Durch den Seitenvorhang ist aufgedrehtes Gekicher zu vernehmen. Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 2 D der Sekundarschule De Wette sind das erste Mal in ihre Kostüme gestiegen.
Das Kichern steigert sich, als sie auf der Bühne im Ackermannshof erscheinen: eine Gruppe von Superhelden wuselt wild herum, viele mit hautengen Hosen (die später zu einem kleinen Konflikt führen werden), den obligaten Umhängen und zum Teil seltsamen Kopfbedeckungen, wie man sie von der einschlägigen Comicwelt her kennt.
Die 13- bis 14-jährigen Schülerinnen und Schüler nehmen an einem Education-Projekt des Kammerorchesters Basel teil. «Ich hatte mich für meine Klasse beworben und für mich überraschend den Zuschlag erhalten – ohne genau zu wissen, was da auf uns zukommt», sagt Klassenlehrer Thomas Hänzi.
Sind Countertenöre schwul?
Die Schülerinnen und Schüler tragen Namen wie Hassan, Mohammed, Adana und Letizia und sind im A-Zug eingeteilt, der Sekundarstufe mit den einfachsten Anforderungen. Nun stecken sie in einem Opernprojekt mit professionellen Musikern (Cembalo und Cello) und dem international gefeierten Countertenor Terry Wey. Ausgerechnet ein Countertenor, also ein Mann, der mit hoher Kopfstimme singt und damit ab und zu auch Erwachsene mit Opern- und Konzerterfahrung irritiert.
Diese jungen Menschen hatten keinerlei Erfahrung mit Oper und klassischer Musik, zeigten aber auch wenig Berührungsängste, wie die Begleitpersonen einhellig sagen. «Einer der Schüler hat bei den Vorbereitungsarbeiten gefragt, ob Countertenöre schwul seien, ansonsten gab es kaum Irritationsmomente», erinnert sich Klassenlehrer Hänzi.
Countertenor Wey sagt: «Ich hatte Respekt vor dem Projekt, war aber rasch sehr beeindruckt, auf welch selbstverständliche Art sich die jungen Menschen auf eine Kunstform eingelassen haben, mit der sie noch nie etwas zu tun hatten.»
Die Schülerinnen und Schüler sind in dieser Produktion sehr viel mehr als nur Staffage für einen szenischen Liederabend mit dem Star-Sänger. Sie haben zusammen mit Regisseurin Barbara Tacchini den Plot kreiert, der nun auf die Bühne kommt. Es ist eine wilde Fantasy-Geschichte aus der Medienwelt von Heranwachsenden: mit Superhelden auf einem fernen Planeten, die mit ihren konzentrierten Kräften nicht richtig zurande kommen, bis ein Fremder die Kraft der Liebe verbreitet. «Auto-Tune» haben die Schülerinnen und Schüler ihr Projekt getauft.
Es ist ein Stoff, der viel Opernhaftes beinhaltet. Und zugleich das Leben der Jugendlichen mit Migrationshintergrund aufnimmt, die sich in Basel wohl ebenfalls ab und zu wie auf einen fremden Planeten gestrandet vorkommen. Das Stück verbindet die Superheldenwelt mit der hinreissenden Barockmusik von Georg Friedrich Händel. Obwohl Terry Wey seine Stimme während der ersten Durchlaufprobe eine Woche vor Premiere noch schont – er lag kurz zuvor noch mit hohem Fieber im Bett –, klingt deutlich durch, warum dieser Sänger international so hoch gehandelt wird.
Bei der ersten Durchlaufprobe will sich vieles noch nicht recht zusammenfügen. Das heisst, die Übergänge zwischen den einzelnen Szenen, die zuvor separat geprobt worden sind, klappen noch nicht wirklich. Aber das haben erste Durchlaufproben so an sich. Noch gelingt es nicht allen, ihre Hemmungen zu überwinden. Einer der jungen Spieler lässt sich zu Beginn der Probe verunsichern, weil er glaubt, dass ihn jemand bei seinem Auftritt ausgelacht habe. Andere verpassen ihre Auftritte.
«Das Monster ist wirklich gut gelungen»
Aber es ist offensichtlich, dass sich die jungen Spielerinnen und Spieler mit viel Eifer und Engagement in ihre Geschichte reinknien. Das zeigt sich in der Durchlaufprobe insbesondere bei den Gruppen- und Chorszenen. «Das Monster ist euch wirklich gut gelungen», lobt die Regisseurin nach der Probe. Gelungen ist auch der Soloauftritt der Schülerin Adana, die sich mit Cembalo-Begleitung an einen brasilianischen Popsong wagt.
Nach der Probe gibt es eine kurze Nachbesprechung. «Wir befinden uns jetzt schon schön auf der Zielgeraden», muntert Terry Wey seine jungen Mitspielerinnen und -spieler auf. «Wir haben es einigermassen im Griff», meint eine der Jugendlichen und ein anderer pflichtet ihr bei: «Wir sind bereit, noch weiter zu kommen.»
Wirklich kritisch zur Probe äussert sich nur einer der Jugendlichen: Er habe Mühe mit dem Kostüm, sagt er. Insbesondere mit der engen Hose, worauf die Regisseurin und der Klassenlehrer ihn darauf hinweisen, dass Superhelden halt nun mal in engen Hosen auftreten. Er wird sich also wohl oder übel bis zur Premiere am 26. Juni an sein ungewohntes Outfit gewöhnen müssen.
«Auto-Tune» – Musiktheater und Education-Projekt des Kammerorchesters Basel. Am 26. und 27. Juni, 19.30 Uhr in der Druckereihalle des Ackermannshofs an der St. Johanns-Vorstadt 19/20.