250 Laiensänger haben im Stadtcasino bei Georg Friedrich Händels «Messiah» mitgesungen. Um sie zu einem stimmgewaltigen Chor zu vereinen, benötigte Dirigent Andrea Marcon nur eine Stunde Probe. Das Resultat war beeindruckend: So laut, so kräftig und feierlich hört man Händels berühmtes «Hallelujah!» nur selten.
Einmal im Musiksaal des Stadtcasinos musizieren, gemeinsam mit einem Profiorchester und Gesangssolisten, einmal mit einem grossen Dirigenten arbeiten – für manche ist am Sonntag wohl ein Traum in Erfüllung gegangen. Andrea Marcon hatte eingeladen, Georg Friedrich Händels «Messiah» mitzusingen. 250 Hobbysänger aus der ganzen Deutschschweiz und aus Süddeutschland waren gekommen, sogar einige Familien mit ihren Kindern. Während Laienchöre gewöhnlich ein halbes Jahr benötigen, um ein Werk dieser Kategorie einzustudieren, hatte Marcon lediglich mutige zwei Stunden eingeplant, um den ad-hoc-Chor zur Konzertreife zu trainieren
«Die Basler können so gut Noten lesen, das schaffen wir bestimmt», begrüsste er am Nachmittag die Sänger, die sich bereits fein säuberlich nach Stimmregistern auf den Seitenemporen und im Parkett des Musiksaals sortiert hatten. Marcon sollte Recht behalten: Nach der Einstimmung mit der üblichen Chorgymnastik – Körper abklopfen, Kiefer massieren, Gaumen lockern – ertönte bereits der erste Zusammenklang ausgesprochen homogen. Ein verheissungsvoller, stimmgewaltiger Ruf erfüllte den Musiksaal: «The Lord gave the word».
Schnell wird klar, dass die meisten dieses Werk in- und auswendig können. Wer schon länger in einem grossen Chor mitsingt, wird irgendwann einmal auch dieses Oratorium einstudiert haben – erst kürzlich führte es der Basler Gesangverein im Münster auf. So musste Marcon gar nicht viel tun: Sein deutliches Dirigat genügte, um das Zusammenspiel zu sichern, ein Hinweis, die in der Partitur notierten Lautstärkenangaben zu beachten, wird erstaunlich rasch umgesetzt; rhythmische Raffinements sind nach wenigen Durchläufen perfektioniert. Bereits nach einer Stunde ist alles geprobt.
Grosse Tradition
So schnell geht das nicht überall. In Spaniens Grossstädten, wo das jährliche «Concierto participativo» eine grosse Tradition besitzt, treffen sich die Laiensänger bereits Monate im Voraus. In diesem Jahr leitete Marcon diese Konzerte, gemeinsam mit dem La Cetra Barockorchester Basel. 500 Menschen sangen in Madrid den «Messiah», 2000 Menschen sassen zusätzlich im Publikum – keine ungewöhnlichen Ausmasse für dieses populäre Werk; schon im späten 18. Jahrhundert gab es in England Gedenkkonzerte zu Ehren Händels mit 800 Mitwirkenden.
Nun versuchte Andrea Marcon diese Tradition nach Basel zu tragen – mit zwiespältigem Ergebnis. Erstklassig war die musikalische Darstellung, dürftig der Publikumszulauf. Vermutlich hat die Ankündigung eines «Mitsingkonzerts» einige potentielle Zuhörer abgeschreckt – denn dass man bei diesem Konzert auch zuhören durfte, ohne die eigenen Stimmbänder in Schwingung zu setzen, war vermutlich nur wenigen bewusst. Und so hielten sich Mitwirkende und Ausführende leidlich die Waage.
Gänsehautmoment
Dabei erbrachte dieser hochwertige ad-hoc-Laienchor in Kombination mit dem klein besetzten Berufschor – dem neu gegründeten La Cetra Vokalensemble – erstaunliche Klangeffekte. Die zwanzig Sängerinnen und Sänger, allesamt junge Absolventen der Schola Cantorum Basiliensis, übernahmen jeweils die schwierigen Passagen. Sie glänzten mit kernigem, glockenhellen Klang, mit ihrer selbst in den schnellen Fugen klaren Stimmführung, mit ihrer Beweglichkeit in der Dynamik. Und als dann nach einem fein gestalteten «For unto us a child is born» die 250 Mitsänger mit einem voluminösen, dennoch kompakten «Wonderful, Counsellor» einstimmten, gab es den ersten Gänsehautmoment.
Bei all dem begleitete das La Cetra Barockorchester mit pointierter Artikulation, folgte sicher den durchwegs zügigen Tempi Marcons und setzte seine Erfahrung mit Händel (zuletzt am Theater Basel mit «Ariodante») in einen feinen, luftigen Gesamtklang um. Die Gesangssolisten zeigten solide Leistungen: Maria Espada mit klarem, in den Koloraturen etwas engem Sopran, Franziska Gottwald mit dunklem, weit ausschwingendem Mezzosopran, Jeremy Budd mit hellem, gut sitzenden Tenor und Ismael Arróniz mit sonorem Bass. Der Hauptdarsteller aber blieb der Mitsingchor: So laut, so kräftig, so feierlich hört man Händels berühmtes «Hallelujah!» nur selten.