Eine launige Liebeskomödie in wundervoller Umgebung

Das Theater Basel eröffnet seine Spielzeit früh mit einer launigen Inszenierung von Shakespeares Liebeskomödie «Was ihr wollt» im Römertheater Augusta Raurica.

«Ausrotten werd ich dieses Pack!» Die Liebe findet ihr Ziel nicht bei allen (Barbara Horvath, Max Rothbart, Nicola Kirsch Thiemo Strutzenberger und Steffen Höld in Shakespeares «Was ihr wollt»).

(Bild: Simon Hallström)

Das Theater Basel eröffnet seine Spielzeit früh mit einer launigen Inszenierung von Shakespeares Liebeskomödie «Was ihr wollt» im Römertheater Augusta Raurica.

Mit der Liebe ist es so eine Sache bei Shakespeare. Sie endet wegen äusserer Widerstände im tragischen Verderben, wie bei «Romeo und Julia». Oder sie verstrickt sich in heillose Irrungen und Wirrungen, wie bei den wunderbaren Komödien. So etwa in «Was ihr wollt», das als vorgezogene Spielzeiteröffnung des Theater Basel im Römertheater in Augusta Raurica Premiere hatte.

Der Titel «Was ihr wollt» ist hier erst einmal ganz und gar nicht Programm. Denn die Liebenden in diesem Stück bekommen bis ganz zum Schluss alles andere als das, was sie eigentlich wollen. Orsino liebt Olivia (die ihn verschmäht), Olivia liebt Cesario, (den sie nicht haben kann), Cesario liebt Orsino (geht auch nicht wirklich), Antonio liebt Sebastian (das geht schon gar nicht), Sebastian liebt eigentlich gar nicht, bekommt aber zum Schluss Olivia zur Frau.

Und da gibt es noch die tölpelhaften Nebenfiguren, die, wie in Shakespeares Komödien üblich, ganz schön hauptfigurig sind. Auch Sir Andrew Leichenwang liebt Olivia, ebenso wie Haushofmeister Malvolio, die aber beide chancenlos in der Lächerlichkeit verenden, während Sir Toby Rülps es auf das Geld von Olivia und auf die Kammerzofe Maria abgesehen hat, die er irgendwie so halb kriegt. Nur der Narr bleibt für sich allein das, was er ist.

Irrungen und Wirrungen zwischen Geschlechtern

Dieser Reigen klingt eigentlich schon kompliziert genug. Kommt dazu, dass in dieser Aufzählung von Männlein und Weiblein die heterogene Ordnung ganz schön durcheinander gerät. Cesario liebt Orsino, Olivia begehrt Viola? Das liegt nicht daran, dass Shakespeare hier eine Ode an die Bisexualität geschrieben hat, sondern an der Tatsache, dass Cesario eigentlich Viola ist, die aber als Fremde im Reich des Herzogs Orsino in die Rolle eines jungen Manns schlüpft.

Aber die Geschichte impliziert natürlich homoerotische Züge. Regisseurin Julia Hölscher kehrt diese denn auch ziemlich deutlich, aber unaufdringlich heraus. Herzog Orsino (Thiemo Strutzenberger) ist ein tuntenhafter Langweiler, dessen Liebesschmerz zum Lebensinhalt geworden ist. Und als abgewiesener Liebender sucht er die Nähe zu seinem neuen Diener, eben dem Frau-Mann Viola/Cesario (Lisa Stiegler), was wiederum dessen (oder deren) innige Liebe weckt.

In der Beziehung zum Herrn ist Cesario also oberflächlich schwul. Kommt aber dazu, dass Olivia sich unsterblich in den androgynen Halbstarken verguckt, was unter der Oberfläche der Verkleidung zum Mann ein lesbisches Begehren entstehen lässt.

Ein starkes Ensemble

Viola ist sicher eine der schönsten Frauenfiguren, die Shakespeare geschaffen hat – gerade weil sie die allermeiste Zeit als Mann agieren muss. Mit Lisa Stiegler ist die Figur wunderbar besetzt. Ein burschikos androgynes Wesen wirbelt da im weiten Rund des Römertheaters in Augusta Raurica herum, das als Mann ebenso viel erotische Faszination ausstrahlt wie als Frau. Geradezu aufreizend ist die Art und Weise, wie sie sich gegen die Liebe der Frau (ein starker Auftritt von Barbara Horvath als Olivia) wehrt und doch zu ihr hingezogen fühlt. Und sich umgekehrt unsterblich in den Mann verliebt, den sie aber – in der Männerrolle gefangen – verschmähen muss.

