Alexandra Bachzetsis bringt mit «Etude» eine qualitative Studie des menschlichen Bewegungsrepertoires auf die Bühne der Kaserne Basel. Thematisch dreht sich der sehr experimentelle Abend um das Individuelle und um das Virtuose.
Wohlgesinnt und mit einem anständigen Lächeln, begleitet von sehnsüchtiger Country-Musik, betreten die fünf Akteure, drei Tänzerinnen und zwei Musiker, den Raum. Und setzen sich in einer Reihe hin. Die Musik endet abrupt, als sich die fünf ihre weissen Kopfhörer einstöpseln und anscheinend in ihrer eigenen Welt versinken. Einer nach dem anderen gibt nun eine akustische oder eine bewegte Kostprobe aus seiner Welt wieder. Die Sache beginnt leise und klein:
Ein zungenbrecherischer Vortrag über Zungenbrecher der Performerin Sirah Foigel Brutmann bringt einem zu einer Hälfte zum Staunen und bleibt zur anderen unverständlich. Der leise Zehenspitzengang der Finnin Anne Pajunen zeigt vor allem auch kurze Ausschnitte aus dem Bewegungsrepertoir nonverbaler Kommunikation.
Bewegung und Akustik paaren sich ein einziges Mal
Ein Solo leitet das nächste ein und wird von den anderen vier Akteuren mit freundlichem Desinteresse begutachtet. Die Sache steigert sich allmählich und spätestens als Paolo Thorsen Nagel auf seiner verstärkten Gitarre soliert, wird es virtuos. Seine freien Interpretationen bastelt er gleich auf der Bühne zu wiederkehrenden Loops zusammen und potenziert so seine Performance.
Die einzelnen Soli sind sehr strikt und einigermassen lückenlos voneinander getrennt. Es gibt keine Schnittmengen und kaum Pausen. Erst als Eitan Efrat zeigt, dass er nicht nur Schlagzeug, sondern auch Basketball spielen kann und seine schnellen Crossover-Dribblings bei jedem Auftreffen des Balls auf dem Boden von Sirah Foigel Brutmann mit einem «Ok» abquittiert werden, paaren sich Bewegung und Akustik zum ersten und einzigen Mal.
Akteure betonen das Individuelle
Unter einer «Etüde» versteht der Brockhaus «ein Übungsstück zum Erlernen besonderer spieltechnischer Fertigkeiten». Mit zunehmender Virtuosität dieser Fertigkeiten betonen die einzelnen Akteure das Individuelle. Bei den immer wieder zum Zuschauen verurteilten Einzelgängern kommt nie so etwas wie Begeisterung, geschweige denn ein Gemeinschaftsgefühl auf, freundlich nicken sie ihren Gegenspielern zu und bleiben abwesend.
Der Wunsch nach Individualität gipfelt und scheitert, als Alexandra Bachzetsis in Stilettos das erweiterte Repertoire der Popstars vortanzt und parodiert. Während einer Stunde steigern sich die fünf Individualisten gegenseitig, als wollten sie sich übertrumpfen. Dazu bedient sich die Choreographin an gesellschaftlichen Zitaten aus Musik, Sport und Tanz. Zum Schluss ist niemand schlauer, zumindest nicht auf der Bühne. Das Stück endet, wie es begonnen hat: Mit der sinnstiftenden Strophe des Country-Songs: «They gonna put me in the movies. They gonna make a big show out of me.»
- Weitere Vorstellungen: 31.5. bis 3.6., jeweils 20.30 Uhr.