Gazzamania und Federerfieber

Klein, aber fein: Die vierte Ausgabe des «Flutlicht Fussball Film Fesitval» verzeichnet einen leichten Besucherrückgang, hat aber nichts an seiner besonderen Stellung in der Fussballstadt Basel eingebüsst. Programm und Gästeliste haben drei spannende bis rührselige Tage im Gare du Nord ausgefüllt. Nun müssen die Organisatoren über die Bücher.

Flutlicht Fussball Film Festival 2017, Gare du Nord/Bar du Nord, Max Küng

(Bild: Daniela Radic)

Klein, aber fein: Die vierte Ausgabe des «Flutlicht Fussball Film Fesitval» verzeichnet einen leichten Besucherrückgang, hat aber nichts an seiner besonderen Stellung in der Fussballstadt Basel eingebüsst. Programm und Gästeliste haben drei spannende bis rührselige Tage im Gare du Nord ausgefüllt. Nun müssen die Organisatoren über die Bücher.

Sonntagmittag gab es kein Pardon. In der Bar du Nord war eigentlich hergerichtet für den Schlussspurt des «Flutlicht Fussball Film Festival», aber über die grosse Leinwand flimmerte seit Stunden Federer vs. Nadal. Und weil sowohl bei Barbetreiber Bruno Zihlmann wie auch bei der kleinen Besucherschar selbstverständlich das Tennisfieber ausgebrochen war, musste sich Max Küng – renommierter Autor hin oder her – die Aufmerksamkeit teilen mit dem Tennis-Maestro.

Als Küng aus seinen Fussballkolumnen im «Magazin» gelesen und Roger Federer gewonnen hatte, gönnte sich Festival-Organisator Dieter Bopp ein Gläschen Prosecco. Seine Leidenschaft für den Fussball, den FC Basel und den Film ist in etwa so gross wie seine Hochachtung für Federer, und nach all der sportlichen Spannung und der rührseligen Pointe war der restliche Festival-Sonntag mit dem eher meditativen Zugang zum Fussball in Südamerika ein schöner Kontrapunkt.

Überhaupt hatte das kleine, aber feine Basler Festival seine Stärken auch in der vierten Auflage in den abseitigen Betrachtungen und cineastischen Aufbereitungen des Spiels. Der Samstag, dem Fussball in England gewidmet, bekam den stärksten Zulauf. Der Saal im Gare du Nord war schon mittags gefüllt, als in «Awaydays» die Geschichte der Liverpooler Hooligangang «The Pack» nachgezeichnet. Nichts für zarte Gemüter.

England zieht

Mit «Gascoigne» bot das Flutlicht-Festival eine Kontinental-Premiere der BBC-Dokumentation über eine der schillerndsten Figuren des englischen Fussballs. Eine ebenso spannende wie erschütternde Zusammenstellung des Lebens eines Profifussballers, das nach der Gazzamania in Alkohol, Drogen und Depression gemündet ist. Der Film wurde nicht ohne Grund mit englischen Untertiteln gezeigt: Der aus Newcastle stammende Gascoigne erzählt und erklärt sich in seinem ungeschminkten Geordie-Dialekt.

Illustre Gästeschar und sentimentale Nocturne

Das Flutlicht-Festival zeichnet sich nicht nur durch sein Programm aus, die Gästeliste ist ihm ebenso ein Anliegen. Am Freitag war Victor Tognola eigens aus dem Tessin angereist, um über seine Hommage für Hannes Schmidhauser zu reden. Der ist Älteren noch als «Uli der Knecht» an der Seite von Liselotte Pulver in Erinnerung, jedoch kaum als gleichzeitiger Fussballer des FC Lugano, der Grasshoppers und der Nationalmannschaft in den 50er-Jahren.

Schon fester Bestandteil des Festival, quasi ein unverzichtbarer Sidekick, sind Mämä Sykora und Sascha Török vom Fussballmagazin «Zwölf» mit ihrer launigen Kuriositätensammlung aus der Welt des Fussballs.

