«Ich wollte nie nur ein Programm für die Kasse machen»

15 Jahre lang war Bernhard Mendes Bürgi Direktor des Kunstmuseums Basel. Ende August wird er den Stab an seinen Nachfolger übergeben. Im Gespräch mit der TagesWoche blickt er zurück auf eine Ära, in der er versuchte, die Balance zwischen Ausstellungs- und Sammlungshaus zu finden.

Bernhard Mendes Bürgi über die Rolle des Direktors eines staatlichen Museums: «Ich musste den Spagat zwischen einem Dienststellenleiter des Präsidialdepartements und einem Gegenüber privater Donatoren vollziehen.»

(Bild: Nils Fisch)

15 Jahre lang war Bernhard Mendes Bürgi Direktor des Kunstmuseums Basel. Ende August wird er den Stab an seinen Nachfolger übergeben. Im Gespräch mit der TagesWoche blickt er zurück auf eine Ära, in der er versuchte, die Balance zwischen Ausstellungs- und Sammlungshaus zu finden.

Rund 60 Umzugskisten stapeln sich im Büro des Basler Kunstmuseumsdirektors Bernhard Mendes Bürgi. Und in seinem Kopf Erinnerungen an 15 Jahre, die er an der Spitze eines der führenden Kunstmuseen der Welt verbracht hatte.

Es sind Erinnerungen an die erfolgreichste Basler Ausstellung aller Zeiten mit «Vincent van Gogh. Zwischen Erde und Himmel: Die Landschaften» (nicht sein persönlicher Höhepunkt), an zahlreiche Einkäufe bedeutender Werke der Gegenwartskunst (u. a. «Die Verkündigungen nach Tizian von Gerhard Richter» – ein Höhepunkt), an den Abgang der Sammlung Staechelin («Das Thema überspringe ich jetzt.») und an die Erstellung und die Eröffnung des Erweiterungsbaus (ein wichtiger Schritt, die Balance zwischen Ausstellungs- und Sammlungshaus zu perfektionieren).

Herr Bürgi, wir sitzen hier in Ihrem Büro mitten in Umzugskartons – ein deutliches Zeichen, dass die letzten Stunden Ihrer Direktionszeit angebrochen sind …

… das letzte Glöcklein hat geschlagen (lacht).

Ende Monat hören Sie auf. Wie geht es Ihnen dabei?

Im Moment kann ich das gar nicht richtig sagen. Ich muss so viele Geschäfte abschliessen, es finden Übergabesitzungen statt, ich muss das Büro räumen, pragmatische Angelegenheiten wie die Pensionskasse regeln und so weiter. Ich befinde mich entre les choses.

Verspüren Sie keine Wehmut, dass Sie das Museum verlassen, in dem sie 15 Jahre lang gewirkt haben?

Es ist eine gewisse Ambivalenz. Ich habe eine intensive Zeit erlebt hier und bin aus dem Direktorenmodus noch nicht richtig raus. Eine gewisse Wehmut stellt sich durchaus ein, wenn ich an die Mitarbeiter denke, mit denen ich nicht mehr zusammenarbeiten werde. Und natürlich die Sammlung: Ich hatte jeden Tag die wunderbarsten Bilder um mich herum, die werden mir sicher fehlen. Es gibt aber auch Dinge, die ich nicht vermissen werde: die ganze Administration, das Fundraising und alles darum herum. Ich freue mich also trotz einer gewissen Wehmut darauf, mich auf freier Ebene und auf eine persönliche Art wieder stärker und direkter der Kunst widmen zu können.

Sie haben bis zu Ihrer Pensionierung ausgeharrt. Liegt das daran, dass Sie mit der Leitung des Kunstmuseums die oberste Stufe der Karriereleiter erreicht haben? Das Haus gilt ja als eines der wichtigsten Kunstmuseen der Welt.



Nach 15 Jahren gibt Bernhard Mendes Bürgi das Szepter weiter: «Auch heute kann ich mich als Mitarbeiter einer Kunstinstitution keinen besseren Ort vorstellen».

