Hinter der Geheimtür

Der holländische Künstler Toon Verhoef zeigt im Kunsthaus Baselland Malerei in Übergrösse. Das ist anstrengend – für Aussteller und Betrachter. Und gerade deshalb besonders sehenswert.

Toon Verhoef: «Schau dir diese Bilder an, sie nehmen so viel Platz ein, sie brauchen Raum.» (Bild: Serge Hasenböhler)

Der holländische Künstler Toon Verhoef zeigt im Kunsthaus Baselland Malerei in Übergrösse. Das ist anstrengend – für Aussteller und Betrachter. Und gerade deshalb besonders sehenswert.

«Manchmal ist es schön, ein Geheimnis zu erzählen.» Toon Verhoef lächelt. Der holländische Künstler steht im Kunsthaus Baselland und führt die Presse durch den Teil der neuen Ausstellung, in dem seine Werke hängen. Gerade mal fünf Stück sind es, aber wem der Holländer ein Begriff ist, der weiss: Fünf Verhoef-Gemälde in einen Ausstellungsraum zu kriegen, ist kein Ding der Einfachheit.

Das liegt zum einen an den Dimensionen der Werke: Sie sind knapp drei auf sechs Meter gross und konnten nur durch präzise Vorgehensweise und mit viel Fingerspitzengefühl durch das Eingangstor des Ausstellungshauses gebracht werden. Die Masse sind aber nicht das einzig Grosse an den Werken. Mindestens ebenso vereinnahmend ist die Präsenz, die von den gewaltigen Bildern ausgeht.

Alfred Hitchcock als Inspiration

Aber zurück zum Geheimnis: Verhoef steht vor einem grossen gelben Bild und hat sich entschieden, es uns anzuvertrauen. «In Vertigo von Alfred Hitchcock gibt es diese Szene, wo Kim Novak die Altersringe eines Baumes berührt. Es ist eine überwältigende Aufnahme, wie die Kamera vom Panorama zur Hand wechselt und sich alles, worum es im Film geht, in einem Moment verdichtet.» Diese kurze Sequenz wollte der Künstler in abstrakte Malerei bannen.




Offenes Geheimnis: Dieses Bild wurde von Hitchcocks «Vertigo» inspiriert. (Bild: Serge Hasenböhler)

Entstanden ist ein Bild, das auf den ersten Blick wenig mit der erwähnten Szene gemeinsam hat: Grosse gelbe Flächen, durchzogen von weissen Striemen und Flecken in hellem Türkis. Dazu kommt eine eigenartige Oberfläche: Verhoef arbeitet mit Transfers, er macht Abzüge mit farblosem Acrylbinder und malt darauf, um die dünnen Schichten dann verkehrt herum auf die Leinwand zu kleben. Auf diese Rückseiten trägt er dann jeweils noch einmal eine Schicht Ölfarbe auf. Das verleiht den Bildern eine Dreidimensionalität, die den Betrachter regelrecht ins Bild hineinzieht.

Das fasziniert auch Kuratorin Ines Goldbach: «Das Gefühl bei Verhoefs Bildern ist, wie wenn jemand eine geheime Tür aufmacht und man plötzlich von dem, was sich dahinter versteckt, angesprungen wird», sagt sie. Man fühle sich angezogen, man trete näher – und plötzlich fliegt einem alles entgegen.

Tor zu einer anderen Welt

Mich erinnert es an die Tür in Lewis‘ Narnia, wo die kleine Lucy einen geheimen Durchgang in einem Wandschrank findet und in eine magische Welt gelangt, und an das Gespräch mit Adam Green über Mark Rothko. Er bezeichnete den roten Rothko in der Fondation Beyeler als «Tor zu einer anderen Dimension», und ähnlich verhält es sich mit Toon Verhoefs Bildern: Sie sind ein Blick in die Schichten des Bewusstseins und nehmen den Betrachter völlig ein. Alles Aussenstehende verschwindet in der Präsenz dieser gewaltigen Werke.

Genau um dieses Erlebnis geht es dem Künstler: «Der Komponist John Cage hat mal gesagt: ‹Ich mache etwas, weil ich etwas hören will.› Ich mache etwas, weil ich etwas sehen will.» Es gehe um die Erfahrung, die beim Sehen gemacht wird, nicht um das Objekt selbst. Das Objekt selbst könne alle möglichen Assoziationen hervorrufen, eine Bekannte von ihm hätte das eine Bild gar mit verschüttetem Joghurt verglichen. Tatsächlich gehe es aber um die Situation, in die man sich beim Sehen begibt.

Jedem Werk seine eigene Wand

Und für die reiche auch nur ein Werk. Sowieso, so Verhoef, sei seine Vorstellung einer idealen Ausstellung eine Werkschau mit nur einem Bild: «Schau dir diese Bilder an, sie nehmen so viel Platz ein, sie brauchen Raum.» Raum, der keine anderen Bilder toleriere. Die Situation im Kunsthaus Baselland komme dem sehr nahe: «Hier haben meine Bilder sehr viel Platz für sich, das ist toll. Sie entstehen einzeln, und so sollte man sie auch zu sehen bekommen: ohne Ablenkung.»

Das ist Ines Goldbach gelungen. Dank der unüblichen Raumverteilung im Ausstellungsraum sind die Werke grosszügig an den Wänden angebracht und stehen einander nicht im Weg. So kann sich der Betrachter auf jedes Geheimnis einzeln einlassen. Ob das nun bedeutet, dass man sich nach Narnia verirrt oder einfach nur einen gigantischen verschütteten Joghurt vor sich sieht – das bleibt jedem selbst überlassen.

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«Toon Verhoef»
, Kunsthaus Baselland, 19. September bis 16. November. 
Gleichzeitig läuft die Ausstellung «HALLO ERIK» mit Erik Steinbrecher. 

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