«Cyclope» steht für ein Kunstwerk von Tinguely – und seit 2012 auch für ein circensisches Spektakel. Was im August, als dieser Artikel erschien, noch ein Gerücht war, ist nun fix: Die monströse Open-Air-Produktion macht im Sommer 2014 im Basler Hafen Halt.
Manche bezeichnen das Projekt als Tinguelys «Lebenswerk» – ganz sicher aber wurde es zu seinem Vermächtnis: Denn «Le Cyclope» sprengt in jedem Sinne den Rahmen dessen, was gemeinhin unter einer Skulptur verstanden wird. 22 Meter hoch ragt der einäugige Riese empor, 350 Tonnen wiegt das begehbare Eisenkonstrukt im Wald Milly-la-Forêt nahe Paris, mit dem der Basler Künstler sich selber übertraf.
Tickets für das «Open-Air-Spektakel» sind ab sofort erhältlich. Die Termine liegen zwischen dem 10. Juli und Ende September 2014.
Das Ergebnis seines tollkühnen Plans, das erst ein Vierteljahrhundert nach Baubeginn Anno 1969 vorlag, erlebte Tinguely allerdings nicht mehr: Er starb 1991, drei Jahre vor der Einweihung seiner monumentalen Plastik. Diese wurde posthum von seiner Partnerin Niki de Saint Phalle mithilfe vieler Weggefährten und Künstlerfreunde fertiggestellt: So kreierte etwa der Berner Bernhard Luginbühl eigens ein riesiges Ohr aus Alteisen für den «Zyklopen».
Die Rückkehr des Zyklopen: Ein künstlerisches Märchen
Dass jener metallene «Sprössling» des Ausnahmekünstlers 2012, also 18 Jahre später, zumindest indirekt in den Schoss der väterlichen Heimat zurückkehrte, verdankt sich dem Bieler Regisseur Philipp Boë sowie dem Musiker Markus Gfeller, die dem Werk mit dem Stück «Cyclope» ein ebenso kolossales Performance-Projekt widmeten:
Ein veritables Freiluftspektakel, das Elemente einer Konzert-Revue (in der Tradition von Karls Kühne Gassenschau) mit atemberaubender Nouvelle Cirque-Artistik und performativer Kunst-Installation vereinte. Und Hommage an Jeannots legendäre, grenzenlose Fantasie wie auch gleichzeitig eine kreative Weiterentwicklung seines Erfindergeists, hin zu neuen Ufern, sein sollte – kurz: selbst zum «künstlerischen Märchen, das Tinguely bestimmt gefallen hätte» mutierte, wie die Schweizer Presse nach der Premiere auf dem Bieler Expo-Gelände unisono jubelte.
Schauplatz der monumentalen Produktion: der Hafen?
Ein Märchen, das bald schon um ein Kapitel reicher sein könnte: Denn die Mammut-Produktion soll in naher Zukunft auch in Tinguelys Heimatstadt Basel gezeigt werden. Gegenüber der TagesWoche bestätigen mehrere Exponenten der Kulturstadt, die namentlich nicht genannt werden wollen, dass entsprechende Abklärungen in Gang seien: Als Schauplatz sei aufgrund der idealen Lage sowie dem industrie-romantischen Ambiente zurzeit der Rheinhafen im Gespräch.
Dass die Pläne für das Mega-Projekt bisher noch nicht publik gemacht wurden, hänge mit dessen Umfang zusammen: Im Vergleich zur letztjährigen, zweieinhalb Monate umfassenden Spielzeit der zwei Millionen Franken teuren Produktion, deren Bühnenbild auch eine 15-Meter hohe Nachbildung des «Cyclope» beinhaltet, wirke schliesslich sogar das Basler «Tattoo» plötzlich klein und überschaubar.
Trotz vieler Fragezeichen: Tinguely-Stadt Basel wäre «perfekt»
Mit der brodelnden Basler Gerüchteküche konfrontiert, bestätigt Christoph Rüdt, Medienverantwortlicher des Projekts, entsprechende Absichten. Als offizieller Veranstalter und Produzent fungiere dabei das Zürcher Show-Schwergewicht «Maag Music & Arts AG»: «Ja, es gibt diese Ideen und Pläne. Basel scheint uns als Tinguely-Stadt der perfekte Ort für die Produktion zu sein.»
Noch bestünden allerdings «viele Fragezeichen» in zentralen Punkten wie Platzevaluation oder Finanzierung. Gerade in der diffizilen Showbranche sei es ungeheuer wichtig, dass all jene Aspekte «unter Dach und Fach» seien, bevor man mit einem derartigen Gross-Projekt an die Öffentlichkeit trete: «Deshalb können wir zurzeit auch noch keine Details bekannt geben.»
Vorsichtiger Optimismus bei Maag und Tinguely-Museum
Rüdt zeigt sich aber zuversichtlich, dass man «allenfalls im Oktober» genauere Informationen kommunizieren könne: «Die Zeichen für eine Realisierung stehen zurzeit jedenfalls nicht schlecht», verrät er. Auch beim Basler Museum Tinguely gibt man sich zurzeit noch bewusst bedeckt.
«Selbstverständlich warten wir die offizielle Bekanntgabe des Veranstalters ab, bevor wir uns öffentlich zum Projekt selbst oder sogar zu einer allfälligen Kooperation äussern», betont Andres Pardey auf Anfrage der TagesWoche amüsiert. Immerhin lässt sich der zurzeit im Urlaub weilende Museums-Vize zum Thema aber bereits soviel entlocken: «Ich persönlich fände es natürlich super, wenn die Produktion nach Basel käme.»
Quellen
Weitere Informationen über die Bieler Uraufführung finden sich auf der Cyclope-Homepage.
Artikelgeschichte
Der Artikel wurde mittlerweile um eine Stellungsnahme des Basler Tinguely-Museum ergänzt.