Nach 15 Jahren gibt Bernhard Mendes Bürgi das Szepter weiter: «Auch heute kann ich mir als Mitarbeiter einer Kunstinstitution keinen besseren Ort vorstellen.» (Bild: Nils Fisch)

Für mich war das Kunstmuseum Basel stets eines der bedeutendsten Museen der Welt – das war es bereits lange, bevor ich auch nur ahnte, dass ich einmal sein Direktor sein würde. Und auch heute kann ich mir als Mitarbeiter einer Kunstinstitution keinen besseren Ort vorstellen. Ich hatte nicht den Ehrgeiz, noch einmal die Institution zu wechseln. Das ist bei der heutigen Generation der Kuratoren anders; diese sind nomadischer unterwegs, binden sich weniger stark an einen bestimmten Ort. Ich denke aber, dass es für eine Institution dieses Ranges wichtig ist, dass sie eine bestimmte Ära durchlebt. Das ist wichtig fürs Personal, fürs Publikum und vor allem natürlich für die Ankäufe, die ihre Zeit benötigen, wenn die Ankaufspolitik nicht nur ein Fragment bleiben soll.

Was werden Sie nun tun?

Zuerst werde ich eine Art Sabbatical einlegen. Ich war 12 Jahre lang Direktor der Kunsthalle Zürich, 15 Jahre hier am Kunstmuseum. Jetzt will ich reflektieren, resümieren, mich auf einen anderen Status bringen, um dann auf einem anderen Level neu zu kuratieren.

Sie sprechen das Kuratieren, also das Ausstellungsmachen an. Kam das zu kurz in Basel?

Ich komme vom Ausstellungsmachen her und habe mir vorgenommen, auf dieses Privileg auch in Basel nicht zu verzichten. Viele meiner Kollegen an grossen Häusern im Ausland kuratieren keine einzige Ausstellung mehr, sondern sind nur noch als Ermöglicher an Ausstellungen beteiligt. Ich habe jedes Jahr eine Ausstellung kuratiert, weil mir das Energien verlieh und nicht zuletzt auch einen speziellen Zugang zur Museumslandschaft, zu den Künstlern und zum Kunstmarkt öffnete. Man erlebt die Institution anders. Ich denke, in Basel erwartet man vom Direktor, dass er auch Ausstellungen kuratiert. Mein Nachfolger Josef Helfenstein wird das auch tun.

Sie haben mit Ihren Ausstellungen das Kunstmuseum ab und zu auch gegen den Strich gebürstet: Sie zeigten die Installationen des mexikanischen Konzeptkünstlers Gabriel Orozco in der Gemäldegalerie. Und bei Ihrer Eröffnungsausstellung «Sculpture on the Move» im Erweiterungsbau spielten Sie ziemlich radikal mit den räumlichen Gegebenheiten. Waren das bewusste Provokationen?

Ich wollte nie nur ein routiniertes Ausstellungsprogramm für die Kasse machen. Ich suchte Herausforderungen, nicht nur bei den beiden Ausstellungen, die Sie erwähnt haben. So kuratierte ich in meinen Anfangszeiten zum Beispiel nicht einfach eine routinierte Kirchner-Retrospektive, sondern wollte seine ersten Davoser Jahre neu beleuchten. Bis dahin galten die Schweizer Jahre von Kirchner als weniger wichtig als seine Zeit in Deutschland. Ich wollte aufzeigen, dass Kirchners erste Jahre in Davos zu einer neuen künstlerischen Explosion geführt haben – über die späten Jahre brauchen wir hier nicht zu sprechen.

Aber warum haben Sie den Gegenwartskünstler Orozco nicht im Museum für Gegenwartskunst gezeigt?

Natürlich ist das Museum für Gegenwartskunst für die Gegenwart da, was aber nicht heissen soll, dass reifere zeitgenössische Kunstpositionen nicht auch einmal das Haupthaus beleben sollen. Auch Franz Meyer suchte mit Installationen von Beuys oder Donald Judd im Haupthaus die Konfrontation mit der gesamten Spannweite, die dieses Haus ausmacht – von den alten Meistern bis zur Gegenwart. Aber einen jungen Künstler hätte ich mit seiner ersten Ausstellung nicht gleich in den Hauptbau genommen.

