Fussball als thematischer Steilpass – doch das Historische Museum Basel vergibt die Chance

Eine Sonderausstellung im Historischen Museum Basel sucht Anschluss an emotionale Themen wie Glaube, Liebe und Hoffnung im Fussball. Ein interessanter Zugang, der mit einem hohen technischen Aufwand einhergeht. Nur schade, dass dabei die kritischen Aspekte des Sports zu kurz kommen.

(Bild: Annie Day)

Eine Sonderausstellung im Historischen Museum Basel sucht Anschluss an emotionale Themen wie Glaube, Liebe und Hoffnung im Fussball. Ein interessanter Zugang, der mit einem hohen technischen Aufwand einhergeht. Nur schade, dass dabei die kritischen Aspekte des Sports zu kurz kommen.

Das Historische Museum Basel öffnet am Donnerstagabend, dem 12. März, seine Tore zur neuen Sonderausstellung «Fussball – Glaube. Liebe. Hoffnung.» Auf die Aktualität bezogen heisst das: Zwei Tage, nachdem der FCB seine Hoffnungen auf ein Weiterkommen in der Champions League begraben musste, soll ein Museumsbesuch dabei helfen, den Glaube und die Liebe in den Verein kulturell zu untermauern.

Das Organisationsteam um Marie-Paule Jungblut (Direktorin), Margret Ribbert und Rebecca Häusel (Kuratorinnen) hat ganze Arbeit geleistet. Zahlreiche Exponate aus dem In- und Ausland sollen den Besucherinnen und Besuchern die Faszination des runden Leders unter einem bestimmten Blickwinkel vermitteln: Fussball und Religion.

Brandneue Vermittlungstechnik

Das sakrale Gefäss der Barfüsserkirche, in dem das Historische Museum beheimatet ist, bietet für die Ausstellung einen idealen Rahmen. Und so werden an verschiedenen, jeweils thematisch organisierten Posten Parallelen gezogen zwischen Personenkult und Heiligenverehrung, Fanmärschen und religiösen Prozessionen.

Um einer allfälligen sakralen Trance der Betrachter vorzubeugen, bedienen sich die Kuratorinnen dabei modernster Vermittlungstechnik. «Innovatives Infotainment» lautet das Stichwort, wenn Besucherinnen und Besucher vor Antritt der Erkundungstour eine Fernbedienung in die Hand gedrückt bekommen, die sie zur Interaktion mit den verschiedenen Ausstellungsstationen animiert. 

Digitales Infotainment

Für die Vermittlung seiner Inhalte haben sich die Macher einiges einfallen lassen. Besucherinnen und Besucher können sich die Informationen zu Ausstellungsstationen auf einer Fernbedienung anhören, die gleichzeitig als Joystick für das mehrteilige Sport-Qiuz dient. Unterwegs steht ein Panini-Selfie-Automat bereit, und zum Schluss erfordert ein Torwartspiel schnelle Reflexe. Unter dem Hashtag #footballmoments können per Twitter persönliche Sport-Erlebnisse mitgeteilt werden, die dann Teil einer digitalen Weltkarte werden.

Diese «ganzheitliche Vermittlung» (O-Ton Medienmitteilung) ist Teil der neuen eCulture-Strategie des Museums, das sich bereits mit Flimmerkisten und E-Gitarren erfolgreich dafür einsetzte, sein angestaubtes Image abzulegen. Der Fussball ist nun also das jüngste Zugpferd. Mit ihm sollen persönliche Erfahrungen und Sportgeschichte, Jetzt-Zeit und Historie elegant miteinander verschmelzen.

Ein an und für sich gutes Konzept. Schade nur, dass unterwegs das kritische Potenzial des Themas verloren ging.

Gesichtslose Exponate

Die Ausstellung ist als Wanderausstellung konzipiert. Zwei Drittel der Exponate thematisieren den Sport als globales Phänomen, während ein Drittel den Bezug zur lokalen Fussballszene herstellt. Das führt dazu, dass man sich teilweise wie in einem Uefa-Werbespot wähnt. Etwa wenn der Fussball in Indien durch lachende Mädchen mit Schleifen im Haar repräsentiert wird.

