Der Houseremix seines Liedes «One Day» hat Asaf Avidan in Europa berühmt gemacht. Bei seinem Konzert im Grand Casino Basel zeigte sich: Was den Israeli aber wirklich auszeichnet, ist sein facettenreicher Gesang.
Für den einen wirklich grossen Hit, den er hat und der auch nur zur Hälfte seiner ist, beansprucht Asaf Avidan die Bühne alleine für sich. Kurz zuvor ist er mit seiner Band nach dem angekündigten letzten Song «Weak» verschwunden, eine Ballade, die mit kantig verschraubten Rhythmen und voluminösen Akkorden vom E-Piano in ein Schlussfurioso mündete.
Dann klatscht der ausverkaufte Metro-Saal im Grand Casino Basel, Avidan kehrt mit der Holzgitarre zurück, zupft drei, vier Akkorde in einem karibischen Rhythmus und singt die Zeile, die ihn berühmt gemacht hat, zuoberst in den Charts von Deutschland, Frankreich, Italien, der Schweiz: «One day, Baby, we’ll be old / think about the stories that we could have told».
Ambivalentes Verhältnis zum Hitsong
Avidan singt das Lied mit allen Facetten, die seine charakteristische, androgyne Stimme zu bieten hat, kippt in ein Falsett, kratzt die Töne in den hohen Lagen funkenschlagend an und verfällt wieder in ein tiefes Raunen, als lote er die Ambivalenz des Songs in seiner ganzen Breite aus. Vom Zustand der Verlassenheit handelt das Lied, vom Zerrinnen des Glücks und der Hinterhersinniererei über verpasste Chancen, aber auch von einer hämischen Abrechnung mit den Nichtigkeiten, mit denen man sich früher aufgehalten hat.
Ambivalent ist auch das Verhältnis, das Avidan zu seinem Durchbruchhit hat, denn er war nicht vorgesehen. Als «Reckoning Song» veröffentlichte er ihn zusammen mit seiner Folkrockband The Mojos vor fünf Jahren und wurde mit der gleichnamigen Platte in seinem Heimatland Israel zu einem Indie-Star. Über diverse Online-Radios gelangte der Song zum jungen Berliner House-DJ Wankelmut. Der unterlegte den Song mit einem Housebeat, lud ihn auf YouTube hoch, von wo er – zur hedonistischen Clubhymne gestutzt – bald hunderttausende von Clicks erfuhr.
Avidan war anfangs gar nicht begeistert, welche Wege seine gefühlvolle Ballade nahm, liess sich aber vom Erfolg überzeugen. Der Remix wurde unter dem Titel «One Day» zu einem der erfolgreichsten europäischen Hits 2012.
Avidan nutze den unverhofften Ruhm, stellte eine neue Begleitband zusammen und veröffentlichte Ende des letzten Jahres ein neues Album, «Different Pulses» mit Namen – und ging ganz eigene Wege. Düstere, im Hall versunkene Trommelbeats, drückende Keyboardflächen, klagevolle Chorgesänge, in deren Zentrum sein Ausnahmegesang genügend Raum zur Entfaltung fand, manchmal heiser wie Janis Joplin, manchmal kraftvoll grollend wie James Brown.
Wuchtige Band in Basel
Von all diesen vielschichtigen Nuancen in der Soundkulisse haben es nur grobe Spuren ins Grand Casino geschafft. Avidan ist mit einer Band unterwegs, die über weite Strecken des Sets die Songs mit grosser Muskelmasse aufmischt. Der rohe Rock, der sich hungrig am psychedelischen Blues der 70er-Jahre labt, ist zwar solide gespielt und scheut sich nicht vor ausufernden Instrumentalexzessen, in denen Avidan seine Gitarre lustvoll traktiert. Allerdings drückt die Band damit auch ihr Alleinstellungsmerkmal wuchtvoll an die Wand: es dauert einige Minute, bis sich Avidans Stimme sich Geltung verschafft.
Dann allerdings staunt man ob seiner Virtuosität, die neben den Kratzmelodien und dem zitternden Falsett auch in tieferen Lagen über reichliche Kraftreserven verfügt. Am packendsten sind die tranceartigen Ausbrüche, in denen sich seine Stimme in lautmalerisches Gegurre, in ekstatische Schreie, Kiekser und Gluckser steigert, ohne an melodischer Präzision einzubüssen. Avidan geht unter die Haut, wenn er tief im Song versinkt.
Der Junge mit der Mundharmonika
Hängen bleiben indes die fragileren Momente. Das Balladenwerk. In «Small Change Girl» schwebt ein dürre Pianomelodie durch die Halle, die Rhythmussektion spielt einen derart verhuschten Beat, als wische einer den Staub von der Bühne, und Avidan spielt die Mundharmonika mit abgründiger Empathie, die mit seinem Gesang in eine glühende Legierung verschmilzt. Am Ende, in «Thumbtacks In My Marrow», schrummen noch verhallte Gitarrenakkorde und knistert ein verstörender elektronischer Beat, während Avidan ganz in sich gekehrt seine letzten Zeilen singt. Ohne die expressionistischen Ausbrüche, ohne grelles Falsett, sondern als schwachzartes Flüstern, das vom nächsten Windstoss verweht zu werden droht.