Als Direktor der Kunsthalle Zürich hatten Sie den Ruf eines Künstler-Entdeckers. Welche jungen oder neuen Künstler haben Sie während ihrer Basler Zeit entdeckt?

Es ist nicht die Aufgabe, als Direktor des Kunstmuseums Basel jüngere Künstler neu zu entdecken. Anders als in einer Kunsthalle, wo man quasi als Trüffelschwein an der Front tätig sein muss. Ich konnte aber aus meinem Erfahrungshorizont heraus Werke von Künstlern, die ich längere Zeit begleitet hatte, ankaufen. Gabriel Orozco war so ein Fall.

Darf man in einer etablierten Institution wie dem Kunstmuseum also weniger Risiken eingehen?

Ich würde sagen, dass der Qualitätsanspruch hier extrem hoch ist, auch wenn wir mit dem Haus für Gegenwart über ein Instrument verfügen, das uns auch Freiheiten für Experimente eröffnet. Ich habe die Rolle des Entdeckers an meine Kuratoren für Gegenwartskunst übergeben.

Sie haben ein Haus für Gegenwartskunst übernommen, das seine Stellung in der Gesamtinstitution nur schwer behaupten konnte. Haben Sie das Haus im St.-Alban-Tal etwas vernachlässigt?

Es ist einfach so, dass sich nicht ganz so viele Menschen für Gegenwartskunst interessieren. Es gibt den Markt-Hype mit den astronomischen Auktionsergebnissen und so weiter. Aber letztlich darf man die Gegenwartskunst, was den Publikumsandrang angeht, nicht mit zu hohen Erwartungen belasten. Wenn Sie mit Gegenwartskunst nur nach dem Erfolg schielen, dann können Sie lediglich bestimmte Künstler zeigen, die gerade besonders hipp sind. Für uns stand stets das Experimentelle, das Suchende im Vordergrund und nicht unbedingt die Besucherzahlen. Das Haus für Gegenwart hat das Handicap, dass es ein räumlich abgetrenntes Haus ist, dass wir die jüngere Kunst also nicht so einfach klassischeren Positionen beipacken können, wie das an anderen Häusern möglich ist, die alles unter einem Dach vereinen. Aber ich erachte es nach wie vor als wunderbaren Umstand, dass sich Basel ein eigenes Haus für die Gegenwartskunst leistet. Wir haben viel Kraft reingesteckt, aber auch finanzielle Mittel.

Ihre letzte Ausstellung «Sculpture on the Move» im neuen Erweiterungsbau wurde zum Teil heftig kritisiert. Haben Sie die Eröffnungsausstellung, die man schwerlich als massentauglich bezeichnen kann, bewusst als Provokation gesetzt und nehmen damit negative Reaktionen in Kauf?

Ich suche die negative Kritik bestimmt nicht bewusst. Ich habe meine Ära mit «Painting on the Move» begonnen – auch damals musste ich Kritik einstecken – und höre mit «Scuplture on the Move» auf. Beides waren Ausstellungen, die ich mit viel Herzblut kuratierte. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass es gute und spannende Ausstellungen sind. Aber es sind natürlich in einem gewissen Sinn gefährliche Ausstellungen. Mit einer gediegenen Bonnard-Ausstellung zur Eröffnung wäre ich auf der sicheren Seite gewesen.



Der stark strukturierte Holzboden im Erweiterungsbau sorgt für Kritik.

Der stark strukturierte Holzboden im Erweiterungsbau sorgt für Kritik. (Bild: Dominique Spirgi @ProLitteris, Zürich 2016)

Bleiben wir noch einen Moment beim Neubau. Sicher haben auch Sie bereits gehört, dass der Eichenboden mit seinen deutlichen Fugen nicht nur Freunde hat. Haben Sie den richtigen Boden gewählt?

