Guido Nussbaums unauslöschbare Schatten

Beim Tor der Berufsfeuerwehr Basel-Stadt finden sich merkwürdige Russ-Spuren. Dass es sich dabei um ein Kunstwerk handelt, merkt nur, wer es weiss.

Fast nicht sichtbar: Guido Nussbaums Werk «Russ-Schatten» am Türsturz der Feuerwehr-Ausfahrt.

(Bild: Anthony Bertschi)

Beim Tor der Berufsfeuerwehr Basel-Stadt finden sich merkwürdige Russ-Spuren. Dass es sich dabei um ein Kunstwerk handelt, merkt nur, wer es weiss.

Guido Nussbaums «Russ-Schatten» ist eines jener Kunstwerke im öffentlichen Raum, die wohl die meisten übersehen. Grund dafür ist der Ort, an dem das Werk angebracht ist: Hoch über den Köpfen der Passanten, an der Unterseite des Türsturzes der Feuerwehr-Ausfahrt an der Kornhausgasse. Der Türsturz ist natürlich ein breiter, damit die Feuerwehrwagen darunter durchpassen – etwa einen Meter tief und mehrere Meter breit. Genug Platz, der gestaltet werden kann.

Schon seit 2013 widmet die TagesWoche sich über die Monate Juli und August der «Kunst am Wegrand». Alle in dieser Serie erschienenen Artikel finden Sie auf der Themen-Seite Kunst am Wegrand.

Was Guido Nussbaum dafür im Rahmen eines Kunst-am-Bau-Wettbewerbs des Kunstkredits im Jahr 1998 geschaffen hat, wird aber auch von jenen, die es sehen, nicht unbedingt als Kunstwerk erkannt, weil es wie für diesen Ort geschaffen ist und sich perfekt einfügt. Denn es ist ein Werk aus Russ – und Russ und Feuerwehr, ja, das bringen wir zusammen. Doch wie kommen diese vermeintlichen Brandspuren da hoch?

Die Inspiration für Guido Nussbaums Werk befindet sich an einem anderen Ort, an der Einfahrt zum Feuerwehr-Hinterhof an der Spalenvorstadt. Wer dort an die Decke schaut, der sieht, dass die Decke fast gänzlich schwarz ist. Die breite Spur stammt von den Auspuffen der Feuerwehrwagen, welche die Abgase früher oben rauspusteten, die sich dort über die Jahre hinweg ablagerten.




Die Inspiration für Nussbaums Werk befindet sich an der Decke der Feuerwehr-Einfahrt. (Bild: Anthony Bertschi)

Einfach nur Russ-Spuren nachzumachen, das wär dann aber schon zu einfach gewesen. Also dachte Nussbaum über Russ nach und seine Eigenschaften – und kam vom Russ zum Schatten und zu deren Ähnlichkeiten. Beide sind schwarz, beide düster, beide haben zeichnerische Qualitäten.

Vor Ort zog Nussbaum kleine Lämpchen mit ein, die am Türsturz der Feuerwehrausfahrt montiert sind. Diese blinken, wenn die Tore aufgehen. Auf die Strasse davor postierte der Künstler dann zwei imaginäre Lampen: Eine Stablampe und eine Kugellampe, jeweils auf Höhe der zweiten Lämpchen, von links beziehungsweise von rechts gesehen. Durch diese Lampen werfen die Lämpchen Schatten in unterschiedlichen Schattierungen – je weiter weg von der Lichtquelle, desto weniger starkt zeichnet sich der Schatten ab.




Zwei Lichtquellen ergeben zwei unterschiedliche Schattenwürfe. (Bild: Anthony Bertschi)

Mithilfe einer Fackel zeichnete der Künstler dort, wohin die Schatten fielen, Russ-Spuren auf den Putz. Er habe viel rumprobieren müssen, bis er die richtige Mischung für den perfekten, haltbaren Russ gefunden habe, sagt Guido Nussbaum. Schliesslich umwickelte er die Fackeln mit Stoff, die er in Salatöl tauchte.

Die «Russ-Schatten» sind nicht künstlich fixiert. An der Unterseite des Türsturzes angebracht, sind sie zwar vor Witterung geschützt. Irgendwann aber werden sie vielleicht doch verblassen. So, wie Schatten sich auch plötzlich im Licht auflösen.

 

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