Ein Konstrukt ohne Sinn und Zweck

Ein Projekt der eigenen Art wird derzeit hinter der Blackboxx, nahe dem Asylzentrum beim Zoll Otterbach betrieben. Konstruiert wird ein architektonisches Unding.

Spinnennetz oder Traumfänger? Darüber zerbrechen sich die Gelehrten der Welt seit Tagen ihre Köpfe. (Bild: Cédric Russo)

Ein Projekt der eigenen Art wird derzeit hinter der Blackboxx, nahe dem Asylzentrum beim Zoll Otterbach betrieben. Konstruiert wird ein architektonisches Unding.

Am Waldrand, nahe dem Empfangs- und Verfahrenszentrum des BFM Basel, wird dieser Tage fleissig gebaut. Basler Bürger und Asylbewerber zimmern seit Montag hinter der Blackboxx ein eigenwilliges Holzkonstrukt ohne konkrete Form und Zweck. Dazu verwenden sie allerlei Materialien, die gerade zur Verfügung stehen: Alte Holzlatten, Plastikteile, Äste und Zweige aus dem Wald.

Den Initiatoren des Projekts, Jan und Moritz Bachmann, geht es nicht um das Endprodukt, also die Installation, sondern um das gemeinsame Arbeiten daran. «Hier in Basel fehlt es an Räumen für Aktivitäten, damit Menschen sich begegnen können. Mit diesem Projekt versuchen wir, einen solchen Raum zu schaffen», sagt Jan Bachmannn.

Die Installation wird nicht von Dauer sein

So kommen regelmässig die Asylsuchenden aus dem benachbarten Asylzentrum beim Zoll Otterbach vorbei, um mit anzupacken oder einfach zu verweilen. Vor allem Kinder werken mit grosser Freude an dem Holzbau. Auch Freunde und Bekannte der Initiatoren sind mit von der Partie und zimmern, was die Hämmer hergeben. Es gibt Mittagessen und danach Kaffee für alle.

Niemanden stört es, dass die Installation weder von Dauer sein wird, noch jemals einen praktischen Nutzen haben wird. «Das Produkt als Ziel begeistert nicht», sagt Jan Bachmann. «Es ist die Interaktion und der Spass an unvorhersehbaren Veränderungen, was die Leute vorantreibt.»

Ein Gegenentwurf zur gängigen Architektur

Die beiden Brüder Jan und Moritz wollen mit dem Projekt auch ein politisches Statement zur Basler Architektur setzen. «Unsere Stadtentwicklung und Architektur wird von Einzelnen über die Köpfe der Bevölkerung hinweg gemacht. Unser Gegenentwurf dazu stellt eine unprofessionelle und direkt demokratisch bestimmte ‘Architektur’ dar», sagt Jan Bachmann. Denn niemand schreibt vor, wie was aussehen und gemacht werden soll. Jeder kann zimmern und hämmern, wie es ihm beliebt.

Der Erweiterungsbau in Zusammenarbeit mit der Blackboxx dauert noch bis zum 18.8.2012 an. Jeder ist herzlich eingeladen, wochentags zwischen 10 und 17 Uhr an der Freiburgerstrasse 36 vorbeizuschauen, und sich nach Lust und Laune am Begegnungsprojekt zu beteiligen.

 

Die Initiatoren beschreiben das Projekt
Das Vorhaben ist denkbar einfach; wir bauen ein Ding aus Zeugs. Heißen soll es ‚Blackboxx-Erweiterungsbau’ und ebenda – neben dem Ausschaffungsgefängnis am Zoll Otterbach / Basel, CH – in knapp zwei Wochen entstehen. Da wir weder über schlechtbezahlte Praktikantinnen noch grosse Kapitalströme verfügen, gibt es keine Pläne, keine Modelle, lediglich eine Visualisierung, und die ist hochhypotetisch. Dafür erhoffen wir uns einen offenen Prozess, ein Ort und eine Zeit um einen Raum selber zu gestalten. Wir sind müde vom ständigen Sprechen über diese Gesellschaft, die mit einer Hand Asylsuchenden das Essen rationiert und mit der anderen Hand immer absurdere Beträge, zum Beispiel in die Repräsentationsarchitektur einiger egomanischer Architekten fließen lässt, die nach ihren Vorstellungen unsere Lebenswelten von morgen gestalten, als ob es ihre Wohnzimmer wären.
Uns interessiert die Arbeit an einer anderen Gesellschaft und nicht die Oberflächengestaltung einer neoliberalen Weltordnung à la Herzog&DeMeuron. Ob am Ende etwas stehen wird, ist uns egal. Wichtig ist dieser Prozess der Raumgestaltung als Resultat eines demokratischen Prozesses. Wichtig ist der Ort am Rande der Stadt und am Rande der Gesellschaft. Durch die Nähe der Blackboxx zum Empfangszentrum und dem Ausschaffungsgefängnis für Asylsuchende wollen wir den Anschluss an jene Menschen suchen, die sich in einer zunehmend prekarisierten Wartesituation befinden. Wichtig ist die Blackboxx als Kunstprojekt, das sich der zunehmend standortorientierten Förderlogik widersetzt. Erweitern wir für einmal nicht die Messe Basel, nicht die etablierten Kunsthäuser, sondern ein Projekt, das aus Überzeugung besteht.

 

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