Ein Magier der Farbe

Farbe, nichts als Farbe, interessierte den französischen Koloristen Pierre Bonnard (1867–1947). Die Fondation Beyeler hat seinem Werk eine verzückend entrückende Retrospektive eingerichtet.

Ein Fest der Farben: Zwei von Pierre Bonnards Badezimmerakten in der Fondation Beyeler. (Bild: Keystone, ©)

Farbe, nichts als Farbe, interessierte den französischen Koloristen Pierre Bonnard (1867–1947). Die Fondation Beyeler hat seinem Werk eine verzückend entrückende Retrospektive eingerichtet.

Fast denkt man, sie sind unwichtig, die Motive. Denn je weiter man in die Ausstellung «Pierre Bonnard» vordringt, umso mehr verliert sich der Maler und mit ihm der Betrachter in den Farben.

Zunächst aber beginnt alles im Dunkeln. Grau- und Brauntöne herrschen in Pierre Bonnards frühen Strassenszenen vor. Und damit – im Saal betitelt «La Rue» – beginnt die von Kurator Ulf Küster zusammengestellte Ausstellung in der Fondation Beyeler. Als bräuchten die teilweise sehr dunkel gehaltenen Gemälde noch zusätzlich atmosphärische Unterstützung, wurde das Licht im ersten Raum gedämpft.

Mit jedem Schritt, den man weiter tut, lichten sich das Raumklima und die Ölfarben gleichermassen. Hat Bonnard in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts die Farbe noch ziemlich pastos und dickglänzend auf die Leinwände gebracht, so wird der Farbauftrag zunehmend dünner und durchscheinender. Mit den intimen Badezimmerakten erreicht Bonnard bezüglich des Umgangs mit Farbe seinen Höhepunkt. Die Schau in der Fondation Beyeler richtet den «Salle de Bains» deshalb folgerichtig im Zentrum ein, umgeben vom «Jardin», vom Esszimmer und von Spiegelbildern.

Küster hat die Retrospektive, die rund 60 Werke umfasst, nicht chronologisch anordnen wollen. Die Aufteilung in Räume, die Bilder derselben Thematik zu einem «Maison imaginaire de Bonnard» verbinden, macht auch wirklich mehr Sinn. Und das Einrichten des Bonnardschen Gartens in den Räumen, die durch grosse Glasfronten den Blick auf den Garten der Fondation Beyeler freimachen, ist wunderbar geglückt: Hier stellt sich die gemalte Natur dem Dialog mit ihrem natürlichen Vorbild.

Wirklich «sehen»

«Nur wenige Menschen sehen, sehen wirklich», sagte der Maler Bonnard einst. Umgeben von seinen Werken ist es unmöglich, sich nicht auf das Sehen einzulassen. Seine Gemälde sind für unsere Sehnerven eine Herausforderung. Hier geht es nicht um Perspektive, um Raumtiefe. Selbst in Gemälden wie dem «Fenêtre ouverte sur la Seine (Vernon)», in dem sich ein Fenster auf eine grüne Landschaft öffnet, kann der Raum nicht abschliessend erschlossen werden. Eine menschliche Figur erscheint ganz am rechten Bildrand, angeschnitten, zur Nebensache degradiert, die sie ist. Sie verblasst neben der Wand des abgebildeten Zimmers, die in Gelb- und Orangetönen warm leuchtet.

Um Bonnards Bilder zu verstehen, sie zu «sehen», ist es egal, welche Speisen auf den Tischen in den vielen Esszimmerbildern aufgetragen wurden. Auch die Menschen sind hier nichts anderes als eine Ansammlung von Farbe, ihre Hauttöne changieren von rötlich über lila bis hin zu grau. Alles ist in Bewegung, alles fliesst, alles entsteht aus der Farbe heraus. Figuren und Gegenstände sind eins mit ihrer Umgebung, umrisslos verschmelzen sie miteinander. Der ideale Betrachter von Bonnards farblichen Köstlichkeiten folgt ihnen dabei.

> Fondation Beyeler, Riehen, 29. Januar bis 13. Mai.

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