Oder wenn der afrikanische Fussball auf eine Weise repräsentiert wird, die nicht nur Historikern und Ethnologen die Haare zu Berge stehen lässt: Voodoo-Puppen mit Schlössern an den Beinen erinnern an Beschwörungsrituale während der WM 2006, mit denen togolesische Priester die Leistungsfähigkeit der Gegner zu beeinflussen versuchten. Ein Ball aus Bananenblättern zeigt derweil, wie sich Kinder in Uganda zu behelfen wissen, wenn ihre Familien kein Geld für einen richtigen Fussball haben.

Solche Exponate tragen nicht zur Wahrnehmung eines fussballerisch erfolgreichen Kontinents bei, sondern perpetuieren lediglich das Bild des armen, rückständigen Afrikaners.

Wenig kritische Reflexion

Die Reflexion heikler Themen wie Doping, Korruption oder Gewalt werden in Nebensätzen abgehandelt. Gleichzeitig wird die Tonspur zu einem Video, das fahnenschwenkende Fanmassen zeigt, mit Klavierklängen untermalt. Man habe sich hier auf die positiven Aspekte des Fussballs konzentrieren wollen, sagt Kuratorin Margret Ribbert: «Unter dem Motto Glaube, Liebe und Hoffnung kann man nicht alles thematisieren, wir mussten gewisse Themen auch beiseitelassen.»

Der Trailer zur Ausstellung:

«Nutzung und Missbrauch» heisst immerhin eine der Stationen, die die Instrumentalisierung des Fussballs für politische oder ökonomische Werbezwecke thematisiert. Zu sehen ist Angela Merkel in der Kabine der deutschen Nationalmannschaft nach dem Gewinn des Weltmeistertitels 2014. Oder Bilder aus dem Joggeli, als die Umweltorganisation Greenpeace die Basler Champions League als Bühne für ihren Protest gegen Gazprom nutzte.

Schöne lokale Exponate

Der Gesichtslosigkeit der internationalen Abteilung stehen die Bemühungen der Kuratorinnen gegenüber, lokale Exponate zeigen zu können. Dank der Kooperation mit Vertretern der Muttenzerkurve ist ein Modell des Stadion-Originals zu bewundern, mit dessen Hilfe die Choreografien ausgetüftelt werden. Das Beispiel der jüngsten, achtteiligen Choreo aus dem Spiel gegen Vaduz ist noch zu sehen und lässt die Akribie bei der Vorbereitung erahnen.




Die Muttenzerkurve als Modell. Damit werden Choreografien unter anderem konzipiert. (Bild: Annie Day)

Viele andere Teile stammen aus dem Fundus des Sportmuseums Schweiz, das kürzlich Opfer der umfassenden Sparmassnahmen wurde. Dass es seine Schätze im Zuge auswärtiger Sonderausstellungen verleiht, entspricht dem Usus.

Das Sportmuseum guckt in die Röhre

Unter diesen Vorzeichen dürfte der Verleih von Lagerobjekten die Verantwortlichen des Sportmuseums trotz «konstruktiver Zusammenarbeit» (Ribbert) geschmerzt haben. Eine finanzielle Entschädigung erhält das Sportmuseum für seine Leihgaben nicht. Und nahm irritiert wahr, wie Regierungspräsident Morin die Sparmassnahmen damit begründete, dass eine Unterstützung beider Institutionen eine Doppelspurigkeit bedeute: «Die Inhalte, die Bedeutung des Sports kann man auch im Historischen Museum oder im Museum der Kulturen zeigen.»

Wohl wahr, in diesem Fall allerdings nur dank der Exponate des Sportmuseums zum Nulltarif, das seinerseits nun um die Zukunft bangt, aber dazu wollte sich an der Medienkonferenz niemand äussern.

Dem Historischen Museum Basel kann das egal sein, es darf mit dieser Ausstellung auf einen regen Zuspruch hoffen, vor allem jungen Besucherinnen und Besuchern wird mit den interaktiven Posten einiges geboten. Es bleibt dennoch ein schaler Nachgeschmack über die verpasste Chance, die Schattenseiten des Massenphänomens Fussball kritisch zu beleuchten.

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Die Vernissage zur Ausstellung findet am Donnerstag, 12. März, 20 Uhr statt. An der Preview am Mittwochabend sprachen Guy Morin sowie die Organisatorinnen der Ausstellung. Die Ausstellung läuft bis zum 16. August.

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