«Ich will mit meinem Theaterstück zeigen, dass die Konsumenten manipuliert werden»

In seiner Heimat ist er ein bekannter Mann. Jetzt bietet sich im Rahmen des Festivals Culturescapes auch in Basel die Gelegenheit, die eigenwillige Bühnensprache des japanischen Theatermachers Toshiki Okada kennenzulernen. Die TagesWoche hat ihn zu einem Interview getroffen.

«Ich beobachtete Menschen, die seltsame Bewegungen machen.» Der japanische Theatermacher Toshiki Okada gastiert mit seiner Company in Basel. (Bild: Dominique Spirgi)

In seiner Heimat ist er ein bekannter Mann. Jetzt bietet sich im Rahmen des Festivals Culturescapes auch in Basel die Gelegenheit, die eigenwillige Bühnensprache des japanischen Theatermachers Toshiki Okada kennenzulernen. Die TagesWoche hat ihn zu einem Interview getroffen.

Geschrieben hat er eine Farce auf die überbordende japanische Konsumwelt, die auch durch die Jahrhundertkatastrophe von Fukushima nicht oder kaum zum Umdenken gebracht werden konnte. Im Gespräch wirkt der 1973 geborene japanische Theatermacher Toshiki Okada freundlich und ernsthaft.

Seine Antworten erscheinen entsprechend sehr gut überlegt, aber auch zurückhaltend. Das mag zum Teil auch daran liegen, dass die Aussagen Okadas vom Japanischen ins Deutsche übersetzt werden mussten (die TagesWoche bedankt sich bei der Übersetzerin Yukino Gütlin für ihre Hilfe).

In seinem Stück «Super Premium Soft Double Vanilla Rich» wirft Okada einen bitterbösen Blick auf eine Gesellschaft, deren Träume vom Sortiment eines Warenhauses beherrscht werden – eines Warenhauses, das als Mikrokosmos für die alles beherrschende Konsumwelt dient, wo die Mitarbeiter von kontrollwütigen Betriebsstrukturen unterjocht und die Kunden durch ein gepimptes Warensortiment manipuliert werden.

Toshiki Okada, mögen Sie Eiscrème?

Nicht so sehr.

Demnach wohl erst recht nicht das «Super Premium Soft Double Vanilla Rich», nach dem Sie Ihr Stück benannt haben?

Das ist ein Name, den ich mir selber ausgedacht habe. Es sind aneinandergereihte gut klingende Begriffe. Ähnliche Bezeichnungen gibt es zwar tatsächlich, auch wenn diese meist etwas kürzer sind.

Ist es für Sie ein Symbolbegriff für die überbordende japanische Konsumgesellschaft?

Ich will zeigen, dass die Konsumenten mit solchen Begriffen manipuliert werden. Und ich wollte diese Tatsache etwas überhöhen, denn die Bezeichnung «Super Premium Soft Double Vanilla Rich» hört sich doch wirklich etwas albern an.

Ist diese Art der Manipulation von Konsumenten ein Problem, das in Japan besonders präsent ist, oder meinen Sie, dass dies die gesamte westliche Welt betrifft, also auch Europa und Amerika?

Von Japan weiss ich es, von anderen Ländern kann ich es nicht explizit sagen, weil ich diese nicht so gut kenne. Aber ich stelle mir vor, dass es hier in Europa ähnlich sein kann. Ich will mit meinem Stück die Frage in den Raum stellen, ob die Menschen hier auf ähnliche Weise manipuliert werden.

Sie haben dieses Stück ja als Auftragswerk für das Festival Theater der Welt in Mannheim geschrieben und inszeniert. Wie kam es dazu?

Matthias Lilienthal, der Leiter des Festivals, hatte mich mehrmals an sein eigenes Theater, das HAU in Berlin, eingeladen. Daraus ist eine gute Verbindung entstanden. Und so fragte er mich an, ob ich für das Festival ein Stück entwickeln würde.

Haben Sie bei diesem Stück speziell an ein europäisches Publikum gedacht oder hätten Sie es in Tokio gleich gemacht?

Ich wollte keinen Unterschied machen, ob ich nun für ein deutsches oder ein japanisches Publikum schreibe. Ob das in der Wahrnehmung so herüberkommt, weiss ich noch nicht, denn das Stück war in Japan bisher noch nicht zu sehen. Es wird erst im Dezember aufgeführt, dann werde ich es sehen. Aber ich hoffe, dass die Menschen sowohl hier als auch in Japan und auch in anderen Ländern zum Nachdenken angeregt werden.

«Ich habe nicht explizit vorgehabt, die Gesten des traditionellen Theaters aufzunehmen.»

