Die Ausstellung «Schuldig» veranschaulicht in der Barfüsserkirche anhand Dutzender historischer Fälle unterschiedliche Formen von Delikten und Bestrafungen und stellt dabei Fragen zur Entwicklung der Rechtssysteme.
Im Jahr 1482 verkündete der Slawe Andrea Zamometic, seines Zeichens Erzbischof von Krain und Kardinal von San Sisto, in Basel ein Konzil gegen Papst Sixtus IV. Der Kaiser nötigte die Basler, Zamometic festzunehmen. Zwei Jahre lang blieb er im Spalenschwibbogen eingekerkert. Am 13. November 1484 fand man ihn erhängt in seinem Verlies auf – er hatte wohl Selbstmord begangen.
Selbstmörder wurden in Basel im 15. Jahrhundert in ein Fass geschlagen und in den Rhein geworfen. Ein kirchliches Begräbnis wurde ihnen verweigert, denn Selbstmord galt über Jahrhunderte hin als Verbrechen.
Der Fall von Andrea Zamometic ist nur einer von rund 30 Fällen, anhand derer das Historische Museum Basel Strafmethoden vergangener Jahrhunderte thematisiert. Der Fall verdeutlicht zudem, wie sehr sich manche Anschauungen über die Zeit verändert haben. Jede Epoche und jede Kultur definiert ein Delikt anders. Selbsttötung ist nur ein Beispiel dafür.
Und so erzählt uns die Ausstellung «Schuldig» manch eine Geschichte, die wir aus heutiger Sicht als absurd einschätzen würden. 1474 beispielsweise wurde in Basel ein Hahn geköpft, weil er ein Ei gelegt hatte. Man hatte Angst, dass aus den Eiern Basilisken schlüpfen würden. Überhaupt waren im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit Tiere Rechtssubjekte. Gegen sie wurden Prozesse gefüht, sie trugen moralische Verantwortung und waren schuldfähig.
Auch die sogenannten Gottesurteile – eine überirdische Macht sollte über Schuld oder Unschuld eines Menschen entscheiden – entlocken uns heute nur noch Kopfschütteln. Berühmtester Basler Fall ist hier wohl die Kaiserin Kunigunde, die, weil ihr Mann Heinrich II. sie der Untreue bezichtigte, über glühende Pflugscharen schreiten musste. Weil sie dies heil überstand, galt ihre Unschuld als bewiesen.
Kulturelle Prägung
Die Ausstellung ist aber nicht nur eine historische Kuriositätensammlung. Sie will uns vor allem zeigen, wie schnell Einschätzungen und Urteile ändern können, wie sehr die Rechtssprechung kulturell und gesellschaftlich geprägt ist. Ausgehend davon bleibt nur die Definition des Wortes «kriminell» gleich: Kriminell sind Menschen, welche die gesellschaftliche Ordnung stören. Diese wiederum ist starken Veränderungen unterworfen.
Die präsentierten Fälle fungieren dabei wie Schlagworte, die unterschiedliche Delikte veranschaulichen – von der Homosexualität über Hexerei und Verkehrsdelikte bis zum heutigen Phänomen des Hooliganismus. Manche Fälle sind bekannt, wie jener der Bankräuber Sandweg und Velte, von vielen aber hat man noch nie gehört.
Neben den Straffälligen beleuchtet die Ausstellung auch das System der Sträfer, von der Folter bis zur Todesstrafe und zur heutigen Polizei. Dass die Auffassungen bezüglich Bestrafung immer auch variierten, zeigen unterschiedliche Publikationen aus mehreren Jahrhunderten.
Und nicht fehlen dürfen schliesslich auch einige Exponate, die uns manchen Schrecken greifbar vor Augen führen. So dünkt uns die in Originalgrösse nachgebaute Zelle aus dem Basler Gefängnis «Schällemätteli» doch ziemlich eng, und auch in der Einzelhaftzelle möchten wir lieber nicht stehenbleiben müssen. Die Guillotine flösst uns Respekt ein, und in einer nachgebauten Trülle, einem runden Pranger, dürfen wir für kurze Zeit selbst die Schande spüren, wenn wir das wollen.
Aktuelle Diskussion
Genau betrachtet liefert «Schuldig» ein reichhaltiges historisches Fundament für heute aktuelle Diskussionen. Wer Zeitungsberichte zum Thema Kriminalität sammle, verfüge bald über einen ziemlich hohen Stapel, bemerkte Vizedirektorin Gudrun Piller. Ein reiches Begleitprogramm habe sich deshalb angeboten. Und so werden während der sechsmonatigen Ausstellungsdauer verschiedenste Leute über die unterschiedlichsten Aspekte von Justiz und Straflehre diskutieren.
In der Tat könnte man anmerken, dass der Ausstellung ohne diese Veranstaltungen die Verankerung in der Aktualität fehlt. Wobei dieser natürlich auch immer über die Besucher hergestellt wird, die ihre subjektiven Erfahrungen mitbringen. Damit liegt «Schuldig» genau auf der Linie, die die neue Direktorin Marie-Paule Jungblut für das Museum einschlagen möchte – obwohl sie selber bei der Planung und Umsetzung der Ausstellung noch nicht mitgetan hat.
- Historisches Museum Basel, Barfüsserkirche. 20. September bis 7. April 2013. Begleitprogramm unter www.hmb.ch. Vernissage Mittwoch, 19.9., 18 Uhr.