François Ozon und Sofia Coppola liefern in Cannes Unbefriedigendes über unbefriedigte Teenager ab.
24 Stunden Dauerregen lassen auch den weltberühmten Kino-Umschlagplatz von Cannes in anderem Licht erscheinen. Bester Laune sind hier nur die Regenschirmverkäufer. Selbst als ich den geforderten Preis von 15 Euro auf einen Fünfer drücke, strahlt man mich noch an. Offenbar erleben sie hier auf dem Markt millionenschwerer Filmrechte weit gewieftere Geschäftspartner.
Von solchen Margen kann das Kunstkino natürlich nur träumen. Immerhin gehört der trübe Tag mit François Ozon und Sofia Coppola gleich zwei Spezialisten für bunte Oberflächenreize, die sich in ihren bessere Arbeiten als durchaus transparent erweisen – und Einblicke in die Urgründe des Glamour.
Die Filmgeschichte als Kommode
Ozon, für den die Geschichte des Unterhaltungsfilms eine Kommode ist, deren Schubladen man beliebig auf und wieder zuziehen und sich das schönste Herauspicken kann, orientiert sich wieder einmal an den Siebziger Jahren. In «Jeune & Jolie» erzählt er von einer 17-jährigen höheren Tochter, die aus sexueller Neugier zum Edel-Callgirl wird. Und streift dabei nicht nur das längst vergangene Genre des Softpornos, er imitiert es bis zur Verwechslungsgefahr. Nur, dass er die erwartbaren voyeuristischen Höhepunkte auf die familientaugliche Dosis der unvergessenen israelischen Filmserie «Eis am Stil» reduziert.
Der mag auch sein Running Gag entnommen sein: Immer wieder platzen da Erziehungsberechtigte in Jugendzimmer hinein, um ihre Schutzbefohlenen peinlich berührt beim Onanieren zu ertappen. Obwohl die Mutter nach Bekanntwerden des bedenklichen Schülerinnen-Jobs – eher beschämt als besorgt – der Tochter einen Psychologen verordnet, bleibt das seelische Konfliktpotential der Konfrontation einer Minderjährigen mit käuflichem Sex vor der Tür. Im seichten Fahrwasser von «Jung und hübsch» hätte es auch nur gestört. Und in Francoise Hardys immerhübschen Popsongs auf der Tonspur womöglich keine Entsprechung mehr gefunden.
Immerhin: Mit Nachwuchs-Actrice Marine Vacth wurde eine neue Sophie Marceau geboren. An ähnlichen Rollenangeboten wird es ihr im französischen Kino jetzt bestimmt nicht mangeln.
Luxus-Raubzüge
Ganz so leicht macht es sich Sofia Coppola in ihrem Eröffnungsfilm der Nebenreihe «Un certain regard» nicht, von jenem schönen Schein zu profitieren, der einmal mehr ihr Thema ist: «The Bling Ring» erzählt die wahre Geschichte einer Teenager-Gang, die in den Hollywood-Hills vor einigen Jahren durch Luxus-Raubzüge für Unfrieden sorgte. Unter anderem zählte Lindsay Lohan, auch nicht gerade selbst ein Unschuldsengel, zu ihren Opfern: Auch in ihrem Anwesen wurden die Fan-Diebe fündig, was dazu führte, dass sich Lohen mit der Anführerin der Bande irgendwann im selben Gefängnistrakt begegnete.
Coppola, die in ihren preisgekrönten Filmen «Lost in Translation» und «Somewhere» unvergessliche Innenansichten eines zur Tristesse geronnenen Jet-Set-Lebens zelebrierte, verzichtet diesmal auf künstlerische Überhöhung. Weitgehend im Doku-Drama-Stil gehalten, protokolliert sie die kuriose Fallgeschichte minutiös – ohne freilich das Spannungspotential des Stoffs zu nutzen. Aber auch die Lebenswelt der Jugendlichen vermag sie nicht herauszuarbeiten. Lediglich der Verzicht auf eine moralische Bewertung dieses kuriosen Falls materieller Umverteilung unterscheidet «The Bling Ring» vom Stil einer gewöhnlichen Fernsehreportage. Nicht genug für einen trüben Tag an der Croisette.