Es war ja nicht meine persönliche Wahl, wir haben das mit den Architekten zusammen entwickelt. Der Boden war ein langer Diskussionspunkt; die Architekten wollten die Ausstellungsräume lange Zeit mit Marmorböden belegen. Ich engagierte mich für Holzböden, und zusammen kamen wir dann schliesslich auf dieses Industrieparkett mit den Holzzementfugen, das in einer verwandten Form bereits im Vortragssaal im Hauptbau anzutreffen ist.

Mit der Skulpturenausstellung fällt er deutlich auf.

Es ist kein Boden, der gepflegt und möglichst neutral ist, sodass er niemandem auffällt – wie etwa gebleichtes Parkett, das man auch in Basler Museen antrifft. Wir wollten schlichte Räume, aber eine deutliche materielle Präsenz, eine Dezidiertheit in der architektonischen Sprache. Das kann man kritisieren, aber ich bin überzeugt, dass man diesen Boden umso mehr mögen wird, je länger das Haus in Betrieb sein wird. Wenn man etwas Neues präsentiert, gibt es stets Pro und Kontra.

Auch das internationale Feuilleton reagierte höchst unterschiedlich auf den Neubau. In Deutschland war abschätzig von einer «Luxus-Fleischerei» oder einem «Hybrid aus U-Bahn-Station, Ceaușescu-Palast und Firmenzentrale» die Rede, in England bejubelten die Zeitungen das Haus geradezu euphorisch. Wie ist das möglich?

Da fange ich erst gar nicht an, lange zu grübeln. Man muss sich etwas immunisieren. Man ist so sehr mit der Eröffnung beschäftigt, dass man nicht auch noch so stark auf die Pressereaktionen schauen kann. Ich habe gewisse Kritiken gar nicht gelesen. Der Umgang mit den boulevardisierten Medien ist generell schwieriger geworden.

Das liegt bestimmt daran, dass Sie eine Institution leiteten, die in der gesamten Welt hohe Aufmerksamkeit geniesst. War es auch eine Belastung, auf der obersten Stufe der Museumswelt stehen zu können oder eben zu müssen?

Man sagt, dass die Luft umso dünner wird, je höher man aufsteigt. Das trifft für das Kunstmuseum Basel sicher zu. Aber meine Devise war stets, dass ich das Museum beherzt führen möchte, ohne auf den Applaus des deutschen Feuilletons zu schielen.



Kunstmuseumsdirektor Bernhard Mendes Bürgi geht in Pension: «Meine Devise war stets, dass ich das Museum beherzt führen möchte, ohne etwa auf den Applaus des deutschen Feuilletons zu schielen.»

Kunstmuseumsdirektor Bernhard Mendes Bürgi geht in Pension: «Meine Devise war stets, dass ich das Museum beherzt führen möchte, ohne etwa auf den Applaus des deutschen Feuilletons zu schielen.» (Bild: Nils Fisch)

Sie haben von einer Ära gesprochen. Etwas vereinfacht gesagt: Die Ära von Georg Schmidt war die des Ausbaus der Sammlung in Richtung Moderne, die Ära Franz Meyer brachte die Amerikaner und Josef Beuys, Christian Geelhaar machte grosse Blockbuster-Ausstellungen, Katharina Schmidt rehabilitierte Arnold Böcklin. Was wird man in zehn Jahren über die Ära Bürgi sagen?

Das werden wir in zehn Jahren erfahren (lacht). Mir war es wichtig, eine Balance zu schaffen zwischen Sammlungs- und Ausstellungshaus. Traditionsgemäss war das Kunstmuseum Basel ein Sammlungs- und nicht ein Ausstellungshaus. Ich habe versucht, das Element der grossen Sonderausstellungen konsequenter weiterzuentwickeln – dies war der eigentliche Auslöser für den Neubau.

Waren es für diese Balance nicht manchmal zu viele Ausstellungen?

Wir haben in Basel ein Haus mit einem grossen Spannungsbogen von 700 Jahren Kunstgeschichte. Es gibt hier Kuratoren von den Alten Meistern bis zur Gegenwartskunst, die alle das Recht haben sollen, ihre Arbeiten und Forschungen zeigen zu können.

