Gestorben wird immer

Gleich in drei aktuellen Kinofilmen steht das Sterbebett im Zentrum. Welchen sollte man (er-)leben?

Angst vor Verlusten: «Amador» ist tot, Pflegerin Marcela fürchtet die Arbeitslosigkeit. (Bild: zVg/Xenix Films)

Gleich in drei aktuellen Kinofilmen steht das Sterbebett im Zentrum. Welchen sollte man (er-)leben?

Dreimal ist der Tod zu Gast, dreimal gerät eine Familie in Not. Einmal im amerikanischen Wohlstand. Einmal in spanischer Armut. Einmal im deutschen Sozialstaat. Drei Filme, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Einmal pflegt eine Gehilfin. Einmal eine Familie. Einmal die Automaten.

Amador

In «Amador» pflegt Marcela den einsamen Amador. Sie braucht das Geld. Für das Kind, das sie im Bauch trägt. Kaum öffnet sich ihr Blick auf das Leben des Sterbenden, stirbt Amador. Sie pflegt ihn weiter, weil sie sonst ihren Job verliert. Lebendig wird er davon nicht. Trotzdem findet sich eine Lösung. Aber die stinkt – vorerst.

Halt auf freier Strecke

In «Halt auf freier Strecke» hat Frank Lange noch zwei Wochen zu leben. Hier pflegt die ganze Familie, geht mit Papa durch die Wechselbäder von Verzweiflung und Vaterfreuden. Das Filmprojekt ist einzigartig: Hier treffen Experten des Sterbens auf Experten der Darstellung des Sterbens. Die Ärzte sind echt. Sie wissen, wovon sie reden! Die Schauspieler sind auch echt. Echt grandios! Sterben kann sogar komisch sein. Hier sitzt der kleine Sohn am Bett und fragt Papa: «Stimmt das, dass du stirbst?» «Ja.» – «Krieg ich dann dein iPhone?»

Descendants

In «Descendants» sehen wir uns an George Clooneys Anfänge in der Spital­serie «Emergency Room» erinnert. Wie wenig ihm als Menschendarsteller einfällt, sieht man in diesem Film, wenn er ans Sterbebett tritt, um seiner Frau vorzuwerfen, dass sie ihn betrogen hat. TV-Unterhaltung für die gehobene Oberfläche. Immerhin verbirgt Clooney nicht, dass ein guter Entertainer in ihm steckt: Wenn er den Liebhaber seiner Frau trifft, darf man auch mal schauspielerische Raffinesse sehen.
Sie haben also die Wahl: oben, Mitte, unten: Beginnen Sie mit knallhartem Humor und Realitätssinn in «Halt auf freier Strecke»? Ist Ihnen eher nach dem leichten Wohlstandshumor von «Descendants»? Oder steigen Sie lieber in die Passionsgeschichte des prekären Lebens ein und folgen einer Frau in ihrer Verzweiflung?

«Amador» geht mit Beharrlichkeit durchs Fegefeuer. «Halt auf freier Strecke» sucht nach den Kräften des Zusammenhalts einer Familie. Und «Descendants» zeigt, wie arm die Welt der Reichen sein kann.
Ich schlage vor, Sie gehen in alle drei. Oder rennen hin und her. Von Kunst zu Künstlichkeit. Was dazwischen mit Ihnen passiert, ist Leben. Das sollten wir nicht vergessen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 27.01.12

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