Eine göttliche Komödie

Was ist passiert? Nichts – und viel zugleich. So etwas schaffen nur die Gegner und Macher des Basel Tattoo – und tragen so zur allgemeinen Belustigung bei. Eine Komödie in drei Akten.

Die Anwohner Thomas Mächler und Anita Lachenmeier wollen schriftlich sehen, was bereits beschlossen ist: Kein WC-Häuschen darf mehr auf dem Rasen stehen. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Was ist passiert? Nichts – und viel zugleich. So etwas schaffen nur die Gegner und Macher des Basel Tattoo – und tragen so zur allgemeinen Belustigung bei. Eine Komödie in drei Akten.

Personen / Akteure

Thomas Mächler, Chefbeamter, «Heb Sorg zum Glaibasel»

Anita Lachenmeier, Grossrätin Grüne, «Heb Sorg zum Glaibasel»

Erik Julliard, Chef Basel Tattoo

Der Staat, Entscheidungsträger

Schnitzelbank Schwoobekäfer, Spiegel der Gesellschaft

Ganz Basel, die Bevölkerung

Die Medien, Chronisten

Sämtliche Szenen spielen im Hof der Kleinbasler Kaserne oder an Schreibtischen, wobei sich auch dann alles um den Hof der Kaserne dreht, weshalb die Schreibtisch-Standorte unwichtig sind

ERSTER AKT

Erste Szene

Anita Lachenmeier und Thomas Mächler treten auf. Es ist Sommer.

Lachenmeier (schockiert): Thomas!

Thomas (vehement): Anita!

Vor ihnen stehen WC-Häuschen auf dem Rasen. In Basel findet mit dem Basel Tattoo gerade ein Mega-Event statt, dessen Zuschauer auch mal müssen. 

Lachenmeier: Das letzte Stück Grünfläche weit und breit – und was tun sie? WC-Häuschen drauf stellen! Und alles nur wegen diesen Militärmusikanten.

Mächler (nachdenklich): Eine Schande für unser Quartier. Wir müssen handeln!

Lachenmeier (den Tränen nah): Thomas, was kann man da noch machen?

Mächler (feierlich-resolut): Wir sagen dem Basel Tattoo den Kampf an!

Lachenmeier (voller Hoffnung): Ich pausiere als Pazifistin und ziehe mit dir in den Kampf, Thomas. Mit dir – und den anderen Hintergangenen.

Zweite Szene, einige Monate später

Erik Julliard hält eine Hiobsbotschaft in der Hand. Absender: der Staat.

Julliard (Selbstgespräch): Verdammt! Eine Einsprache gegen den grössten Event weit und breit? Gegen das zweitgrösste Tattoo der Welt? Gegen mich? Wegen ein paar WC-Häuschen!

Ein juristisches Hick-Hack beginnt. Nach langem Hinundher gewinnt das Komitee «Heb Sorg zum Glaibasel»: Die Bewilligung für das Basel Tattoo 2012 sei nicht rechtmässig erteilt worden, entscheidet die Baurekurskommission – und heisst die Rekurse von Lachenmeier, Mächler und Konsorten gegen die Bewilligung für das Tattoo 2013 gut. Das juristische Hick-Hack geht weiter.

Dritte Szene

Es ist Winter. Es bleibt Winter.

Schnitzelbank Schwoobekäfer: D Frau Lachemeier het doch au emol in d Zytig welle, drum loot si niemerts AB-Hyysli vor d Kasärne stelle. Si meint, die Schyssi-Strategie syg ganz speziell gerisse. Derbyy dunggts mi doch eenter, däre heigs ins Hiirni gschneyt.

Anita Lachemeier gehört zu den Top-Sujets der Fasnacht 2013. Was sie noch nicht weiss: Sie wird die Fasnacht höchstwahrscheinlich auch 2014 dominieren.

ZWEITER AKT

Erste Szene

Erik Julliard hält eine Botschaft in der Hand. Absender: der Staat. Es sollte eigentlich schon Frühling sein.

Julliard (Selbstgespräch): Wältklass! Die Vernunft hat gesiegt. Etwas ärgerlich zwar, dass diese kleingeistigen Querulanten einen Teilsieg errungen haben, wichtig ist aber nur eins: Wir haben die Bewilligung!

Zweite Szene

Mächler (Selbstgespräch): Ha, wir lassen uns doch nicht für blöd verkaufen! Was hat schon die Medienmitteilung des Baudepartements zu bedeuten, wo es klar und deutlich heisst, das Tattoo dürfe nur unter der Bedingung stattfinden, dass «die Rasenfläche nicht belegt wird und keine chemischen Toiletten eingesetzt werden»? Exakt das haben wir zwar gefordert, zu bedeuten hat eine staatlich abgesegnete Medienmitteilung aber noch gar nichts. Ich will die Original-Bewilligung samt allen Sonderauflagen schwarz auf weiss sehen. Den Rasen geb ich nicht mehr her!