Sie sagen es, das Kunstmuseum ist ein wichtiges Sammlungshaus, das sich auch auf diesem Gebiet weiterentwickeln muss. Mit dem eigenen Geld kommen Sie nicht ganz so weit. Wie frei sind Sie bei der Sammlungserweiterung, wenn Sie so sehr von der Grosszügigkeit des Basler Bürgertums abhängig sind?

In meiner Zeit wurde das Ankaufsbudget auf eine Million pro Jahr heraufgesetzt und dann später wieder auf 800’000 Franken hinuntergeschraubt. Ich musste den Spagat zwischen einem Dienststellenleiter des Präsidialdepartements und einem Gegenüber privater Donatoren vollziehen. Sich alleine auf Schenkungen Privater zu verlassen, diese Zeit ist vorbei. Mir war es immer wichtig, zusammen mit der Kunstkommission einen eigenen Spielraum zu behalten. Mit eigenem Geld kann man zumindest gewisse Richtungen oder Positionen vorgeben und den Privaten ermöglichen, einzuhaken – wobei man sich natürlich mehr oder weniger auf Gegenwartskunst konzentrieren muss. Für die Klassische Moderne, für den Rückkauf eines Picassos zum Beispiel, reicht der Kredit bei Weitem nicht aus. Bei der Gegenwartskunst konnten wir auch auf den Goodwill gewisser Künstler zählen. Es gab Sammler, die uns wunderbare Werke geschenkt haben, aber wir konnten auch immer aktiv tätig sein. Auch mit Hilfe privater Geldgeber. Die Max-Geldner-Stiftung bot mir zum Beispiel an, anlässlich der Eröffnung des Neubaus einen Ankauf vorzuschlagen. Ich schlug ein Werk von Richard Serra vor, das wir uns selber nicht mehr leisten konnten.

Wie eigenständig sind Sie bei solchen Ankäufen? Ist Bürgis Wunsch Befehl?

Letztlich entscheidet die Kunstkommission, aber auf meinen Vorschlag hin.

Was war der Höhepunkt der Ära Bürgi?

(Überlegt.) Konventionellerweise müsste ich jetzt die Van-Gogh-Ausstellung nennen. Sie war weitaus das erfolgreichste Ereignis meiner Amtszeit – aber das entspricht nicht meinem persönlichen Empfinden. Ein Höhepunkt war sicher, dass es uns gelungen ist, das Museum zu erweitern. Es gibt viele Höhepunkte: Ausstellungen wie der frühe Warhol, de Kooning – das sind zwei Beispiele. Aber auch bestimmte Ankäufe, wie zum Beispiel die «Verkündigungen nach Tizian» von Gerhard Richter. Ein andauernder Höhepunkt ist sicher die Tatsache, dass die Menschen in Basel ihr Museum so sehr schätzen.

Was waren die Tiefpunkte?

(Überlegt.)

Soll ich Ihnen ein Stichwort nennen?

(Lacht.) Ausgerechnet bei den Tiefpunkten!

Dass Sie das Haupthaus 2015 schliessen mussten zum Beispiel.

Das war für mich nicht ein Tiefpunkt. Das wurde von den Medien hochgespielt. Insofern war die Aufnahme in der Öffentlichkeit ein Tiefpunkt. Wir haben dann ein beachtliches Ausweichprogramm zusammenstellen können, das überall auf Applaus stiess.

Stichwort Sammlung Staechelin?

Das Thema überspringe ich jetzt.

Gibt es Pläne und Projekte, die Sie nicht realisieren konnten?

Es gibt eine grosse Wunschliste, die auch utopische Elemente beinhaltet. Ich könnte jetzt sagen, dass dem Kunstmuseum Basel ein grosser Jackson Pollock fehlt. Aber das fällt unter die Kategorie «It would be great to have». Das könnte man auch zum Fehlen eines wichtigen Dürer-Bildes sagen oder dass die Sammlung kein wichtiges suprematistisches Gemälde von Malewitsch besitzt. Es wird immer Träume geben, die unerfüllt bleiben.

