Eine Ausstellung wie ein Internet-Buchstabensalat

«MBCBFTW» heisst ein Kunstwerk, das 1996 im Netz entstand und seither etliche künstlerische Reaktionen provoziert hat. Olia Lialina, Autorin des ursprünglichen Werkes, hat für das HeK eine Auswahl der Arbeiten zusammengestellt.

Eine Geschichte, online erzählt: Olia Lialinas «MBCBFTW».

 

(Bild: ©Olia Lialina)

«MBCBFTW» heisst ein Kunstwerk, das 1996 im Netz entstand und seither etliche künstlerische Reaktionen provoziert hat. Olia Lialina, Autorin des ursprünglichen Werkes, hat für das HeK eine Auswahl der Arbeiten zusammengestellt.

Vor zwanzig Jahren schuf die russische Künstlerin Olia Lialina ein Stück Netzkunst mit dem Titel «MBCBFTW», was voll ausgeschrieben «My Boyfriend Came Back From The War» bedeutet. Im Haus der elektronischen Künste Basel (HeK) kann man dieses Werk nun sehen. Es besteht aus einer Website, welche die Geschichte eines Paares erzählt, das nach einem nicht näher bezeichneten Krieg wieder vereinigt wird. Er will heiraten, sie gesteht eine Affäre. Zusammengestellt wird die Story mehr oder weniger zufällig durch die Interaktion des Betrachters, der sich von Textfragment zu Bild zu Textfragment klickt. Den Verlauf der Geschichte bestimmt der Computer.

Ich klicke also und lese:

«Will you marry me?»

«don’t»

«kill»

Wäre die Geschichte des Werkes nicht im Saaltext beschrieben, bliebe ich wohl ratlos zurück.




(Bild: ©Olia Lialina)

Die Bilder und Textfelder laden schmerzhaft langsam, Pixel so gross wie Fussbälle. Internet-Kunst aus einer Zeit, als man nicht gleichzeitig telefonieren und surfen konnte. Netscape Navigator, Yahoo, AOL, kaum sieht man die vertrauten Symbole, kommt so etwas wie beschmutzte Nostalgie auf. Wie lustig das Netz damals doch war und wie untauglich für alles, was wir uns heute gewöhnt sind. Wie Lialina selber sagt: Was scheinbar so dilettantisch daherkam – die ganze schrottige Ästhetik –, war für die Popularisierung des Internets entscheidend, wo sich jeder in Kürze und gratis eine Geocities-Website erstellen konnte. Demokratie ist dann, wenn alle einen Blog haben.

Diesen frühen Blogs ist im HeK nun ein ganzer Raum gewidmet, und sie werden – man staune – in Form einer Diaprojektion gezeigt. Wo einmal Websites waren oder hätten werden oder sein sollen, sind nun nur mehr die letzten Entschuldigungen der abwesenden Blogger zu sehen. Manchmal ein liebevolles «Sorry», manchmal in Form eines Mittelfingers.

26 Rezeptionen

Olia Lialinas «MBCBFTW» hat sich rasch als Vorzeigewerk der «net art» etabliert und wurde seither etliche Male zitiert, neukonzipiert und von anderen Künstlern in eigenen Werken verarbeitet. Eine Website listet ganze 26 verschiedene Reaktionen auf. Lialina hat diese gesammelt und für das HeK eine Auswahl von 13 Arbeiten zusammengestellt. Die meisten davon sind ganz bewusst im Stil des frühen Internets gehalten, voll mit Codezeilen und einer Ästhetik, die in Rot auf Schwarz oder Orange auf Blau und in Textform gehalten ist – zwischen geheimnisvoll und gänzlich kryptisch.

Man findet unter den ausgewählten Anworten auf das Original unter anderem die Version des Künstlerkollektivs JODI, das «MBCBFTW» mit «Wolfenstein 3D», einem der ersten Shootergames überhaupt, kombiniert, oder eine dreidimensionale Version der Website, die man mit blauroter Brille auf dem Kopf drehen und wenden kann. Auf einem weiteren Bildschirm kann man Guthrie Lonergans Burger mit dem Finger vervielfachen – es macht «Plopp» – und sie dann fressen – «Kchrsch». Was das mit dem Vorbild zu tun hat, wird allerdings nicht ganz klar.

Burger? Der Zusammenhang erschliesst sich nicht wirklich. (Bild: ©Guthrie Lonergan)

Die analogisierte Nacherzählung mit Post-its als Super-8-Film wiederum, in der Freya Birren die US-amerikanische Besatzung des Irak thematisiert, erweist dem erwähnten Krieg eine konkrete Reverenz. Durch den Film wird die Erzählung verlangsamt und die Reihenfolge vorgegeben. Die rosa Post-Its geben der Geschichte eine Intimität, die der fast brutalen Schwarz-Weiss-Ästhetik der Originalarbeit entgegengesetzt ist.

Die gesammelten Reaktionen gehen mit dem Thema sehr unterschiedlich um. Manche sprechen die Technik an, manche gehen von der Sprache aus, andere benutzen den nicht definierten Konflikt als Ausgangspunkt oder schicken Don Quixote in den Krieg. Wer sich auf die Entdeckungsreise einlässt, bekommt viel zu sehen, braucht jedoch auch Geduld. Es dauert eine Weile, bis man die vielseitigen Arbeiten und Kontexte verstanden und entwirrt hat.

Erschwerend kommt dazu, dass bei meinem Besuch leider fast keine der interaktiven Installationen funktioniert. Ich klicke und drücke, drehe und schüttle, und doch tut sich nichts. Schade, gerne hätte ich zur Auflockerung Lialina ein wenig durch Wolfensteins Bunker gejagt!

Ich verklemme es mir am Schluss, ein T-Shirt von Mark Wirblich zu kaufen. «My Boyfriend Came Back From The War And All I Got Was This Stupid T-Shirt». MBCBFTWAAIGWTST-S – der Gag ist so alt wie das Internet.

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Im HeK (Haus der elektronischen Künste Basel) flackert «MBCBFTW» noch bis zum 20. März 2016 über alte Röhrenbildschirme.

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