Ein Gefangener der richtigen Geschichte

Naeem Mohaiemens erste Einzelausstellung in Europa beeindruckt durch ihre subtile Präsentation und die geistreiche Verbindung von Wissenschaft und Kunst.

Filminstallation in der Kunsthalle Basel.

Naeem Mohaiemens erste Einzelausstellung in Europa beeindruckt durch ihre subtile Präsentation und die geistreiche Verbindung von Wissenschaft und Kunst.

Für den Besuch von Naeem Mohaiemens Ausstellung in der Kunsthalle Basel braucht man viel Zeit. Im Zentrum der Arbeiten des bangladeschischen Künstlers stehen die vergangene Zeit und die Geschichte seines Landes: Mittels Fotografie, Text, Film und Mixed-Media-Objekten zeigt er, wie sie immer wieder verändert wurde und an die neuen Bedingungen des Staates angepasst. Mohaiemen geht es um die kleinen Geschichten, die sich parallel zu den grossen Ereignissen abspielten und die Entwicklungen mitbestimmt haben. Im Zusammenhang mit dieser Problematik ist auch der Titel der Ausstellung: «Prisoners of Shothik Itihash» (Gefangene der richtigen Geschichte) zu verstehen.

Rückblicke

Der 1969 in London geborene Künstler und Wissenschaftler zeigt uns diese Mikrogeschichte auf sehr subtile Art, manchmal auch ganz unmittelbar. Beispielsweise mit der Geschichte «Kazi in Nomansland», die vom bengalischen Dichter Kazi Nazrul Islam erzählt, der seine Fähigkeit zu sprechen und seine Erinnerung verlor und die letzten dreissig Jahre seines Lebens in dieser Verfassung verbrachte.




Auf sehr poetische Weise setzt Mohaiemen sich auch mit dem Haus in der Rankin Street in Dhaka auseinander, das seine Familie in den 1950er Jahren bewohnte. Mit Hilfe von wiedergefundenen Negativen, die sein Vater in dieser Zeit aufgenommen hatte, rekonstruiert Mohaiemen ein Stück Familiengeschichte. Unter den gerahmten Schwarz-Weiss-Abzügen sind die Topografien der Bilder als 3D-Prints zu sehen: Spielende Kinder auf einem Balkon, ein lächelndes Mädchen oder eine junge Frau, die gedankenverloren zum Fenster hinaus blickt.

Konfrontationen

Im zweiten Teil der Ausstellung konfrontiert Mohaiemen die Besucher ganz direkt mit Gewalt und Tod, die mit verschiedenen linken Untergrundbewegungen und mit den Ereignissen nach 1971, als Bangladesch nach der Abspaltung von Pakistan die Unabhängigkeit erlangte, in Zusammenhang stehen. Die dezente und ästhetische Form der Präsentation, welche sich durch die ganze Ausstellung zieht, bildet dabei einen starken Gegensatz zum brutalen Inhalt einzelner Werke.

Im Kurzfilm «Der Weisse Engel» wird das Geschehen durch eingeblendete Titel erzählt, die mit kurzen Sequenzen aus John Schlesingers «Marathon Man» untermalt sind, welche wiederholt von beklemmenden Passagen unterbrochen werden, in denen die Leinwand schwarz bleibt und nur der Text im Hintergrund zu hören ist – beispielsweise in der Szene, als eine ehemalige KZ-Insassin in den Strassen von New York ihren früheren Peiniger erkennt und von einem Auto angefahren wird, als sie ihn überführen will.

Ein besonderes Erlebnis ist auch Mohaiemens 70-minütiger Film «United Red Army», die Geschichte des 1977 von der Japanischen Roten Armee entführten Passagierflugzeugs, das auf dem Flughafen von Dhaka landete. Die Verhandlungen zwischen den Entführern und dem Tower werden in Form von Dialogen auf einer riesigen Leinwand in einem völlig dunklen Raum gezeigt, begleitet von Bandaufzeichnungen, deren Dramatik durch die Nebengeräusche der Funkverbindung und den sporadischen Einblendungen von verzerrten Archivbildern noch verstärkt wird. Spannend wie ein Thriller und berührend zugleich – wie es ausgeht, wird hier natürlich nicht verraten.

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«Naeem Mohaiemen – Prisoners of Shothik Itihash», Kunsthalle Basel. Bis 24. August 2014.

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