Und was Ausstellungen betrifft?

Ich hätte immer gerne eine grosse Picabia-Ausstellung gemacht, was das Kunsthaus Zürich gerade tut. Oder eine grosse Matisse-Ausstellung – eine Position, bei der auch ein stärkeres Gewicht in der Sammlung schön wäre. Es wird immer schwieriger, solche Ausstellungen zu realisieren.

Und doch treten so viele Museen mit der klassischen Moderne in eine Konkurrenzsituation. Auch hier auf dem Platz Basel mit Ihrem Haus und der Fondation Beyeler.

Das ist der Ausstellungszirkus, der sich immer wieder um dieselben Künstler dreht.

Aber Sie haben mitgemacht.

Das war eine Notwendigkeit. Wir konnten und können nicht nur radikale Gegenwartskunst zeigen. Auch die Kasse muss letztlich stimmen.

Wie war Ihr Verhältnis zur Fondation Beyeler, die in der Publikumsgunst ganz oben steht?

Ich bin persönlich mit Direktor Sam Keller befreundet. Und letztlich belebt die Konkurrenz das Geschäft.

Das sagen alle.

Weil es so ist. Aber letztlich kann man die beiden Häuser nicht so einfach vergleichen. Wir haben eine riesige Sammlung und andere Aufgaben als das Haus in Riehen.

Es gibt auch noch das Museum Tinguely, das immer wieder mit thematischen Ausstellungen auf sich aufmerksam macht. Sie haben wenige thematische Ausstellungen gezeigt. Warum eigentlich?

Ich habe persönlich eine Vorliebe für monografische Ausstellungen, die ich aber thematisch gerne auf einen spezifischen Blick konzentriere. Konventionelle thematische Ausstellungen, etwa zum Thema Expressionismus oder so, interessieren mich weniger. Aber wir hatten letztlich mehr thematische Ausstellungen, als Sie jetzt suggerieren. «Orte des Impressionismus» zum Beispiel oder die beiden «… on the Move»-Ausstellungen. Aber monografische Ausstellungen lagen mir immer näher. Ich habe in meinem Leben, um es etwas pointiert auszudrücken, wenige gute, aber viele bemühend wirkende thematische Ausstellungen gesehen. Das liegt letztlich auch daran, dass man bei thematischen Projekten schwerer an wirklich gute Leihgaben herankommt.

Sie sind als Zürcher nach Basel gekommen …

… ich bin kein Zürcher (lacht), ich bin Ostschweizer.

Aber Sie sind aus Zürich nach Basel gekommen. Was ist nach 15 Jahren Ihr Eindruck von Basel?

Ich kannte Basel natürlich schon vor meiner Zeit als Direktor. Ich hatte den Eindruck – was sich auch bestätigt hat –, dass Basel im Vergleich England ist und Zürich Amerika.

Was heisst das?

Die Zürcher sind unkomplizierte Macher: Sie packen etwas an, machen es, und wenn sie Erfolg haben damit, zeigen sie es auch unverblümt – kaufen sich ein dickes Auto, was man in Basel nicht tut. Hier in Basel trifft man wie in England viel mehr auf traditionsreiche und verankerte Situationen. Auch die humanistische Tradition und die jahrhundertealte Verbundenheit mit der Kunst ist hier spürbar. In Zürich ist das nicht so. An den Museumsvernissagen ist der Apéro dort viel wichtiger als das Zuhören bei den Reden. Hier in Basel war ich erstaunt, wie pünktlich die Leute erscheinen, um auch ja nichts von den Reden zu verpassen. Es herrscht eine grössere intellektuelle Schärfe hier. Zürich hat aber mehr Drive. Ich schätze letztlich beides. Aber ich habe sehr gerne in Basel gearbeitet, die Stadt ist institutionell spitze. Und mit der «Art» wird sie einmal im Jahr zur Welthauptstadt der Kunstszene. 

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