Am Samstag diskutierte Hanspeter Künzler – Zürcher, Wahl-Londoner, Fussball- und Musikjournalist – mit dem Freiburger Kleinverleger Christoph Beutenmüller über die Gascoigne-Dokumentation und kam zum Schluss: «Gascoigne war krank.»

Der Mitternachtsfilm «Marvellous» war die Pretiose des Festivals schlechthin: Eine BBC-Produktion über Neil Baldwin, hinreissend gespielt von Toby Jones, und das Leben eines lernbehinderten Menschen. Der bekommt in den 90er-Jahren eine Anstellung beim Shaqiri-Club Stoke City, arbeitet dort als Zeugwart, wurde vom damaligen Trainer Lou Macari als «meine beste Verpflichtung überhaupt» gewürdigt und wird bis zum heutigen Tag bei den «Potters» verehrt.

Wen diese wahre Geschichte nicht mitnimmt, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Enttäuscht über Zuspruch am FCB-Film

Die Flutlicht-Macher müssen sich dagegen selbst helfen. «Was Inhalt und Stimmung anbelangt, sind wir sehr zufrieden», sagte Philipp Grünenfelder nach den drei Tagen Fussballfilm satt. Ein Wermutstropfen ist der leichte Besucherrückgang nach dem Rekordjahr 2016, was auf den schwach frequentierten Freitag zurückzuführen ist. Und das, obwohl sich das Festival-Trio Grünenfelder, Bopp und Markus Schwark erstmals mit einer aufwendigen Eigenproduktion hervorgetan hat.

Aus dem Nachlass des 1997 verstorbenen Bruno Michaud – Captain des FC Basel in den 60er-Jahren und später Vize-Präsident, Nationaltrainer und SP-Grossrat – wurde eine vierwöchige Weltreise des FCB im Januar/Februar 1964 in einem 40-minütigen Film aus den Super-8-Aufnahmen Michauds verdichtet.

Mit Anekdoten garniert von Karl Odermatt – damals als 21-Jähriger mit von der Partie – entfaltete der uraufgeführte Streifen seinen Unterhaltungswert. Der grosse Karli wusste auch Näheres über den in Basel vergessen gegangenen Koffer mit 250’000 Franken (!) Reisekasse zu berichten, und Dieter Bopp fragte sich etwas enttäuscht: «Wo waren die Fans mit Geschichtsbewusstsein? Bruno Michaud ist eine Ikone des FC Basel wie Karl Odermatt, und er war eine grosse Figur am Anfang der ersten grossen Erfolgsära des FCB.»

Offene Finanzierung

Die andere Frage ist, wie es mit dem Festival weitergehen wird. Die Anschubfinanzierung der Christoph-Merian-Stiftung ist bereits letztes Jahr ausgelaufen, das Polster weitgehend aufgebraucht. Dabei hat sich das Basler Festival seinen Namen gemacht, seit zwei Jahren, berichtet Markus Schwark, muss nicht mehr nur nach passenden Filmen gefahndet werden, sondern werden sie den Baslern auch angeboten.

«Thematisch eine Linie zu finden, ist gar nicht so einfach», sagt Markus Schwark, aber eine neue Idee haben sie schon: Deutschland und die Bundesliga verspricht einen reichen Fundus. Und mit den Machern des Berliner Festivals «11 mm» gibt es eine kollegiale Verbindung. Das erste und grösste Festival seiner Art im deutschsprachigen Raum geniesst die Teilfinanzierung durch die Kulturstiftung des Deutschen Fussballbundes – einen Vorteil, den es in der Schweiz nicht gibt.

Auch wenn es diesmal nur knapp 300 Leute waren, die sich in den Gare du Nord aufmachten, sind die Organisatoren nicht entmutigt. «Unser Festival zieht nicht nur Fussball-Fans an, sondern auch Leute, die kultur- und filminteressiert sind und nicht nur Basler.» Wie auch immer es weitergeht – der Termin für das fünfte «FFFF» steht schon mal: 12. bis 14. Januar 2018.

Die Macher des Fussballfilm-Festivals: Markus Schwark, Dieter Bopp und Philipp Grünenfelder.

Die Macher des Fussballfilm-Festivals: Markus Schwark, Dieter Bopp und Philipp Grünenfelder (von links).

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