Einmal Liebe mit allem – dafür erhält Monique Schwitter den Schweizer Buchpreis

Monique Schwitter beweist mit «Eins im Andern», dass sich die Liebe erzählen lässt, ohne Partnerschaftspathos und Geschlechtergeplänkel. Zurecht gewinnt sie dafür den Schweizer Buchpreis.

Erzählt von der Liebe wie keine andere: Monique Schwitter.

(Bild: Matthias Oertel)

Monique Schwitter hat mit «Eins im Andern» eine Liebesgeschichte geschaffen, die über das übliche Geschlechtergeplänkel hinausgeht. Und beweist damit: Auch kleine Liebesgeschichten haben das Zeug zu grosser Literatur. Zurecht gewinnt sie dafür den Schweizer Buchpreis.

Mit Liebesgeschichten ist es so eine Sache. Sie können noch so wuchtig und anspruchsvoll sein, ihr Handlungsstrang ist meist auf ein paar wesentliche Punkte beschränkt: Lebewesen trifft Lebewesen, sie verlieben sich, es geht hoch hinaus und tief hinunter. Am Ende haben sich die Lebewesen gefunden – entweder einander oder sich selbst, in den Armen Dritter. Diese Geschichten haben einen Anfang und ein Ende, so wie das Geschichten eben haben müssen. So wie das die Liebe, wenn sie erzählt werden will, eben haben muss.

Oder?

Nein. Und Monique Schwitters neuer Roman ist das momentan beste Beispiel dafür. «Eins im Andern» erzählt die Liebe, so, wie sie das Leben hindurch tatsächlich gefühlt wird: bruchstückhaft, launisch, verworren, ohne Zeit und Raum und roten Faden. Die Aussage des Romans ist zugleich seine Geschichte, seine Aufgabe die Aufgabe der Protagonistin: Eine Autorin, die versucht, ein Buch über die Liebe zustande zu kriegen, darüber «wo sie hingeht, wenn sie geht». Etwas gar tief in die Pathos-Tasche gegriffen, zugegeben. Aber das verzeiht man Schwitter, spätestens dann, wenn die Erinnerungen kommen und zeigen, dass die Frage genau die richtige war.

Was soll der fliegende Pinguin mitten in der Stadt?

Denn die Suche nach dem Plot führt die Protagonistin in ihre Vergangenheit, zu zwölf verflossenen Lieben, denen sie die Namen der zwölf Apostel gibt. Zwölf Apostel, von denen einer sie verraten wird, davon geht sie aus – denn jeder ist sich selbst der Nächste, auch in der Liebe, die Schwitter hier zeichnet: Eine moderne Liebe mit offenen Suchtproblemen, Affären und Hintergedanken. Aber auch eine Liebe, die allgegenwärtig und zeitlos ist, eine Liebe, die sich mal ganz leicht, mal beissend hart um die zwölf Apostel windet, auch dann noch, wenn die Beziehungen längst vorbei sind.

Dieses Gefühl bringt Schwitter meisterhaft auf den Punkt, indem sie die Erinnerungen der Protagonistin mit deren Gegenwart verwebt. Die Zeiten vermischen sich, man treibt mit der Protagonistin durch Lebenssituationen, von der Studentenbude ins traute Heim und wieder zurück. Man wiegt sich in der Wirklichkeit, selig, bis die Tagträume einfallen – was soll plötzlich dieser fliegende Pinguin mitten in der Stadt? – und man langsam dahinterkommt: Das ist die Wirklichkeit, präziser geht es kaum. Realität besteht nicht aus kalten Fakten und Stringenz, genauso wenig wie die Liebe jemals anfängt oder abbricht. 

Schwelgen in Schulkindermomenten

«Denn die Regel lautet nicht: Lies, was du glaubst, dass da steht, sondern: Lies was da steht. Und solches Lesen ist – wir erinnern uns an die glücklichen Momente als Schulanfänger, die noch Wort für Wort entdeckten – ausschliessend», meint die Protagonistin, kurz bevor sie an eine Lesung muss. Und spricht dabei – nicht zum ersten Mal, ähneln sich Monique Schwitter und ihre Protagonistin doch auffällig – für die Autorin: Mit jedem Apostel liefert Schwitter ein Gewitter von Schulkindermomenten. Bruchstücke, die Entdeckung zulassen.

Monique Schwitter verhilft den Worten aus ihren starren Kleidern, so nachhaltig, dass man bald nicht mehr weiss, was war und was ist. Ist auch egal, sagt uns die Autorin: Es gibt kein Damals und kein Heute, alles ist jetzt. Und alles hängt mit der Liebe zusammen. Wir sind Ergebnis unserer Beziehungen, sie machen unsere Existenz aus.

Wo geht die Liebe hin, wenn sie geht? Sie geht nirgends hin, sie ist immer da, ohne Anfang und ohne Ende. Dank Schwitter jetzt auch in einem Buch. Und seit Sonntag in einem preisgekrönten Buch.

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Monique Schwitter, «Eins im Andern», Literaturverlag Droschl, 2015.

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