Fabia Zindel erhält den Kulturpreis für Kunst am Hals

Die Churer Textildesignerin Fabia Zindel hat den Basler Kulturpreis abgestaubt. Darüber war sie erst mal sehr überrascht.

Vom Stromboli zum Seidenfoulard: Fabia Zindel machts vor.

(Bild: Nils Fisch)

Am Montag, 2. November wird der Basler Kulturpreis an Fabia Zindel verliehen. Ein Besuch bei der frischgebackenen Preisträgerin in ihrem Atelier an der Bachlettenstrasse.

«Entschuldigung, ich kann jetzt nicht reden, ich bin grad am Drucken. Ich rufe Sie später an.» Als Fabia Zindel die frohe Nachricht überbracht wurde, hatte sie gerade keine Zeit: Sie stand in ihrer gestreiften Arbeitslatzhose in der Druckerei unter ihrem Atelier und druckte Foulards für die kommende Saison. Eine Stunde nach dem Anruf rief sie zurück – und konnte es nicht fassen: «Ich dachte nur: Das kann nicht sein. Wieso ich?»

Die Antwort darauf ist simpel: Diese Frau macht ihre Sache einfach verruckt gut. 

Überbleibsel: Farbe an der Arbeitshose. (Bild: Nils Fisch)

Oder, etwas versierter ausgedrückt, aus der Medienmitteilung des Regierungsrats:

Fabia Zindel ist eine kreative ideenreiche Schöpferin, eine ausdauernde Handwerkerin und erfolgreiche Netzwerkerin. Ihre Kreationen sind zu einem hochwertigen Stück Basler Alltagskultur geworden. Sie zeichnen sich durch künstlerische Originalität, formale wie inhaltliche Vielschichtigkeit und höchste Qualität aus. Fabia Zindel belegt mit ihrer Arbeit eindrücklich, wie nahe Formen des Alltags und der Kunst miteinander in Verbindung stehen können.

Am Nachmittag nach der Bekanntmachung steht Fabia Zindel in ihrem Atelier an der Bachlettenstrasse und schenkt Wasser mit frischer Minze und Zitrone ein. Sie ist entspannt – obwohl sie momentan von Glückwünschen geradezu überhäuft wird.

Glückwünsche, die sie zu Recht erhält: Zindel und ihr Label Matrix sind eine Basler Design-Institution. Vor 20 Jahren bezog die damals 27-jährige Churerin – damals noch mit einer Kollegin – frisch von der Textilfachklasse das geräumige Atelier und fing an, Auftragsarbeiten für Firmen und Privatpersonen auszuführen.

Herzfrequenzen auf Stoff gebannt

Ihr erster Auftrag war eine Herzensangelegenheit, im wahrsten Sinne des Wortes: Drei Kardiologen wollten ihren Gattinnen Foulards schenken und suchten nach einem Motiv. Zindel setzte sich mit ihnen zusammen und schlug vor, ihre Herztöne als Muster auf die Foulards zu drucken. Die drei Chirurgen nahmen sich also gegenseitig die Frequenzen ab und Zindel verwandelte sie in Foulard-Motive.

Die Anekdote zeigt, wie leidenschaftlich Zindel ihre Arbeit ausführt: Ihr Design schliesst vieles ein und weniges aus – es ist stets nah am Menschen, erzählt Geschichten, die über blosse Ästhetik hinausgehen. Zindel fertigt jedes einzelne Foulard selbst an – pro Kollektion (Sommer und Winter) 800 bis 1000 Stücke, in jeweils zwei Monaten.

In Anlehnung an Jules Vernes

Jede Kollektion hat ein Thema, momentan ist gerade «Die Reise zum Mittelpunkt der Erde» Programm. Die Idee dazu kam der Designerin im Februar in den Ferien auf dem Stromboli-Vulkan. «Ich stand da oben und erinnerte mich vage an Jules Vernes Geschichte, wo Professor Lidenbrock und seine zwei Gefährten durch einen Vulkan in Island ins Innere der Erde steigen und am Ende vom Stromboli ausgespuckt werden.» Zindel lacht und erzählt von der wunderbaren Inspiration, die diese Geschichte liefere, von Pilzwäldern, merkwürdigen Gesteinsformen und Obsidianen.

Wenn ein Thema sie packt, dann richtig: Nach dem Italien-Urlaub holte sie sich Bücher aus der Bibliothek, schaute sich Bilder und geologische Publikationen an, machte ein Moodboard und fing dann sofort an zu entwerfen. 




Fabia Zindel präsentiert ein Tuch aus der aktuellen Kollektion. (Bild: Nils Fisch)


Entstanden sind Foulards mit gewohnt schlichtem Design, sie tragen Namen wie «Sneffels» (wie der Vulkan, wo Lidenbrock und Co. reinstiegen), «Prisma» oder «Obsidian». «Die Namensgebung ist immer besonders schön, so kann man sich an etwas festhalten, sich erinnern.» Und woran erinnert sie sich, wenn sie – wie gerade jetzt – das «Sneffels»-Foulard vor sich hat? «An das Höhlenlabyrinth, die ganzen Gänge unter der Erde in Vernes Geschichte.» Sie schaut das Foulard noch eine kurze Weile an, faltet es dann sorgfältig wieder zusammen, und man beginnt eine Ahnung davon zu kriegen, was so besonders an den Matrix-Kreationen ist.

Eine Ahnung, die nun auch von offizieller Seite gewürdigt wurde. Fabia Zindel ist die erste Designerin, die den Basler Kulturpreis entgegennimmt. Bis jetzt wurde er ausschliesslich an Menschen aus der Kulturszene, aber nicht aus der Kreativwirtschaft vergeben. «Ich finde das eine tolle Haltung, die hier gezeigt wird. Wir – und damit spreche ich für alle meine Kollegen aus dieser Branche – sind Teil vom kulturellen Basel, wir sind nicht nur Dienstleister und auch nicht nur Handwerker.»

Diese Art von Berufsdefinition ist Zindel wichtig. Sie denkt nicht in Abgrenzungen. Kunst, Design, Handwerk – das alles hängt für die Designerin zusammen. «Wichtig ist, dass man nachdenkt über das, was man macht. Dass man nicht nur schöne Sachen macht oder Menschen Lösungen für funktionale Probleme bietet, sondern dass man die richtigen Fragen stellt, dass man sich auseinandersetzt.»

Wo Matthyas Jenny recht hat, hat er recht…

Design mit Tiefgang – wären die wunderschönen Kreationen Zindels mit einer Floskel zusammenzufassen, dann wäre es diese. Als die Designerin uns später noch in ihre sauber aufgeräumte Druckerei («Die Journalisten sagen immer: Das hier sieht doch nicht wie ein Künstleratelier aus!») direkt unter dem Atelier führt, holt sie die aktuellen Siebe von der Wand und führt den Druckprozess vor.

Das Handwerk hat bei ihr einen ebenso hohen Stellenwert wie die Inspiration und Auseinandersetzung. Die Medienmitteilung hatte recht: Hier, in der famosen Bachlettenstrasse (wenn man Matthyas Jennys Facebook-Kommentar Glauben schenken will), kommen hohe Kunst und bodenständiger Alltag zusammen. Eine Kombination, die sich sehen lässt, und ein Kulturpreis, der wohlverdient ist.

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