Filme nacherzählen – Fanfiction floriert im Netz

Im Internet werden Filme und Bücher nacherzählt und ausgeschmückt. «Fifty Shades of Grey» und die «Hobbit»-Verfilmung zählen ebenfalls zur Fanfiction. Den Autoren der Originale ist das zum Teil nicht recht.

Frei erfunden für die Hobbitfilme, damit das Spektakel eine Liebesgeschichte bekommt: die Elbin Tauriel. (Bild: Warner Bros.)

Im Internet werden Filme und Bücher nacherzählt und ausgeschmückt. «Fifty Shades of Grey» und die «Hobbit»-Verfilmung zählen ebenfalls zur Fanfiction. Den Autoren der Originale ist das zum Teil nicht recht.

Es ist Winter, die Zeit im Jahr, in der gehäuft Verfilmungen von Fantasy- und Science Fiction-Romanen ins Kino kommen. Solche Werke buchstabengetreu umzusetzen ist nicht möglich. Es werden Änderungen am Drehbuch angebracht, Gräben öffnen sich zwischen Anhängern der Bücher und Anhängern der Filme.

Doch einige Änderungen beziehen sich nicht bloss auf das Anpassen des Stoffes auf ein neues Medium, einige Regisseure drücken ihren Filmen bewusst ihren eigenen Stempel auf, und so sitzt man manchmal im Kinosaal und fragt sich, angesichts der Qualität der Ausschmückungen, ob das nun noch Kunst oder schon filmgewordene Fanfiction ist.


Kreative Leserschaft

Fanfiction, wie sie in ihrer heutigen Form bekannt ist, entstand in den 1960er-Jahren. Mit dem Begriff Fanfiction wurden Geschichten in Science-Fiction-Magazinen bezeichnet, um sie von Geschichten professioneller Autoren abzugrenzen. Mit der Zeit entwickelten sich eingeschworene Gemeinschaften. Seit dem Internetzeitalter breitete sich das Phänomen schlagartig aus und umfasst heute alle Genres der Literatur, Comics, Videospiele, Fernsehserien, Film sowie Musik.

Für die Hobbit-Filmtrilogie haben Fans bis jetzt 6800 eigene Geschichten geschrieben. So wird in einer davon die Rückeroberung der Heimat der Zwerge mit einem Twist erzählt: Um Erebor von Smaug zu befreien, nehmen die Zwerge kurzerhand selbst einen Drachen auf die Reise mit. Der Plot zentriert sich um die von der Autorin eingeführte Figur Syl und darum, ob ihre Motivation, der Gefolgschaft um Thorin Oakenshield zu helfen, aufrichtig ist.

Da die Autoren der Fanfiction keine Rechte an den Figuren ihrer Erzählungen besitzen, benötigen solche Geschichten einen Disclaimer, in denen die Autoren jeglicher kommerzieller Nutzung entsagen. Die meisten solcher Geschichten erscheinen unter einem Pseudonym und landen in Onlinearchiven wie fanfiction.net oder wtffanfiction.com.

«Game of Thrones»-Erfinder wehrt sich gegen Fanfiction

Nicht alle Urheber eines Buchs oder Films sind über die Aufmerksamkeit, welche ihnen via der Fanfiction-Kultur zukommt, gleich erfreut. Während J. K. Rowling und «Twilight»-Autorin Stephanie Meyer Fanfiction gegenüber gleichgültig eingestellt sind, ist zum Beispiel George R.R. Martin, der Erschaffer der Welt von «Game of Thrones», anderer Meinung.

Er nennt die Jünger, welche Geschichten nach seinem Vorbild und mit seinen Figuren veröffentlichen, faul. Die Charaktere, welche er erschaffen habe, seien ihm ans Herz gewachsen. Sie zu kopieren und für eigene Zwecke zu kopieren und missbrauchen, sei falsch. 
Überdies sei es unmoralisch, aus seiner Erfindung via Fanfiction Profit zu schlagen. Letzter Punkt ist besonders ironisch. Zum Einen wird Fanfiction nur selten kommerziell verwendet, zum Anderen ist G.R.R. Martin selber gerade dabei, die sehr lockere Umsetzung seiner Bücher zu einer TV-Serie zu überwachen.

Trotz seinen Einwänden schrieben Fans bis jetzt 2700 Geschichten auf «seine Kosten». Sorgen bereiten ihm nicht nur der Profit und das Seelenleben seiner Charaktere, sondern auch die Qualität der geschriebenen Fanfictions. Einwände bezüglich Qualität kann man G. R. R. Martin kaum verübeln. Mangelndes Talent der meist 13- bis 17-jährigen Autoren oder die Abwesenheit eines Redaktors bieten Potenzial für allerhand skurrile Formulierungen und Logiklücken.

Heikel: selbst erfundene Figuren

Das Schreiben von Fanfiction ist aber nicht ausschliesslich ein bierernst betriebenes Hobby. Manche Autoren produzieren satirische Stücke, die sich mühelos mit den Originalen messen können. 
Dennoch, innerhalb der Community bleiben die Schreiber nicht von Spott verschont.

Die allseits verhassten Mary Sues und Gary Stus – von den Autoren selbst erfundene Charaktere – welche sich durch unglaubwürdige Biographien hervorheben (am Besten knapp 18 Jahre alt, verwaist, schreckliche Kindheit, ungewöhnliches Erscheinungsbild, aber sehr schön, besitzen Superkräfte oder magische Fähigkeiten) werden aufs Korn genommen.

Abseits der kommerzfreien Nutzung von Fanfiction gibt es auch Werke, welche publiziert werden und durch Umwege in unsere Bücherregale oder Kinos finden. 2011 veröffentlichte E.L. James mit «Fifty Shades of Grey» eine umgeänderte Version ihrer «Twilight»-Fanfiction. Das Buch war, wenn auch nicht bei Kritikern, immerhin kommerziell so erfolgreich, dass nächstes Jahr ein Film folgen wird.

Das jüngste Beispiel filmgewordener Fanfiction befindet sich momentan in den Kinos: Peter Jacksons «The Hobbit: The Battle of the Five Armies». Unter dem Deckmantel gekaufter Filmrechte tobte sich der Regisseur auf Kosten des literarischen Stoffes aus. Um der Tradition des Dreiteilers willen nimmt Peter Jackson die Geschichte des Hobbits, erfindet Handlungsstränge, fügt der Geschichte eigene Figuren und Kreaturen hinzu und kupfert von Filmen wie «Dune» ab.

Einmal durch den Fleischwolf gedreht, präsentiert er seine Version des Hobbits, welche bildtechnisch überzeugt, inhaltlich aber nicht befriedigt. Den Auftritten von Legolas und Tauriel merkt man an, dass sie den Film vor allem besser verkäuflich machen.

Tolkien war Zeit seines Lebens in die Umsetzung seines Materials einbezogen und sprach sich einmal ausdrücklich gegen die Disneyfizierung seiner Werke aus. Schade, dass er damals noch nichts von Peter Jackson wusste. Es wäre uns einiges erspart geblieben.

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