Die deutsche Songwriter-Hoffnung Dillon zeigte sich bei ihrem Auftritt im Basler Hinterhof von der düsteren Seite.
Dillon ist nicht gewillt, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen: Das machte die junge Dame bereits vor fünf Jahren unmissverständlich klar. Damals, als sie, knapp volljährig, nach dem Achtungserfolg ihrer ersten, im heimischen Wohnzimmer aufgenommenen Youtube-Videos alle Avancen der grossen Plattenfirmen ausschlug, um ihre erste Single beim Indie-Label «Kitty Yo!» rauszubringen.
Und danach, als sie sich nach ihrer ersten Tour entschied, zuerst eine musikalische Pause einzulegen und ihr Abitur zu machen, bevor sie von Köln nach Berlin zog, und dort schliesslich von Elektro-Ikone und Label-Mama Ellen Allien für deren hippe Hauptstadt-Hitfabrik «Bpitch Control» unter die Fittiche genommen wurde. Ein weiser Entschluss: Denn Dillons Debüt «This Silence Kills» schlug im letzten November hohe Wellen, wurde nicht nur in Szenekneipen, sondern auch von Radiostationen rauf und runter gespielt, und in der Blogosphäre wahlweise als neue Lykke Li, als bekömmlicheres Pendant zu Soap & Skin, oder auch einfach als neue Stimme einer Generation bejubelt.
Rätselhafte Hymne
Nun steht Dominique Dillon de Byington, wie die gebürtige Brasilianerin mit bürgerlichem Namen heisst, auf der Bühne des Basler Hinterhofs und singt «Thirteen Thirtyfive», diesen rätselhaften Hit, der eine Hymne an ein ungeborenes Kind oder eine melancholische Mörderballade sein könnte, man weiss es nicht genau, und Dillon selbst äussert sich nicht dazu.
Viel zu sehen gab es nicht: Dillon im Basler Hinterhof (Bild: Tara Hill)
Auch an diesem Abend gibt es keine Ansagen zu hören, die etwas Licht ins Dunkel bringen könnten. Den grossen Teil des Auftritts verbringt Dillon nämlich in der linken Ecke der Bühne, fernab der Scheinwerfer, von ihrem E-Piano und Trockeneis verdeckt, als schemenhafte Figur, von der nur düstere Umrisse zu erkennen sind. Manchmal holt Dillon tief Atem, und spuckt die Satzfetzen, die Ad-Libs ihrer Songs mit zittriger Stimme richtig aus sich heraus, es klingt wie ein kehliges Räuspern, das von ihrem männlichen Sidekick am anderen Ende der Bühne, ebenfalls hinter zwei Laptops und Mini-Moog versteckt, mit donnernden Bässen und Sample-Geschütz bekräftigt wird.
Tötende Stille
Dann wieder: Stille. Unbarmherzige Stille, wie sie auf dem Titeltrack von «This Silence Kills» beschworen wird, welche dieser Inszenierung einen seltsam unheimlichen Einschlag gibt – als wären es Geschichten aus der Gruft, die Dillon hier im Dunkeln beschwört, und nicht die teils wütenden, teils schwermütigen «Coming of Age»-Stories, die man hier eigentlich erwartet hatte.
Doch gerade in der Sekunde, wo sich die theatralische Kunstpause als etwas zu lang erweist, wo das empathisch-erwartungsvolle Publikum im vollen Hinterhof sich von ihr abwenden will, hin zur Bar, oder raus zum Rauchen, taucht sie schwankend aus dem Nebel auf, wie das Geistermädel im Horrorfilm «Der Ring», schwingt nach Luft ringend ihre Mähne am Bühnenrand, entreisst einem filmenden Fan das Handy, und singt aus voller Kehle kristallklar in die Menge, deren Widerstand ob so viel Wucht gleich kapituliert.
Erschauernde Schönheit
«Tip Tapping», dieser im Original leichtfüssige, von einer Tuba begleitete Nachtspaziergang, wird hier ein fesselnd grusliges Schauermärchen, wobei der von Dillon angezettelte Publikumsgesang zum murmelnden Geisterchor gerät. Ein magischer Moment, bei dem der Scheinwerfer kurz Dillons düstere Schönheit aufblitzen lässt, bei dem man erschauernd denkt: Diese Mademoiselle hat das Zeug zu einer Fürstin der Finsternis, da ist alles andere als eine Dilettantin am Werk, von der wird man noch Grosses hören.
Und dann, als wäre ihr die Intensität selber unheimlich, schüttelt sie unwillig den Kopf, und während der Chor verstummt, verschwindet Dillon wieder im Dunkeln. Nach einer Stunde ist der Spuk schon wieder vorbei – Schade, eigentlich.