In den 1960er-Jahren gab es auf dem Basler Standesamt einen «amerikanischen Dienstag» – für deutsch-amerikanische Paare, die der Bürokratie in Deutschland ein Schnippchen schlagen wollten.
Ein fast perfektes Bild für Basel Tourismus: Das Münster steht, die Fähre fährt, sogar die Fahne weht, die Lesegesellschaft lässt mit den geöffneten Fenstern etwas frische Luft rein. Einzig dieses sonderbare Gebilde am Grossbasler Rheinbord passt nicht ganz ins Bild. Doch daran hatten sich die Basler längst gewöhnt, ja es gab sogar solche, die den endlich gewagten Abbruch bedauerten: den Abbruch der legendären Rheinbadi bei der Pfalz.
Wann das war, liesse sich nur mit grösserem Aufwand feststellen – ist hier auch egal, es muss jedenfalls nach dem Juni 1960 gewesen sein. Denn dieses Bild stammt aus diesem Jahr, und es gilt, wie man selbst bemerkt hat, weit weniger dem Hinter- als dem Vordergrund. Doch es komponierte aus beidem ein Ganzes.
Die Pointe: Amerikaner nicht in Paris, sondern in Basel. Zwei Amerikaner, einer in Uniform, der andere in Zivil, aber beide Angehörige der US-Besatzungsarmee in Westdeutschland. Welche Nationalität haben die Frauen? Man sieht ihnen dies nicht an – es sind einfach nur Menschen.
Die Frau in Weiss ist ebenfalls Amerikanerin und hat als Korporal sogar einen höheren Dienstgrad als ihr Mann, ein Gefreiter. Sieht man das? Die andere ist eine Deutsche, könnte aber von der Erscheinung her genauso gut Amerikanerin oder Italienerin, Spanierin, Bündnerin, Jurassierin oder was immer sein.
Der Clou oder der Plot und warum der Fotograf zugeschlagen hat und mehrere Medien von «Sie und Er» bis «Stern» zugegriffen haben: Solche Paare konnten in der Bundesrepublik nur mit erheblichem Aufwand heiraten – im Rahmen eines Verfahrens, das viele Zusatzpapiere und ein Vierteljahr Zeit beanspruchte.
Die US-Army hatte kein Formular für «Mündigkeit» und «Ehefähigkeit». Basel war liberaler, und das sprach sich im Nachbarland herum und hatte zur Folge, dass es einen «amerikanischen Dienstag» gab, mit durchschnittlich 20 Paaren dieser Kategorie. Für sie gab es ein Prozedere und Dokumente in englischer Sprache: für einen kleinen Aufpreis von zehn Franken – also für sechzig statt nur fünfzig Franken.
Man kann sich fragen: Was hat der uniformierte GI in der Hand? Den Trauschein oder den Stadtplan? Wohl eher Letzteres. Die Hoteliers freuten sich über diese zusätzliche Kundschaft. Und die Brautpaare freuten sich über ihr neues Eheglück und beinahe noch mehr darüber, dass sie mit ihrem kleinen Ausflug in die schweizerische Grenzstadt der amerikanischen und deutschen Bürokratie ein Schnippchen geschlagen haben.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 28.09.12