Wir haben hier das weite Rund des Römertheaters erwähnt: Dieser Spielort ist einer der Hauptattraktionen des Abends. Regisseurin Julia Hölscher und Bühnenbildner Paul Zoller haben die Seiten umgekehrt. Die Zuschauer sitzen (nicht gerade bequem) auf einer Tribüne an der Bühnenseite, gespielt wird in der riesigen Zuschauerarena, die mit den baumbestandenen Emporen an diesem schönen Sommerabend eine wundervolle Kulisse abgibt.

Fast ist man geneigt zu sagen, dass hier die antike und natürliche Umgebung das Fiktionale, nämlich das Stück selber, toppt. Wie sich der Abend vom sonnenbeschienenen frühen Abend in die Dämmerung zieht und schliesslich im Dunkel der Nacht endet, ist ein Genuss. Das zurückhaltende Gitarrenspiel von Michael Wächter gibt den stimmigen Soundteppich dazu ab. Dazu der Mond, der mehr und mehr zu leuchten beginnt und der, weil er arg rechts am Himmel hängt, immer wieder vom eigentlichen Geschehen auf der frontalen Spielstätte ablenkt.

Überbordende Slapstick-Einlagen

Doch zurück zum Stück. Julia Hölscher versucht gar nicht, der Komödie einen irgendwie gearteten aktuellen, gesellschafts- oder sonstwie kritischen Bezug überzustülpen. Die Liebenden dürfen nach Herzenslust lieben – und das zwischen und immer wieder auch auf zwei riesigen Herz- und Magenkissen, die als einzige Bühnenaufbauten in der Arena herumgezogen werden. Und die Tölpel dürfen ebenso herzhaft tölpeln. So wie es das Publikum bei dieser Komödie eben will. Und das in skurrilen Fantasie-Kostümen (Kostüme: Esther Bialas), die eine Mischung von Hippie-Look, Renaissance-Fummel und Schotten-Tracht sind.

Hölscher steht ein wundervoll aufspielendes Ensemble zur Verfügung, das an seine Grenzen – und zuweilen auch etwas darüber – geht. Die beiden ewig betrunkenen Ritter Sir Toby (Florian von Manteuffel) und Sir Andrew (Elias Eilinghoff) chargieren was das Zeug hält. Dazu kommt mit dem widerwärtigen Haushofmeister Malvolio (Steffen Höld) die grosse tragikomische oder komisch-tragische Nebenfigur ins Stück, die auf jammervolle Weise der Lächerlichkeit preisgegeben wird.

Über weite Strecken ist das Spiel dieser komischen Nebenfiguren, zu denen sich auch noch die Intrigen spinnende Kammerzofe Maria (Nicola Kirsch) und der närrische Sprachakrobat Feste (Myriam Schröder) gesellen, herrlich anzuschauen. Aber nicht immer gelingt es ihnen, die Chargierlust zu zügeln, was dazu führt, dass sich gewisse Slapstickszenen auch zerdehnen.

Ein langer Abend

Ganz allgemein hat der erfrischend-spritzig daherkommende Theaterabend den Makel, dass er etwas zu lang geraten ist. Das macht sich nicht zuletzt dadurch bemerkbar, dass sich auf den harten Stufen der Zuschauertribüne mit der Zeit gewisse Verkrampfungserscheinungen im Rücken und Gesäss einzustellen beginnen. Der Zuschauer, der nach der Vorstellung im Shuttle-Bus zurück zum Bahnhof Kaiseraugst frohlockte, dass er endlich wieder über einen bequemen Sitz mit Lehne verfügen darf, dürfte wohl vielen Anwesenden aus der Seele gesprochen haben.

Alles in allem ist es aber ein Genuss, den einzigartigen Sprachspielereien Shakespeares zuzuhören. Und dem Ensemble zuzuschauen, das sich in der vergangenen Spielzeit bereits tief in die Herzen des Publikums hat spielen können. Und das an dieser Spielzeiteröffnung grosse Lust auf mehr Theater mit ihm gemacht hat.

Theater Basel: «Was ihr wollt» von William Shakespeare. Im Römertheater Augusta Raurica (später in der Spielzeit im Foyer des Stadttheaters). Die nächsten Vorstellungen: 16. und 18. August.

Nächster Artikel