Der südafrikanische Pianist Kyle Shepherd gastiert mit seinem Trio in Basel. Bei seinem ersten Konzert im Bird’s Eye demonstrierte er ein verblüffendes Spektrum an Stilmitteln. Heute kann man sich noch einmal davon überzeugen.
Wie man es als Pianist aus Südafrika auch anpackt, man wird sich in seiner jungen Laufbahn erst einmal am Giganten Abdullah Ibrahim messen müssen. Ganz unerschrocken geht der 25-jährige Kyle Shepherd mit dem Übervater um, ja, er hat sich bereits überzeugend von ihm freigeschwommen, wie er im Bird’s Eye mit seinem Trio zeigte. Der junge Musiker aus Kapstadt weilt gerade auf Einladung von Veit Arlt vom Zentrum für Afrikastudien der Uni Basel in der Schweiz und gibt Konzerte (ein zweites heute Mittwoch Abend, ebenfalls im Bird’s Eye).
Jenseits der Pianosphäre
Zu Beginn seines Auftritts leugnet Shepherd die Pianosphäre ganz. Er steht vorne am Mikro, bearbeitet zum Donnergrollen der Drums und des Bass den Xaru, einen traditionellen Mundbogen, hebt zu einem Gesang an, der ausgeprägt indischen Charakter hat. Und auch die ersten Töne vom Flügel kommen mit angezupften Saiten aus dessen Innenleben. Erst dann setzt er sich an die Tasten und schlägt eine majestätische Durkadenz an, mit diesen typischen anrollenden Akkorden, die sein Spiel eindeutig in Südafrika verorten. Doch dieser Topos wirkt wie ein Zitat, denn schon ist er mittendrin in einem überbordenden Bop-Solo, begleitet von der konzentrierten und fast nur auf Hi-Hat und Snare reduzierten Rhythmik seines Schlagzeugers Jonno Sweetman. Der wird sich im Laufe der beiden Sets als ausgesprochener Feinmechaniker erweisen, der von delikatem Handtrommeln über präzis dienende Rhythmusgebung bis hin zu ökonomischer Kraftbündelung sein Vermögen ausagiert. Zupackend, triumphal kehrt die Durkadenz zurück, eine strahlende, die Tradition bejahende Schlusssteigerung. Was für eine Tour de Force allein im ersten Stück.
Jugendliche Erfindungslust
Und mit einer derart jugendlichen, heissspornigen Erfindungslust, einer nicht immer schlüssigen, aber kreativen Verklammerung von Stilmitteln geht es weiter. Da werden überm Besenschlagzeug lyrische, dennoch mit kräftigem Anschlag versehene Intros mit groß angelegter melodischer Geste entworfen, die Shane Cooper mit weit ausgreifenden, muskulösen Soli kontert. Der Bassman kombiniert gekonnt melodischen Inspirationsfluss mit physischem Einsatz. Dann wiederum franst eine immer wieder anrollende Sequenz in kollektive Improvisation aus, der ein ausgesprochen poppiges Thema mit fragenden Zweitonfloskeln folgt. Seine Kantigkeit erhält es durch einen chromatischen Seufzer, auf dem Kyle Shepherd so lange insistiert, bis sich das Trio zu gewaltiger Lautstärke aufgeschwungen hat. Überhaupt ist es dieses Beharren auf einem Akkord, ja manchmal einem einzelnen Ton, ein mitunter auch übertriebenes Festbeißen, aus dem Shepherd und seine beiden Kollegen die Energie für viele Stücke beziehen – das einen Tonartwechsel dann aber umso effektvoller wirken lässt.
Ein Hauch deutscher Romantik
Doch damit hat das Kyle Shepherd Trio seine Einfälle noch nicht ausgeschöpft. Da schälen sich plötzlich, inklusive Trillerketten, ganz unerwartete Anklänge an einen Robert Schumann heraus, die bruchlos eingefügt werden in das Kapjazz-Vokabular. Ein Hauch deutscher Romantik senkt sich auf die Zuhörer. Der letztlich doch wieder mit einem denkbar weit entfernten Gegenakzent konfrontiert wird. Erneut beugt sich Shepherd in seinen Flügel hinein, zupft gespenstische Soundscapes heraus. Schließlich paart er sie mit Feldaufnahmen aus dem südafrikanischen Busch, die ihm zu einer freien Impro als Startpunkt dienen. Wie ein ausgelassener, fröhlicher Gesang ohne Stimmen schließlich kommt die Zugabe daher, als mächtig vorwärtsheizender Dampfzug, der unverstellt Südafrikas traditionelle Klänge feiert. Auch das können Shepherd, Sweetman und Cooper. Ein begeisterndes junges Trio, das seinen Sturm und Drang zugunsten dynamischer Abstufungen an ein paar Stellen noch zügeln könnte, jedoch schon jetzt mit erstaunlichen Farben zur südafrikanischen Jazzlandschaft beiträgt.
- Kyle Shepherd: Zweites Konzert im Bird’s Eye, Basel: Heute, 25.10., ab 20 Uhr.