«Ist deine Freundin ein kleines Monster, das man mit Komplimenten füttern muss?»

Sechs junge Kunstschaffende füllen am JKF den Eingang der Kunsthalle mit Fragen – und werfen damit mehr Fragen auf, als sie Antworten geben.

Werfen Fragen auf: Anna Schaffter, Deborah Senn, Dlovan Shaheri, Vitapan Vigneswaran, Martin Sutter und Lucas Manser.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Das JKF ist dieses Jahr zum ersten Mal auch mit bildender Kunst am Start: Sechs junge Kunstschaffende füllen den Eingang der Kunsthalle mit Fragen – und werfen damit mehr Fragen auf, als sie Antworten geben. Gut so!

Wer heutzutage jung ist, kennt die Vorwürfe, die seiner Generation anhaften: faul, unentschlossen, selbstsüchtig, ständig mit den Nasen hinter Bildschirmen.

Lässt sich diskutieren. Klar ist aber, dass sich die neuen Technologien auf unser Verhalten auswirken, darauf, wie wir leben und lernen und letztlich auch wie wir unsere Fragen an die Welt richten. Oder besser gesagt: beantworten lassen. Denn seit man mit ein paar einfachen Tippbewegungen jederzeit das Wissen der Welt abrufen kann, sind wir fauler geworden. Ungereimtheiten werden sofort und ohne zu Zögern per Handy aus dem Weg geräumt, Wikipedia liefert uns die Fakten, Google die Antworten.

In dieser trägen Wissenskultur bleiben die Fragen auf der Strecke, die sich nicht so einfach beantworten lassen. Wohin will ich? Was ist Glück? Was weiss ich eigentlich? «Oder», Lucas Manser grinst, «ist deine Freundin ein kleines Monster, das man mit Komplimenten füttern muss?» – «Diese Frage müssen wir unbedingt wieder reinnehmen!», ruft Deborah Senn und lacht. Die beiden sind Teil des sechsköpfigen Kollektivs aus jungen Kulturschaffenden, die während des JKFs dafür sorgen werden, dass diese kleinen grossen Fragen eine Plattform bekommen.

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Kampf durchs Fragenmeer

Anna Schaffter, Deborah Senn, Dlovan Shaheri, Vitapan Vigneswaran, Martin Sutter und Lucas Manser werden dafür die Kunsthalle in Beschlag nehmen und mit einem «Fragenmeer» füllen, durch das sich der Besucher bewegen darf und zuweilen auch kämpfen muss. Denn die zahlreichen Fragen, die das Kollektiv in den Eingangsbereich der altehrwürdigen Institution hängen werden, drehen sich keinesfalls nur um glückliche Momente und anspruchsvolle Freundinnen: «Am Anfang hängen die heiteren, leichten Fragen. Je weiter man sich hinein traut, desto persönlicher wird es. Da kommen auch Fragen, denen man sonst lieber aus dem Weg geht», meint Martin Sutter.

Das JKF hatte die jungen Kulturschaffenden, die sich vom Vorkurs Gestaltung und Kunst an der FSG Basel kennen und ein Gemeinschaftsatelier auf dem Dreispitz haben, im Frühjahr angefragt, ob sie etwas zum Festival beisteuern möchten. Für die sechs Künstler war sofort klar: Es würde um Kommunikation gehen, eine Sache, die sie alle ständig umtreibt und beschäftigt, wie Anna Schaffter meint: «Nach langem Diskutieren landeten wir bei den Fragen: Ein kleines Kind lernt, indem es fragt. Durch Fragen bilden wir uns und lernen die Welt kennen. Da wollten wir ansetzen.»

Reaktion vor Form

Also setzten sie an: Über ein halbes Jahr lang sammelten sie Fragen, die sie beschäftigten. Zwischendurch sassen sie immer wieder in ihrem Atelier zusammen, lasen sich die Fragen vor und diskutierten zwischen selbstgebauten Möbeln und angebrochenen Arbeiten über passende und unpassende Fragen. 

Gibt es denn überhaupt sowas wie unpassende Fragen? Dlovan Shaheri schüttelt den Kopf. «Natürlich nicht. Alles ist möglich. Aber uns war wichtig, dass die Fragen weiterführen, dass sie zur Reflexion anregen.» Dabei seien die Reaktionen der Zuschauer eigentlich fast noch wichtiger als die Form der Arbeit. «Wir wollen zum Nachdenken und gemeinsamen Diskutieren anregen.» Dafür wird das Kollektiv auch während des ganzen Tages vor Ort sein und die Menschen in Gespräche verwickeln.

JKF
Am Basler Jugendkulturfestival zeigen Jugendliche in diversen Sparten, womit sie sich beschäftigen. Wir porträtieren im Vorfeld Jungkünstler vor ihrem grossen Auftritt und befassen uns zudem mit der Frage, was Jugendkultur 2015 ist.

Kommunikation für einmal analog

Ein ungewöhnliches Konzept, besonders in einer Zeit, in der man «Kommunikation» vermehrt mit dem Internet in Verbindung bringt. «Junge Menschen kommunizieren immer mehr in virtuellen Räumen, sie gehen mit ihren Fragen nicht mehr in die analoge Welt», meint Vitapan Vigneswaran und Dlovan Shaheri nickt. «Uns wurde oft die Frage gestellt, wieso wir nicht mit sozialen Plattformen arbeiten würden, wo Leute online Fragen beantworten können. Aber das ist nicht unsere Welt.» Es gehe darum, sich einen Ruck zu geben und unangenehme Fragen zu stellen. Ohne Internet, mitten in einer Kunsthalle, einem Ort, an dem man sich traditionellerweise mittels Kunst über sich selbst und das Leben Gedanken macht. 

Über welche der über 500 Fragen in der Auswahl hat sich das Kollektiv in letzter Zeit am meisten Gedanken gemacht? «Wieso schwarzweiss und nicht weissschwarz?» ruft Lucas Manser. Alle lachen. Und dann ist das Gespräch vorbei und man hat fast noch mehr Fragen als am Anfang, aber genau so muss es sein, und so läuft man gutgelaunt hinaus, erleichtert, weil man weiss: Wenn das die Jugend von heute ist, dann kommt das gut mit unserer faulen, unentschlossenen Generation.

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«Fragenmeer» in der Kunsthalle, Samstag 14 bis 22 Uhr.

Die TagesWoche hat im Rahmen des JKF 2015 der jungen Kultur und ihren Machern einen Themenschwerpunkt gewidmet. Dazu sind folgende Artikel erschienen:

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