Elefantenhochzeit unter mächtigen Freunden

Werbung für beide Parteien: U2 und Apple wollen die Art, wie man dereinst Musik hören wird, verändern. Mit einem Gratis-Album fangen sie an: «Songs Of Innocence», das neue Album der Iren, ist seit gestern für iTunes-Nutzer umsonst verfügbar.

Geübt in gegenseitigem Product Placement: Apple und U2.

Werbung für beide Parteien: U2 und Apple wollen die Art, wie man dereinst Musik hören wird, verändern. Mit einem Gratis-Album fangen sie an: «Songs Of Innocence», das neue Album der Iren, ist seit gestern für iTunes-Nutzer umsonst verfügbar.

Hier dürfte sich ein neuer Download-Rekord in der Geschichte von iTunes anbahnen: Die «grösste Album-Veröffentlichung aller Zeiten» wurde «Songs Of Innocence», das neue, 13. Studioalbum des irischen Quartetts U2, am Tag der Veröffentlichung genannt. Die Prognose stammt weder von einem Kritiker noch von den PR-Beauftragten der Band, sondern von Tim Cook, Chef der Partnerfirma von U2, Apple.

Eines der weltweit grösste Unternehmen und eine der grössten Rockbands der Gegenwart haben gestern ihre Elefantenhochzeit vorgestellt: Die Präsentation der neusten Apple-Gadgets – des iPhone 6, der Apple-Watch und des Bezahlsystems Apple Pay – krönten U2 mit einem Kurzauftritt, an dem sie nicht nur neues Material spielten, sondern es zugleich als Geschenk anboten: «Songs Of Innocence» ist ab heute gratis zum Download verfügbar. Weltweit und für jedermann – sofern man über einen iTunes-Account verfügt.

Bevor das Album in den regulären Handel geht, ist es während fünf Wochen nur für Apple-Nutzer verfügbar. Wie viel Apple für den Coup an Universal Music, die Plattenfirma von U2, überweisen musste, ist nicht bekannt.

Werbung für beide Parteien

Es dürfte allerdings ein Abschlagpreis gewesen sein, da beide Seiten profitieren: Apple dekoriert seine neuesten Produkte mit einem schwergewichtigen Namen, U2 kann sich einer grosser Streuung ihres neuen Albums sicher sein, die den einen oder anderen Kauf ihres Backkatalogs via iTunes zur Folge haben wird.

Kommt hinzu, dass man sich kennt und schätzt: U2-Sänger Bono Vox und der 2011 verstorbene Apple-Chef Steve Jobs waren Freunde, ausserdem bedeutete der gestrige Auftritt auch die Feier eines kleines Jubiläums: 2004, vor zehn Jahren, traten U2 bereits an einer Apple-Gala auf, wo ebenfalls ein neues Produkt vorgestellt wurde: der iPod. Der galt damals als revolutionär und hat unsere Hörgewohnheiten nachhaltig verändert. Dessen Zeit ist bereits vorüber.

Danger Mouse hat das Album produziert

Ob der ganzen Aufmerksamkeit für neue Produkte, neue Vertriebskonzepte und elefantöse Freundschaften ging etwas unter: Dass U2 mit «Songs Of Innocence» nach fünf Jahren ein neues Album präsentieren. Produziert unter anderem von Danger Mouse, findet sich der innovative Geist der Veröffentlichung nicht unbedingt in der Musik selbst wieder.

Hommage an die Ramones

In Songs wie «The Miracle Of (Johnny Ramone)», eine Hommage an den verstorbenen Ramones-Sänger, flirren die Synthesizer-Spuren und dengelt die charakteristische Gitarre von The Edge.

Laune macht «California (There Is No End To Love)» mit seinem flotten Tempo und dem knurrenden Bass, beachtlich der dunkle Eighties-Klang von «Iris», dröhnend der hypnotische Beat auf «The Troubles». Lange halten diese verschiedenen Stimmungsstufen jeweils nicht an: zuverlässig nach Ablauf einer Minute schmeisst sich Bono Vox, begleitet von sattem Chorgeträller, breitbrüstig in den Refrain und rührt das grosse Pathos an.

Grosse Töne? Vor allem gespuckt

Nicht unbedingt der grösste Wurf ihrer Karriere, aber das kann noch werden: Laut Ankündigung streben Apple und U2 eine längerfristige Zusammenarbeit an, zu der «Songs Of Innocence» nur den Auftakt bildete. Man werde in den «nächsten Jahren gemeinsam mit Apple an einigen coolen Dingen arbeiten, genauer: Innovationen, die die Art, Musik zu hören und zu betrachten, verändern werden», liess die Band gestern vollmundig verlauten. Ein weiteres Album namens «Songs Of Experience» soll bald folgen.

 

 

 

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