Hundert Punkte

Das schwer angesagte Hamburger Elektropop-Duo Hundreds spielte gratis in der Kleinbasler Bar Grenzwert. Bereits nach wenigen Takten war an Einlass nicht mehr zu denken.

Das schwer angesagte Hamburger Elektropop-Duo Hundreds spielte gratis in der Kleinbasler Bar Grenzwert. Bereits nach wenigen Takten war an Einlass nicht mehr zu denken.

«Früh kommen lohnt sich»: Für einmal erwies sich dieser oft gehörte Slogan als wahr, denn wer am Mittwochabend um halb zehn Uhr nicht im Grenzwert Spalier stand, sah buchstäblich in die Röhre. Bereits nach wenigen Takten war an Einlass nicht mehr zu denken – und auch von draussen her einen Blick ins Innere des überfüllten Lokals zu erhaschen, wurde für viele enttäuschte Zuspätgekommene zur Illusion, war die Glasfront an der Rheingasse doch komplett abgedeckt worden, um die Band dahinter ins rechte Licht zu rücken.

 

Drinnen drängten sich weit über hundert stilvoll zurechtgemachte Hipster und Musikaficionados. Kein Wunder: Nicht jeden Tag gastiert eine Hypeband wie Hundreds in der Stadt, und schon gar nicht gratis. Grenzwertig waren daher nicht nur die Platzverhältnisse, sondern auch Temperatur und Luftqualität: Man wähnte sich fast in einem guten alten, stickigen und zugequalmten Kellerschuppen, nicht in der hippen Basler Bar.

Sparsame Samples, schmachtende Synthies

Der intime Rahmen bot ein perfektes Setting für Philipp und Eva Milner, die mit ihrem schwer angesagten Duo Hundreds den Geschwisterpaar-Boom im Electro-Pop-Bereich fortsetzen. Und ähnlich ihren Vorreitern wie The Knife verstehen es die Milners bestens, aus sparsamen Samples von Haushaltsgegenständen, schmachtenden Synthieflächen und dem glasklaren Gesang Evas kleine Oden an die Schwermut zu basteln, die trotz aller Melancholie immer auch luftigleicht daher kommen.

Getaucht in rauchig blaugraues Licht steht Madame Milner nur eine Handbreit vom Publikum entfernt und singt herzzerreissend vom heimatlichen Hamburger Hafen, vom davonsegelnden «Sailor» und kleinen, gebrochenen Herzen, während ihr Bruder mit effektvoll eingesetzten Beats und Breaks den tanzbaren Boden bereitet. Das ist eingängig, das ist bezaubernd, das erinnert mal an die schnarrende Schönheit von Portishead, mal an die märchenhaften Kinderlieder von Rebecca & Pupkulies.

Wertvolle Begrenzung

Passend dazu gibt die selbsternannte «Storchenprinzessin» Eva in filigranen Ballerina-Tänzen den sterbenden Schwan so lieblich, dass sich das Publikum trotz des Platzmangels gerne mitbewegt. Dass «Hundreds» trotz einiger Perlen im Repertoir musikalisch noch nicht hundertprozentig eigenständig klingen, verzeiht man den Newcomern gerne, und bleibt nach dem selbstbetitelten Debüt und dem soeben erschienenen Themenmixtape «Variations» gespannt auf die weiteren Taten von Hänsel und Gretel Hundred.

Heimlicher Star des Abends ist aber das Lokal selbst, welches das perfekte Ambiente für diesen Auftritt bietet. Spektakuläres Licht, toller Ton und aussergewöhnliche Atmosphäre: Hundert Punkte, denn hier stimmte trotz, oder gerade wegen der räumlichen Begrenzung einfach alles. Da langte man bei der nachfolgenden Kollekte gerne etwas tiefer in die Tasche, und hofft, dass diesem Coup von Booker Sebastian Bolli nach hunderte weitere Streiche folgen mögen. Denn der Kulturstadt Basel würde es keinesfalls schaden, noch mehr solch kleine, aber feine Locations für Newcomerbands im Köcher zu haben.

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