Kunst zum Lesen, gibts das? Bei Fabio Luks schon. Der Bieler Künstler lotet im E-Werk Freiburg die Grenze zwischen Schriftstück und bildender Kunst aus.
Betritt man die leicht unterkühlte Halle im Untergeschoss des E-Werks Freiburg (im Breisgau), drohen Schultraumata wieder hochzukochen. Auf dem auskragenden Mauerwerk der Hallen-Querseite füllt weisse Schnürlischrift den grau-grün bemalten Hintergrund. Und spitzt man seine Ohren, will man fast schon das Kratzen der Kreide hören. Gänsehaut, nicht nur wegen der Kälte.
Fabio Luks lacht. Das mit der Schulzeit, das habe er auch schon gehört. Aber damit hat sein Werk nichts zu tun. Betrachtet man die wie eine grosse Wandtafel horizontal dreigeteilte Mauer genauer, verliert sich dieser Eindruck dann auch: Die Sätze haben weder Anfang noch Ende, gehen über das Gemäuer hinaus, oder werden horizontal davon zerschnitten. Wer eine Botschaft zu entziffern versucht, wird scheitern. Es ist frustrierend.
Von der Figur zum Wort
Aber keine Sorge: «Das Angeschnittene zeigt die Unmöglichkeit, das Ganze zu erfassen», besänftigt Luks. Mit dem «Ganzen» meint er dabei die spontanen Überlegungen zum und Eindrücke vom Ausstellungsraum, die in das Geschriebene einflossen. Gedanken also, die in ihrer Endlosigkeit vor keiner Kante haltmachen. Und so liest man Bruchstücke wie: «der Mitte entspringt ein Satz. Leider kann ich Ihnen auch ni–».
Nein, Fabio Luks ist kein Lehrer. (Bild: Ronja Beck)
Dieser freie Umgang mit Text soll den Boden für Assoziationen ebnen: «Für mich ist es ganz wichtig, dass der Betrachter miteinbezogen wird», sagt Luks. Wir sollen den Worten einen eigenen Sinn zusprechen, zwischen ihnen neue Relationen knüpfen können. Unterstützt werden wir dabei in spielerischer Manier durch farbige Wölkchen, mit denen er einzelne Wörter eingefasst hat. Diese sind noch ein Relikt früherer Arbeiten, als sich Luks von der figürlichen Kunst Richtung comicartige Sprechblasen bewegte. Ihn interessierte zunehmend die abstrakte Ebene: «Die sprach einfach viel mehr für sich.»
Es geht auch ohne Muse
Luks ist noch relativ neu in der lokalen Kunstszene. Für sein Philosophie-Studium zog es den mittlerweile 34-jährigen Bieler nach Basel. Nach dem Bachelor war dann Schluss mit der Uni: «Die Kunst wurde dringend.» Seit September hat er nun einen Master für Fine Arts der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK).
Woher nimmt Luks seine Inspiration? «Das Machen ist die Essenz», antwortet er. Mit dem Essen kommt der Hunger, sozusagen. Die Schrift ist dabei von besonderer Bedeutung: Momente schriftlich festhalten kann man beinahe immer und überall, ohne Musenkuss. Dieses Augenblickliche soll auch der Betrachter spüren.
Der Betrachter muss entscheiden
Das trifft besonders am anderen Ende der Halle zu: Hier ist die Schnürlischrift schwarz und zieht sich wie ein einziges langes Band um die weissen Arkaden herum. Luks sprühte seine Wörter auf Augenhöhe und erinnert damit an zügig gesprayte Graffiti. Als Aussenstehender kommt man nicht umhin zu fragen, welchen Weg er dabei genau ging. Diese Frage lässt Luks offen, würde ihre Beantwortung doch auch das Essenzielle am Werk, das Momenthafte und Vielansichtige daran, zerstören.
Bei Luks soll man um die Ecke denken. (Bild: Ronja Beck)
Wo bleibt denn nun das Bild, bei so viel Text? Jeder muss für sich entscheiden, was er sehen will, ob Bild oder Schrift. Das ist das Spannende an Luks Textinstallationen. Und er verspricht, spannend zu bleiben: Fabio Luks will seine Schrift in Zukunft bis ins Unendliche weiterziehen – im wahrsten Sinne des Wortes: «Ich könnte noch x Jahre so weitermachen.»
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«Lebensspuren», Fabio Luks im E-Werk Freiburg (D) für die diesjährige «Regionale».