Herrlich opulent und raffiniert

Vielversprechender Auftakt des neuen Konzertjahres in der Basler Kaserne: Get Well Soon (D) begeistern im Rossstall mit klugem, schwelgerischem Pop.

Konstantin Gropper begeistert in der Kaserne Basel mit Songs und Stimme. (Bild: Angelika Schori)

Vielversprechender Auftakt des neuen Konzertjahres in der Basler Kaserne: Der 30-jährige Konstantin Gropper begeistert im Rossstall mit seinem klugen, schwelgerischem Pop, Marke «Get Well Soon».

Get Well Soon, der Name steht weniger für eine Band als vielmehr für ein Projekt eines musikalischen Masterminds: Konstantin Gropper, 30-jähriger Schwabe, Sohn eines klassikbegeisterten Musikpädagogen, Cellist, Gitarrist, Multiinstrumentalist. Gropper komponiert Popsongs, die mitunter sinfonische Filmscore-Qualitäten aufweisen. Mit seinem Flair für instrumentale Finessen und Arrangementkombinationen hat er erstmals vor fünf Jahren aufhorchen lassen: «Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon», sein Debütalbum, entzückte die Kritiker und machte den studierten Musiker (Popakademie Mannheim) und Philosophen (Uni Heidelberg) in Windeseile bekannt.

Herrlicher Hang zu Melancholie und Pathos

«Wunderkind im Teufelskreis» titelte die «Stuttgarter Zeitung» vor drei Jahren. Das erinnert an Beschreibungen, wie man sie in den Feuilletons seit den Nuller-Jahren auch immer wieder über Conor Oberst lesen konnte, den Mastermind der US-amerikanischen Bright Eyes.

Tatsächlich könnte man zugespitzt sagen: Was in den USA Conor Oberst mit Bright Eyes und in Grossbritannien The Divine Comedy, ist Get Well Soon für Deutschland: Eine als Band getarnte One-Man-Show eines Mannes mit grossem kompositorischem Talent und einem herrlichen Hang zu Melancholie und Pathos.

Hommage an Morricone – und Seitenhieb an Emmerich

Das unterstreicht Gropper am Samstag bei seinem Konzert im Rossstall der Basler Kaserne, das wir mit Spannung erwartet haben. Sein aktuelles, drittes Album «The Scarlet Beast O’Seven Heads» (2012) vereint Rock mit fiktiver Filmsoundtrackmusik, kombiniert Grandezza mit Ironie, so etwa im Song «Roland, I Feel You», den er dem Katastrophenfilmemacher Roland Emmerich gewidmet hat und worin ein Morricone-mässiger Frauengesang prächtig abhebt. Hinzu kommt eine Diversität und Vielschichtigkeit, dass man sich angehörs dessen fragen mag: Lässt sich dieses ornamentale Popalbum live adäquat umsetzen?

Die Antwort, das wird nach wenigen Konzertminuten klar: Jawoll, Get Well Soon gelingt die Übersetzung dieser Lieder auf die Bühne. Und wie! Live zum Sextett aufgestockt, bringen sie die neuen Songs überzeugend auf die Bühne, ja, übertreffen teilweise gar die Studioversionen. Gropper und Konsorten greifen dafür bei manchen orchestralen Passagen auf Einspielungen via Sequenzer zurück, sprich: manch eine ausgeklügelte «Wall Of Sound», die Gropper wie immer in Heimarbeit und mit Freude an technischen Sampling-Möglichkeiten aufgenommen hat, wird ab Band ins Live-Set eingespiesen.

Ventilposaune und Vibrafon

Diese Kniffe verschränken Get Well Soon mit der Intensität der Livedarbietung, sodass es eine helle Freude ist, dieser Band zuzuhören und zuzuschauen: Da wechselt allein der Rhythmusgitarrist Maximilian Schenkel bei Bedarf zur Trompete und Ventilposaune – oder lässt auch mal warme Vibrafonklänge wummern. Die Wechsel an den Instrumenten, aber auch in den Tempi und Stilen (besonders markant in «Disney») sorgen dafür, dass unsere Sinne ständig aufs Neue überrascht und betört werden – Abwechslung ist garantiert. Dafür sorgt auch der Bandleader, der zwar mit seinem Anzug, Gilet und Krawatte wie ein Musterschüler aussieht, aber nach dem balladesken «Prologue» und dem wunderbaren «The Last Days Of Rome» mit grosser Inbrunst singt und sich etwa in den 6/8-Takt des fantastischen älteren Stücks «5 Steps/7 Swords» hinein schaukelt.

Elton John als Schönheitsfehler

Gropper zieht im Laufe des Konzerts alle Register, zupft mal eine 12-saitige Akustikgitarre, greift mal wuchtig in die Saiten eines E-Instrumentes, kleidet seine sehnsüchtigen Lieder in opulente Kostüme ein und bietet sie mit viel Pathos in der Stimme dar. Mit seinem wohligen Bariton erinnert er an Neil Hannon (The Divine Comedy) oder – was liegt näher? – Elia Rediger von The bianca Story. Wie bei der Basler Band setzt auch bei Get Well Soon eine helle Frauenstimme einen schillernden Kontrast zum tiefen männlichen Leadgesang, was die Lieder um eine prächtige Dimension erweitert. Es ist Groppers Schwester Verena, die ihren Sopran erklingen lässt, daneben auch mal Violine oder Melodica spielt und so zu den ohnehin raffinierten Arrangements weitere Klangfarben beiträgt.

So raffiniert und doch zugänglich sind die Lieder von Get Well Soon, dass eine Coverversion – überraschenderweise «Tiny Dancer» von Elton John – am Ende des Konzerts aus den Reihen tanzt und im Gesamtrepertoire eher abfällt. Das Cover (das auch nicht an das Original herankommt): Vielleicht der grösste Schönheitsfehler an diesem Abend. Vielleicht auch der einzige. Ansonsten liefern Get Well Soon, die an diesem Abend auch gleich ihre Winter-Clubtour beenden, ein fantastisches, ein inspiriertes und inspirierendes Konzert. Ein starker Auftakt ins neue Konzertjahr der Kaserne.

 

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