als bezauberndes und rührend-komisches Wald-Kammerspiel auf die Bühne.

Bambi (Alireza Bayram, mitte) und seine Freunde (Gina Durler und Michael Schwager) (Bild: Xenia Haeberli)

Mit viel Spiellust und Fantasie zaubert das Vorstadttheater ein berührend-komisches Bambi-Kammerspiel auf die Bühne.

Ach, was haben wir geweint, als wir uns im Kino ausmalen mussten, wie die Kugel aus der Flinte eines Jägers Bambis Mutter niederstreckte, obwohl man sie nur hört und nicht sieht. Hier darf man sicherlich für einmal verallgemeinernd die Mehrzahl «wir» gebrauchen und feststellen, dass während der genannten Szene aus dem Disney-Film hektoliterweise Tränen geflossen sind. Und dass der Film wohl nicht wenige Kinder zu grossen Verächtern von Wildgerichten machte.

Bei Disney war Bambi ein Hirschkalb. In der Romanvorlage «Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde» von Felix Salten ist es ein Rehkitz. Und im Vorstadttheater, wo die Geschichte nun auf die Bühne gebracht wird, ebenfalls. Nun, eigentlich ist es ja ein Schauspieler, der in die Rolle des süssen Waldtiers schlüpft, aber einer, der so sehr zum Reh wird, dass man sich sofort und mühelos damit abfindet, dass dieses auf zwei Beinen herumspringt. So wie es in der Geschichte eigentlich die Jäger tun bzw. die wirklichen Menschen, die aber nie als solche benannt werden, sondern nur die Bezeichnung «Er» tragen.

Ein Wald voller Leben

Bambi auf der Bühne des Vorstadttheaters, das ist der Schauspieler Alireza Bayram. Er trägt knielange graue Hosen, Hemd und Pullunder in verschiedenen Brauntönen, eine diskrete Pelzkappe und relativ hochhackige Stiefel mit weissen Gamaschen, die fast bis auf Kniehöhe reichen (Kostüme im Jägerstil der 1920er-Jahre: Eva Butzkies). Es ist dasselbe Schuhwerk, das auch die beiden anderen Protagonisten auf der Bühne tragen (Gina Durler und Michael Schwager), die sich durch eine ganze Menagerie an Waldtieren spielen, darunter Bambis Mutter und sein vornehmer Vater.

Durler und Schwager spielen sich nicht nur im flinken Kostüm- und Rollenwechsel durch die Waldfauna, sie verkörpern den Wald, der auf der Bühne (Andreas Bächli) mit wenigen Baumstämmen und Sträuchern nur angedeutet ist, auch als Ganzes. Über Mikrofone sorgen sie für eine stimmungsvolle Geräuschkulisse: Mit vielerlei Tierstimmen, vom fröhlichen Pfeifen der Vögel bis zum unheimlichen Grollen nicht genauer definierter Raubtiere, erwecken sie den Wald zum prallen Leben.

Vortreffliche Bühnenpräsenz

Im Zentrum aber steht natürlich das Rehkitz Bambi, dessen Lebensgeschichte von der Geburt bis zur Übernahme der Rolle des würdevollen Prinzen des Waldes die gleichnamige Geschichte erzählt. Mit seinen grossen staunenden Rehaugen stolpert, hüpft und springt Alireza Bayram naiv kindlich, schreckhaft ängstlich und überbordend fröhlich durch den Wald und sein Leben. Und direkt in die Herzen der kleinen und grossen Zuschauerinnen und Zuschauer.

Die rund fünf Viertelstunden dauernde Aufführung lebt von der vortrefflichen Bühnenpräsenz des Darstellertrios. Angetrieben durch eine Inszenierung, die mit vielen wunderbar fantasievollen Einfällen glänzt (Regie: Matthias Grupp), schaffen sie ein atmosphärisch dichtes Gesamtbild, welches das Publikum sogleich in den Bann zieht und bis zum Schluss nicht mehr loslässt. Die Inszenierung baut fesselnde und unheimliche Spannungsmomente auf und lockert das Ganze mit vortrefflichem Witz auf. Und sie schafft es, die gefährlichen Klippen des Kitsches und allzu triefender Sentimentalität geschickt zu umschiffen.

Beste Theaterunterhaltung

«Bambi» auf der Bühne des Vorstadttheaters ist eine poetisch liebevoll, durchaus ernsthaft, aber auch mit viel Humor erzählte Geschichte über das Erwachsenwerden, über Liebe, Freundschaft, Autorität, das Besitzdenken, den Kreislauf der Natur, den Wechsel der Jahreszeiten, über die Frage nach dem Sinn des Lebens. Das klingt jetzt nach ganz schön viel Tiefgang. Davon sollte man sich aber keinesfalls von einem Besuch der Aufführung abhalten lassen. Denn «Bambi» ist in allererster Linie beste Theaterunterhaltung.

«Bambi»
nach dem Roman von Felix Salten
Regie: Matthias Grupp, Bühne: Andreas Bächli, Kostüme: Eva Butzkies
Mit: Alireza Bayram, Gina Durler, Michael Schwager
Vorstadttheater Basel
Weitere Vorstellungen bis Ende Dezember 2013

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