Sie haben eine ganz eigene Bühnenästhetik entwickelt, indem sie die Sprache oder das Sprechen der Schauspieler von der Gestik entkoppeln. Was ist die Idee dahinter?

Die eigenartigen Bewegungen habe ich dem Alltag entnommen. Ich beobachtete Menschen, die seltsame Bewegungen machen, das habe ich im Stück aufgenommen. Es sind nicht nur Bewegungen, die der Verständigung dienen, sondern solche, die unbewusst geschehen, um das, was man sagt, auf eine gewisse Weise zu ergänzen. Aber diese Bewegungen werden auf der Bühne etwas überhöht, das Theater darf das.

Das traditionelle japanische Theater, das Nō- oder Kabuki-Theater, arbeitet ebenfalls mit künstlerisch überhöhter Gestik. Nehmen Sie Bezug auf diese traditionellen Theaterformen?

Ich habe nicht explizit vorgehabt, die Gesten des traditionellen Theaters aufzunehmen. Aber ich möchte auch nicht sagen, dass Ihre Assoziationen falsch sind. Kann sein, dass ich unbewusst etwas übernommen habe. Die Wurzeln des Theaters liegen natürlich in der Tradition, auch wenn wir uns hier nicht explizit darauf berufen.

Ihr Stück wird von Musik von Johann Sebastian Bach untermalt. Wie kamen Sie dazu, die kühle Kapitalismus- und Konsumwelt mit Bachs Wohltemperiertem Klavier zu verbinden?

Diese Kombination stellt auf der einen Seite natürlich einen absurd-komischen Kontrast dar. Bachs Musik wurde für die Kirche geschrieben, sie hat etwas Reines und Heiliges, während dies dem Convenience-Store völlig abgeht. Aber manchmal denke ich, dass diese Stores für viele Japaner zu einer Art Kirche geworden sind. Vielleicht gibt es also doch Verbindungen.

Wenn wir Europäer an Kunst und Theater aus Japan denken, dann kommen uns in erster Linie die grossen traditionellen Formen in den Sinn. Wie präsent ist das zeitgenössische Theater, wie Sie es vertreten, in Japan?

In Tokio gibt es viele Menschen, die zeitgenössische Kunst und Theater schätzen. Aber ich habe das Gefühl, dass diese Kunst hier in Europa einen stärkeren Einfluss hat als in Japan. Bei uns in Japan ist das Publikum, welches das traditionelle Theater besucht, ein anderes als das, welches ins zeitgenössische Theater geht.

«Manchmal denke ich, dass diese Stores für viele Japaner zu einer Art Kirche geworden sind.»

Sie sind auch Autor und haben Ihr Stück selber geschrieben. Arbeiten Sie immer so oder führen Sie auch Stücke anderer Autoren auf?

Bis jetzt habe ich mit meiner Company nur eigene Stücke aufgeführt.

Ist das der gängige Weg im zeitgenössischen japanischen Theater oder gibt es auch Theaterautoren, die nicht inszenieren?

Es gibt Theaterautoren, die nur schreiben, aber nicht viele. Die meisten arbeiten so wie ich als Autor und Regisseur für eine Truppe.

Zurück zu Ihrem Stück: Im Stückbeschrieb lese ich, dass Sie bei Ihrem Blick auf die japanische Konsumwelt Bezug nehmen auf die Apathie, welche die japanische Gesellschaft nach der Katastrophe von Fukushima erfasst hat. Wie ist dieser Zusammenhang zu verstehen?

Ich habe meine Konsumgewohnheiten verändert. Ich frage mich, ob diese 24-Stunden-Convenience-Shops, die in Japan sehr verbreitet sind, wirklich nötig sind. Ich habe auch erwartet, dass die Konsumgesellschaft sich hinterfragt – zumindest was die Verschwendung der Energie angeht. Es gibt zwar Menschen, die ihr Verhalten hinterfragt haben, aber alles in allem hat sich nicht viel verändert. Das hat mich schockiert und mich auch dazu angeregt, dieses Stück zu schreiben.

Kann Theater die Welt oder die Gesellschaft verändern? Versuchen Sie es?

Man muss es versuchen. Ich kann vielleicht im kleinen Rahmen etwas erreichen. Aber auch das hat zwei Seiten. Ein Theater, das die Menschen zu manipulieren versucht, ist nicht gut. Aber Theater soll die Menschen zum Denken anregen.

 

«Super Premium Soft Double Vanilla Rich» von Toshiki Okada, mit der Chelfitsch Theatre Company. Gastspiel im Rahmen des Festivals Culturescapes in der Reithalle der Kaserne Basel am 13. und 14. November. Am 18. November folgt im Literaturhaus Basel eine Lesung aus Okadas Erzählband «Die Zeit, die uns bleibt».

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