Ein Mann mit grossem Fingerspitzengefühl

Der indische Tabla-Meister Trilok Gurtu begeisterte mit seinem Gastspiel am Jazzfestival Basel. Virtuos sein Fingerspiel, gross die Grooves, vielseitig das Repertoire. Ein starker Auftritt.

Trilok Gurtu liess bei der Zugabe die Tablas links liegen und setzte sich aufs Cajon. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Der indische Tabla-Meister Trilok Gurtu begeisterte mit seinem Gastspiel am Jazzfestival Basel. Virtuos sein Fingerspiel, gross die Grooves, vielseitig das Repertoire. Ein starker Auftritt.

Das Jazzfestival Basel ist nach einigen Jahren Pause wieder in der Kaserne Basel angekommen. Dieses Comeback wurde am Mittwoch eingetrommelt: Trilok Gurtu stand auf der Affiche. Als Perkussionist von Jan Garbarek konnte man ihn am Rheinknie schon live erleben, nun gelang es Festivalchef Urs Blindenbacher erstmals, ihn mit seinem eigenen Quartett nach Basel zu bringen. Ob der mittlerweile ergraute Polyrhythmiker noch immer ordentlich auf die Pauke hauen mag, während seine Hände filigran über die Felle springen?

Und wie!

«Wir sind jung und wir spielen laut!» sagt der 60-jährige Bandleader nach den ersten zwei Nummern. Und grinst selber. Aber laut sind sie zu Beginn des Konzertabends tatsächlich, die vier Musiker. Was mystisch beginnt, mündet in furiosem Fusion-Sound, wie ihn Gurtu als Begleitmusiker von Joe Zawinul lange Zeit gepflegt hat.

Verblüffendes Multitasking

Der Sound in der Reithalle ist transparent, das Spiel in den Unisono-Passagen druckvoll und funky in den Grooves. Gurtus Begleitmusiker: Der Bassist Johan Berby, der E-Gitarrist Roland Cabezas und Carlo Cantini an Keyboard, Melodica und verstärkte Violine (deren Klang er durch Chorus-Effekte gerne fülliger gestaltet). Im Mittelpunkt steht, nein, sitzt aber für einmal der Perkussionist der Band. Die Augen sind auf Gurtu gerichtet, der schon in den 70er-Jahren die komplexe indische Rhythmik-Tradition mit zeitgemässer westlicher Musik kombiniert hat – quasi der Ravi Shankar des Jazzrock. Seine Spielweise erstaunt noch immer jeden klassischen Schlagzeuger: Gurtu verzichtet auf einen Stuhl, bedient Bass Drum und Hi-Hat auf dem Boden sitzend, während er wahlweise Tabla spielt, zu den Sticks greift oder alles miteinander kombiniert. Ein Multitasker par excellence.

Dass für ihn die Schlegel eine künstliche Verlängerung darstellen, hört man zwar hier und da heraus – den 12/8-Takt-Shuffle in «Monk-E-Dish» hätten Simon Philips, Steve Gadd oder Jeff Porcaro flotter und flüssiger dargeboten. Wenn aber Gurtu die Tablas pudert und dann im Stück «9 Horses» seine Finger dehnt, ehe er mit ihnen Rhythmen spielt, die den elektronischen «Drum’n’Bass» wie einen Slow Fox wirken lassen, ist man ihm völlig ergeben. Unglaublich faszinierend, wie elegant und leichtfingrig er über die Felle gleitet und all das in einem 9/4-Takt. Eine Information, die er «for the people from the Hochschule» anmerkt. Gurtu weiss um den musikpädagogischen Wert seiner Darbietung – und er hat zudem Humor. Was mich an ein Gespräch mit ihm erinnert, das ich vor 15 Jahren am Ufer des Genfersees führte. Mitten im Interview blickte er hoch, sah einen Zeppelin am Himmel und sagte: «Schau mal, Terry Bozzios Drum Set wird grad eingeflogen.» Herrlich, nicht wahr?

Grosses Fingerspitzengefühl

Im Unterschied zu Frank Zappas Drummer Bozzio setzt Gurtu nicht auf eine Materialschlacht: Hier einige Splash-Becken und ein Ride, dort Tablas, Shaker und dazwischen ein kleines Drum Set. Dieses Instrumentarium setzt er gezielt und vielseitig ein. Allein mit einem Blechdeckel und einem Wassereimer vermag er ausdrucksstarke, differenzierte Klangbilder zu malen. Wunderbar auch sein Fingerspitzengefühl auf den Tablas, derweil er mit den Handballen Zwischentöne anschlägt und einen furiosen indischen Rhytmus-Scat anstimmt. In sanfteren Nummern – etwa einer überaus stimmungsvollen Easy-Listening-Ballade, die harmonisch an Pink Floyds «Us & Them» erinnert und von einem herrlichen Melodica-Thema getragen wird, schnalzt er den Groove auch mal mit der Zunge. Stark.

Zum Schluss des mit langen, aber nicht langweiligen Instrumentalnummern bestückten Konzerts animiert der Wahl-Hamburger das Publikum zur ungeraden Metrik mitzuklatschen und mitzusingen – und führt vor, was man – wenn einem die Tablakunst zu fern ist – aus dem überaus populären Cajon herausholen kann – Sie wissen schon, diese mit Saiten versehene Holzbox, die immer öfter bei Unplugged-Konzerten zu hören ist. Gurtu spielt auch darauf mit beneidenswerter Leichtigkeit und grossem Gefühl für grandiose Grooves. Und beschliesst so diesen lehrreichen, eindrucksvollen und zugleich überaus unterhaltsamen Konzertabend.

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