Happy Birthday Colab! Die Streetart-Galerie feiert ihr zehnjähriges Bestehen

Die Colab Gallery in Weil am Rhein fördert seit 10 Jahren urbane Kunst. Happy Birthday!

In der Jubiläumsausstellung vertreten: Graffiti vom französischen Streetart-Künstler L'Outsider.

Die Colab Gallery in Weil am Rhein fördert seit 10 Jahren urbane Kunst. Happy Birthday!

Den Grundstein legte 2006 der Geschäftsführer von Carhartt Europa Edwin Fäh zusammen mit dem Künstler Sigi von Koeding: Mit dem Errichten eines Neubaus an der Schusterinsel 9 wurde nicht nur ein Kleiderladen, sondern auch die Carhartt-Galerie für urbane Kunst mit verwirklicht. Koeding, der unter seinem Sprayernamen Dare die frühste regionale Graffiti-Szene mitprägte, gelang es als Kurator, das Vertrauen von anerkannten «Writern», also Schriftzug-Künstlern, für Ausstellungen zu gewinnen.

«Sigi hatte ein grosses Netzwerk an etablierten Sprayern, weil er selbst durch die Welt getingelt ist», erinnert sich der gegenwärtige Kurator Stefan Winterle, «damals gab es kein Internet, man hat sich höchstens Fotos geschickt, das Persönliche war früher wichtiger als in der heutigen digitalen Welt».

Erstmal nur für Hardcore-Fans

In den ersten Jahren war die Galerie eine Ausstellungsplattform für Graffiti-Sprayer, die sich hauptsächlich an Hardcore-Fans richtete. Erst mit der Ausstellung «Public Provocations» 2009 kam es mit gezielter Organisation und Marketing zu struktureller Veränderung. Mit einer öffentlichen Vernissage und grosser medialer Resonanz wurde urbane Kunst auch jenseits des Writer-Klientels gefeiert.

Nach vier Jahren Bestehen war das Bedürfnis da, sich aus Administrations- und Imagegründen von dem Galerienamen Carhartt zu lösen und eine Tochtergesellschaft zu gründen. Der neu gewählte Name «Colab» betonte das familiäre Kollaborieren mit den Künstlern und den wie in einem Labor experimentierenden, ständig wandelnden Charakter der Street Art.



Das Team der Colab-Gallery: Kevin Reinhart, Anne Funk, Susan Müller, Rudi Anker, Stefan Winterle und Daniel Künzler.

Das Team der Colab-Gallery: Kevin Reinhart, Anne Funk, Susan Müller, Rudi Anker, Stefan Winterle und Daniel Künzler.

Als Sigi von Koeding im Jahre 2010 starb, übernahm nach einem kurzen Wechsel der Stencilkünstler Stefan Winterle die kuratorische Aufgabe. Da er sein Atelier Tür an Tür mit Koeding gehabt hatte, war er bereits in den Anfängen als Helfer in die Galeriearbeit mit eingebunden worden.

Strassenbezug ist höchstes Credo

Zu den Highlights der Galeriearbeit gehört die Suche nach begabten Strassenakteuren. «Ein Vorzeige-Beispiel ist die Kanadierin Laurence Vallières, der mit den hier ausgestellten Kartonfiguren ein Sprung in die europäische Kunstszene gelang», sagt Reinhart mit Stolz erfüllten Augen. Aber auch die persönliche Begegnung mit Writer-Ikonen, wie dem 1961 in New York geborenen Graffiti-Künstler Seen, bescherte sogar Sigi von Koeding Gänsehaut.

Der Strassenbezug eines Künstlers ist auch nach zehn Jahren noch das Grundkriterium um in der Colab Gallery ausstellen zu können. Eine eigenständige, authentische Bildsprache, technische Versiertheit und Wiedererkennungswert gehören zu den weiteren Bedingungen.
Einer der neun Künstler, der für die jetzt stattfindende Jubiläumsausstellung sehr gerne wiedergekommen ist, ist der Dortmunder Mark Gmehling. Seine abstrakten, spielerisch in sich verschlungenen Figuren erzählen von der Absurdität des menschlichen Daseins.



Verschlungene Figuren sind sein Markenzeichen:Streetart des deutschen Künstlers Mark Gmehling.

Verschlungene Figuren sind sein Markenzeichen:Streetart des deutschen Künstlers Mark Gmehling.

Obwohl er sehr von Oldschool-Graffitis beeinflusst ist, ist es für Gmehling eine Inspiration, dass sich die Szene durch neue Techniken und Bildthemen immer wieder erfindet. «Durch Street-Art sind neue Disziplinen möglich, man ist nicht mehr nur auf Sprühdose beschränkt, es können zum Beispiel auch gekleisterte Bilder oder Pappbecher in Zäunen sein, die Buchstaben bilden.»

Er selbst hat irgendwann als Sprüher von den kryptischen Schriftzeichen zu Figuren gewechselt, damit seine Malerei nicht nur in der Writer-Szene ankommt, sondern auch von einer breiten Bevölkerung verstanden werden kann. In seinem Atelier oder den legal gemalten «Murals» strebt er, ohne Hektik und Angst erwischt zu werden, die Perfektion der Bildgestaltung seiner am Computer entstandenen Menschendarstellungen an.

Die Streetart ist angekommen

Solche Möglichkeiten legaler Streetart waren früher nur schwer denkbar. Da habe es bei den Menschen auch mehr Überzeugungsarbeit gebraucht, meint Geschäftsführer Kevin Reinhardt: «Graffiti wurde noch vor zehn Jahren oft als Provokation oder Verschmutzung gedeutet.» Dafür sei der Aha-Effekt über das gestalterische Niveau auch wesentlich grösser gewesen.

Und heute? «Heute wird Urban-Art auch von Personen über fünfzig als eine etablierte Kunstrichtung wahrgenommen», sagt Reinhardt. Und sein Kollege Winterle ergänzt: «Früher hat die Kunstszene einen Sprayer vollkommen abgelehnt, heute kann man sich sogar mit Fotografien von Graffitis für ein Studium bewerben.»

Dass das heute in der Region Basel und Umgebung möglich ist, ist in vieler Hinsicht Verdienst der Colab Gallery. In zehn Jahren haben hier 150 internationale Künstler ihre von Graffiti inspirierten Werke gezeigt, neun davon stellen nun in der Jubiläumsausstellung wieder aus.

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«Welcome Back», Ausstellung zum 10-jährigem Jubiläum, 14. Juni bis 15. Oktober 2016, Colab Gallery, Schusterinsel 9, Weil am Rhein.

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