Thomas Mächler und das Komitee «Heb Sorg zum Glaibasel» reichen «vorsorglich» einen neuen Rekurs gegen die neue Bewilligung fürs Tattoo ein.

Ganz Basel: HABEN WIR DENN KEINE ANDEREN PROBLEME IN DIESER STADT?

Julliard (Selbstgespräch, wütend): Ich bin enttäuscht! Ich bin enttäuscht! Ich bin so etwas von enttäuscht!

Julliard greift in die Tasten. Er verschickt eine Mitteilung an die Medien. Inhalt: Die Rekurrierenden wollten nur eins: das Tattoo verhindern. Das WC-Häuschen-Argument sei nur Vorwand gewesen.

Dritte Szene

Die Medien: Frau Lachenmeier, warum haben Herr Mächler und Sie erneut Beschwerde eingereicht?

Lachenmeier: Ich weiss von nichts, ist doch alles gut jetzt, wir haben den Kampf gewonnen.

Die Medien (mit Nachdruck): Aber Sie haben Beschwerde eingereicht!

Lachenmeier: Nein, da muss ein Missverständnis vorliegen.

Recherchen ergeben: Es liegt kein Missverständnis vor. Thomas Mächler tritt auf.

Mächler: Die Kommunikation in unserer Protest-Gruppe könnte besser sein, wichtig ist aber, dass wir einen Fuss in die Tür gesetzt haben – denn heutzutage muss man mit allem rechnen, da bleibt einem nichts anderes übrig als auch mal vorsorglich zu rekurrieren, schliesslich müssen meine Kollegen auch genug Arbeit haben. Und: Schauen Sie nur, was da auf der Website des Tattoo steht: «Das Basel Tattoo wird sich weiterhin gegen eine Umplatzierung der Toilettenanlagen wehren (…) und den Entscheid der Baurekurskommission weiterziehen

Recherchen ergeben: Es handelt sich dabei um eine uralte Meldung, die einen anderen Entscheid betrifft. Aktuell ist: Das Tattoo findet sich mit den WC-Auflagen ab, zähneknirschend, aber es findet sich ab.

Mächler (Selbstgespräch, voller Skepsis): Das mag sein, aber was, wenn in der Bewilligung nichts von der Rasenfläche steht? Wenn für die Militärmusikanten doch noch die Möglichkeit besteht, einen Zipfel des Rasens zu beanspruchen? Ich will es schwarz auf weiss!

Der Staat: Für Akteneinsicht wäre kein Rekurs nötig, ausserdem stimmt, was wir bereits in der Medienmitteilung geschrieben haben – der Rasen muss unberührt bleiben. Und keine WC-Chemie!

DRITTER AKT

Erste Szene

Die «aufschiebende Wirkung» macht das Chaos perfekt: Der Staat schreibt versehentlich, eine solche käme dem neusten Rekurs zu. Aber eben, nur versehentlich.

Der Staat: In der Bewilligung steht, dass die aufschiebende Wirkung im Falle eines Rekurses entzogen wird. Und das ist, was zählt.

Ganz Basel: Was soll das jetzt heissen?

Die Medien: Dass alles ist, wie es vorher war. Und der neuste Rekurs zu 99,999999 Prozent keinen Einfluss auf das Tattoo haben wird.

Ganz Basel: Das Tattoo 2013 wird also stattfinden?

Die Medien: Aber sicher!

Ganz Basel: Und was ist mit den WC-Häuschen?

Die Medien: Die sind aus Bio und stehen auf Beton.

Zweite Szene, Zukunft

Thomas Mächler und Anita Lachenmeier erhalten Akteneinsicht. Zur Feier des Tages gehen sie auf die Kasernenwiese und essen eine Glacé mit biologisch abbaubarem Stängel.

Lachenmeier (nostalgisch): Hier werden also die neuen WC-Häuschen stehen.

Mächler: Nein, dort!

Lachenmeier (den Tränen nah): Dort? Auf diesem schönen Stück Beton?

Mächler (kämpferisch): Ja. Aber ich habe eine Idee.

Die Handlung basiert auf wahren Begebenheiten, doch nur ein Bruchteil der Dialoge wurde in exakt diesem Wortlaut geführt – dem Sinn nach stimmen sie jedoch voll und ganz.

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